Europa: Vereinigung im gemeinsamen Widerstand

Weil der kuschelige Nationalstaat reaktionäre Utopie und „anders“ allein auch kein fortschrittliches Programm ist.
Jan Rybak

Vom groß versprochenen nachhaltigen wirtschaftlichen Aufschwung, Frieden und der Stabilität, den die EU-Mitgliedschaft bringen sollte, ist nach 19 Jahren, einer tiefen Wirtschaftskrise, Militarisierung und Ausbau der Festung Europa wenig geblieben. Die Instabilität des kapitalistischen Projekts EU zeigt sich vor allem an den wirtschaftlichen und geographischen Rändern. Die Krise, verschärft durch den Kurs von Währungsfonds, Europäischer Zentralbank und Europäischer Kommission, hat in Griechenland und Spanien eine soziale Wüste hinterlassen. Arbeitslosenraten von über 25 % sind „normal“. Nicht nur in Ländern, in denen mehr als die Hälfte der jungen Menschen keine Arbeit und kaum eine Zukunftsperspektive hat, ist es notwendig, über Alternativen zum Europa der Banken und Konzerne nachzudenken.

Die existierenden Angebote sind widersprüchlich. Während rechte und (vermeintliche) Linke die Form über den Inhalt stellen und sich den kuscheligen Nationalstaat der 70er Jahre mit überschaubaren Grenzen und heimatlicher Währung zurückwünschen, wollen andere „aus der Wirtschafts- und Währungsunion eine richtige Europäische Gemeinschaft schaffen“ (Liste 'Europa Anders'). Diese scheinbar widersprüchlichen Positionen haben gemein, dass sie beide fest auf kapitalistischer Grundlage stehen und weder in der Lage noch Willens sind, darüber hinauszudenken. Aber um die elementarsten sozialen und demokratischen Rechte der Menschen zu verteidigen, reichen nicht „mehr mündige und informierte Menschen, die nicht mehr nur KonsumentInnen sind, […] sondern sich selber informieren, diskutieren, das Internet nutzen und mit der Veränderung in ihrem eigenen Leben beginnen.“ (Ebd.). Dafür braucht es aktiven Widerstand; von ArbeiterInnen, GewerkschafterInnen, Jugendlichen, PensionistInnen. Und den gibt es auch!

Zuletzt demonstrierten am 4. April zehntausende GewerkschafterInnen in Brüssel gegen den sozialen Kahlschlag der EU. Im November 2012 fand der erste europaweite Generalstreik (v.a. in Südeuropa) statt. Auch wenn solche Aktionen teilweise von der Gewerkschaftsbürokratie zum Dampfablassen initiiert waren, zeigt sich das Potenzial und die Notwendigkeit weiter zu gehen. Für eine immer größere Zahl von Menschen in Europa geht es heute ums Überleben. Die Situation ist auch von Seiten des Kapitals derart zugespitzt, dass halbherzige Maßnahmen nicht reichen. Das kann und muss heißen, dass etwa Griechenland die Schulden an europäische Banken nicht mehr bedient, Banken und Konzerne verstaatlicht und beginnt, die Wirtschaft demokratisch anhand der Bedürfnisse der Menschen zu planen. Zweifelsohne würden die Herrschenden der EU auf derart revolutionäre Aktionen mit rabiaten Maßnahmen reagieren.

Die ArbeiterInnenklasse eines einzelnen Landes kann dem Druck des europäischen Kapitals nicht alleine standhalten. Sie ist auf die Solidarität der ArbeiterInnen und Jugendlichen Europas und darüber hinaus angewiesen. Durch Solidaritätsstreiks, Aktionen gegen die „eigene“ Regierung etc. kann man europaweit Kämpfe unterstützen. Konkret: sollte etwa eine linke Regierung in Griechenland beschließen, die Schulden nicht mehr zu zahlen, müssen wir hier in Österreich Aktionen setzen, um die Eintreibung dieser zu verhindern. Die Schulden der Banken und Konzerne sollen nicht die Menschen in Griechenland, Österreich etc. zahlen! Dieser Kampf kann aber weder an nationalen Grenzen noch im Rahmen des Kapitalismus stecken bleiben. Ein sozialistisches Griechenland, neben einem sozialistischen Spanien, Portugal, Italien, Irland ... könnte die Grundlage für eine vollständige Neuordnung darstellen. Eine sozialistische Vereinigung wäre nicht nur die einzige Möglichkeit, revolutionäre Veränderungen in den einzelnen Ländern abzusichern, sondern darüber hinaus ein Startpunkt, um auf internationaler Ebene das kapitalistische System der Ausbeutung und Unterdrückung zu überwinden.

Bereits vor 100 Jahren stellten MarxistInnen die Forderung nach den „Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa“ auf. Heute ist es mehr denn je notwendig, an dieser Perspektive anzuknüpfen. Weder der Rückzug auf den vermeintlich besseren Einzelstaat, noch das Versprechen kosmetischer Reformen an einem durch und durch reaktionären Projekt EU werden die Situation der Mehrheit der Menschen verbessern. Das können die ArbeiterInnen und Jugendlichen nur selbst, gemeinsam, solidarisch und international; im Kampf gegen den Kapitalismus als ganzen.

 

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