Di 07.06.2016
Frankreich. Mai 2016. Die Raffinerien und Kohle-Depots werden blockiert, immer mehr Tankstellen gehen die Reserven aus. Jeden Mittwoch und Donnerstag rufen die Bahn-Gewerkschaften zum Streik auf, so wird auf unbefristete Zeit der gesamte Zugverkehr wöchentlich lahmgelegt. Bei landesweiten Aktionstagen sind hunderttausende Beschäftigte, Arbeitslose und Jugendliche auf der Straße und vereinen die zahlreichen sich ausbreitenden lokalen Kämpfe zu einem massiven Widerstand. Demonstrationen, Streiks, Blockaden – der Kampf gegen das neue Arbeitsgesetz „El Khomri“ und die verhasste Hollande-Valls-Regierung spitzt sich immer weiter zu.
Denn dieses Arbeitsgesetz bedeutet einen Generalangriff auf elementare Errungenschaften der französischen ArbeiterInnenbewegung. Nach dem Motto „Zurück in die Zukunft“ sollen diese abgeschafft und die ArbeiterInnenklasse 100 Jahre zurückgeworfen werden. Die französische 35-Stunden-Woche soll de facto beseitigt, der Rahmen des Arbeitstages auf 12 Stunden, die Arbeitswoche auf 48h und in einzelnen Fällen sogar auf 60 Stunden pro Woche (!) ausgeweitet werden. Durch Lockerungen des Kündigungsschutzes sollen prekäre Arbeitsverhältnisse massiv ausgeweitet werden.
Es ist die sich selbst „links“ nennende Regierung unter der „Sozialistischen“ Partei PS, die sowohl für die massiven Angriffe auf das Arbeitsrecht, als auch für die brutalen Angriffe auf den Widerstand dagegen verantwortlich ist. 15 Jährige SchülerInnen, die von der Spezialeinheit der Polizei geprügelt, GewerkschaftsaktivistInnen, die mit Tränengas beschossen werden – das ist die Politik von Hollande und Valls! Allen ist klar: diese Regierung steht auf der Seite der Reichen, Banken und Konzerne. Der französische Kapitalismus soll fit für den Wettbewerb gemacht, und die Profite der Kapitalisten gesichert werden.
Der Widerstand ist enorm und vielschichtig. In den letzten Monaten waren Hunderttausende, am 31. März sogar über 1,5 Millionen, auf der Straße. Vor allem die Jugend ist ein wichtiger Teil des Motors der Bewegung, denn sie weiß, dass die Errungenschaften der Vergangenheit nicht nur verteidigt werden müssen - es geht darum, das ganze System, das genau diese angreift, in Frage zu stellen und letztendlich auch zurück zu schlagen.
Von den kleinsten Dörfern bis nach Paris haben Teile der Bevölkerung begonnen sich zu versammeln, um über eine andere Zukunft zu diskutieren. Mit der "Nuit Debout" Bewegung gibt es seit Ende März lokale Platzbesetzungen, die sich von dem Place de la Republique in Paris ausgehend auf das ganze Land ausgebreitet haben. Viele Menschen aktivieren sich hier das erste mal in ihrem Leben. Dort, wo man sich nicht ausschließlich auf abstrakte Diskussionen beschränkt hat, besteht die Bewegung auch nach wie vor. So haben im Süden "Nuit-Debout"-AktivistInnen Maut-Sperren besetzt, um den Menschen ein paar Stunden die hohen Gebühren der privatisierten Autobahnen zu ersparen. Gemeinsame Versammlungen und Diskussionen mit Gewerkschaften finden statt, man unterstützt sich gegenseitig.
Und gerade die Gewerkschaften sind es, die das Land auf die Straßen und Barrikaden bringen. Es ist die mächtige CGT, die unter dem Druck der Basis dazu gedrängt wird, gemeinsam mit sämtlichen anderen Gewerkschaften landesweite Proteste zu organisieren, Arbeitskämpfe zu unterstützen und eben zusammenzuführen. Und dieser Druck wächst: mit den sich radikalisierenden Streiks wird der Kampf auf eine neue Ebene gehoben. Mit der zeitweise kompletten Blockade der Treibstoff-Versorgung wird das kapitalistische System in seinen Grundfesten angegriffen und die unglaubliche Kraft der ArbeiterInnenklasse deutlich: ohne uns fließt kein Tropfen Benzin und das Land wird lahmgelegt.
Der Kampf gegen das Arbeitsgesetz kann Frankreich an eine Weggabelung bringen. Präsident Hollande hat das Gesetz per Notverordnung, dem Dekret 49.3, ohne Beschluss durchpeitschen lassen. Am 14. Juni soll der Senat entscheiden – ein Entscheidungs-Tag, v.a. auf der Straße. Premier Valls hat angekündigt, bis zum Ende gehen zu wollen und die Blockaden der Raffinerien um jeden Preis zu beenden. Obwohl nach wie vor mehr als 71% das Gesetz ablehnen und sogar ein Großteil der Menschen trotz Benzin-Engpässen die Blockaden der Raffinerien unterstützen, hat die Beteiligung an den großen Aktionstagen teilweise abgenommen - die Mobilisierungen sind also noch nicht zahlenmäßig explodiert. Millionen von Jugendlichen, von nicht gewerkschaftlich organisierten ArbeiterInnen und Arbeitslosen sind noch nicht in den Widerstand involviert – sie müssen auf die Straße gebracht werden! Es gilt eine Generalstreiksbewegung aufzubauen, die Millionen von Menschen mobilisiert und dieses System komplett blockiert. Ähnlich wie in den Mai-Tagen '68 würden solche Streiks die Machtfrage in diesem System stellen. Doch um diese beantworten zu können, braucht es auch eine politische Alternative, die den Widerstand in sich vereint, eine Strategie entwickelt und umsetzt, die die Bewegung zum Erfolg tragen kann und die dem Kapitalismus mit einem sozialistischen Programm den Kampf ansagt.http://www.gaucherevolutionnaire.fr