Do 28.04.2022
Am 26.4. wurde die letzte Verhandlungsrunde in der Elektro-/Elektronikindustrie abgebrochen. Die Bosse waren nicht bereit ihr Angebot auf mehr als 4 % zu erhöhen, angesichts von 6,8 % offizieller Inflationsrate (und bei Güter des tagtäglichen Bedarfs deutlich höher) ein Schlag ins Gesicht für die Beschäftigten. Neben der Elektro-/Elektronikindustrie stocken auch die Lohnverhandlungen in anderen Branchen, auch in der Papier- und Chemieindustrie werden 6 % gefordert. Die Lohnverhandlungen in diesem Jahr sind kein “business as usual”, es ist der erste wichtige Kampf rund um die Frage wer die Kosten für die Krise tragen soll: Wir Beschäftigte oder die Bosse.
Betriebsrät*innenkonferenz: wütend und unruhig
Schon am Tag vor dem Abbruch der Verhandlungen hatten sich ca. 500 Betriebsrät*innen aus der Elektro-/Elektronikindustrie in der Seestadt (Wien) versammelt um über den Verhandlungsstand zu beraten. Und auch diese Betriebsrät*innenkonferenz zeigte, dass es sich dieses Jahr um keine Verhandlungen wie üblich handelt. Es sind die dritten Verhandlungsrunden die mitten in einer Krise stattfinden, von unterschiedlicher Stelle wurde betont, dass man es sich nicht leisten kann einfach auf krisenfreie Zeiten abzuwarten - die wahrscheinlich nie wieder kommen werden. Dazu kommt, dass die Konzerne in der Elektro-/Elektronikindustrie auch während der Krisenjahre fette Profite gemacht haben. Trotzdem war die Unsicherheit ein prägendes Thema der Konferenz: Sowohl das Podium als auch die Teilnehmer*innen thematisierten den Krieg in der Ukraine und die Sorge um eine wirtschaftliche Krise. Gleichzeitig wurde aber auch klar, dass die Kolleg*innen dazu bereit waren für einen höheren Abschluss in diesem Jahr aufzustehen.
Thomas Hauer, Arbeiter*innenbetriebsrat bei Gebauer und Griller (einem großen Kabelwerk in Niederösterreich) und Mitglied der ISA (früher SLP), betonte in seinem Beitrag, dass gerade die fortlaufenden Krisen ein wichtiger Grund sind um in diesen Lohnverhandlungen durch Arbeitskämpfe einen ordentlichen Abschluss zu erkämpfen. Auch um die Branche, in der seit Jahren keine Streiks stattgefunden haben, bereit für kommende Auseinandersetzungen zu machen. Er berichtete auch von der Stimmung im Betrieb selbst: Zur Vorbereitung der Konferenz wurden die Unterschriften von mehr als ca. der Hälfte der Arbeiter*innen im Betrieb gesammelt von denen sich 86% für Streiks zur Durchsetzung der Forderungen aussprachen.
Hier könnt ihr die Rede von Thomas nachhören: https://fb.watch/cGjCZQroBu/
Die Konferenz endete mit dem Beschluss über Betriebsversammlungen, sollte kein Abschluss erzielt werden, die dann Beschlüsse zu Warnstreiks treffen sollten. Diese Betriebsversammlungen stehen rund um den 1. Mai bevor.
Streiken zur Durchsetzung der Forderungen und als Investition in die Zukunft
Den meisten Kolleg*innen und Betriebsrät*innen ist klar, dass dieses Jahr kein normales ist, dementsprechend wäre ein “normaler” Kompromiss (z.B. bei 4,5 %) ein katastrophales Zeichen für Beschäftigte und würde die Enttäuschung in die Gewerkschaftsspitze weiter erhöhen. Eine Durchsetzung der 6 % Forderung durch einen Aktions- und Streikplan hingegen würde viel Vertrauen und Kampfkraft in den Belegschaften aufbauen.
Die Bedingungen für Streiks sind nicht so schlecht. Die Auftragsbücher der meisten Konzerne sind voll, es herrscht ohnehin ein Fachkräftemangel und auch eine Verlagerung von Produktion wird durch die immer intensiver werdenden globalen Krisen eine immer schlechtere Option für Konzerne. Natürlich schwächen Lieferengpässe teilweise die Kampfkraft, weil die Produktion sowieso nicht voll laufen kann. Umso wichtiger ist eine gemeinsam entwickelte Streiks- und Aktionsstrategien, die die Streikwirkung maximieren. Aber vor allem dürfen wir nicht unterschätzen wie wichtig die politische und symbolische Wirkung von Streik in einer Branche sind in der seit mehr 10 Jahren keine Arbeitskämpfe mehr stattgefunden haben.
In so einer Situation sind Streiks eine Investition in die Zukunft. Sie sind nicht nur notwendig um einen Abschluss durchzusetzen, der keinen Verlust im Lebensstandard bedeutet, sondern auch als Vorbereitung für die nächsten Jahre. Angesichts der unterschiedlichsten Krisen werden die Bosse immer schamloser versuchen die Kosten dafür auf die Beschäftigten abzuladen. Streikmaßnahmen und eine Erhöhung der Kampfbereitschaft sind auch eine langfristige Drohung und machen klar: wir können und werden uns wehren.
Arbeitskampf von unten organisieren
Aber damit Arbeitskämpfe diese Wirkung haben müssen sie tatsächlich die Belegschaften mobilisieren und einbeziehen. Nach den Betriebsversammlungen müssen Streikschulungen für Betriebsrät*innen und interessierte Beschäftigte organisiert werden. Darüber hinaus wird es notwendig werden die Basis für die Kampfmaßnahmen in allen Betrieben zu verbreiten. Ein sinnvolles Mittel dafür sind Streikkomitees bzw. ein System aus “Vertrauensleuten” in Betrieben sein. Ein Streikkomitee wird von einer Betriebsversammlung zur Leitung des Streikes gewählt. Es besteht aus denjenigen, die dazu bereit und fähig sind den Streik im Betrieb zu organisieren, das können Betriebsrät*innen aber auch Beschäftigte sein. Vertrauensleute können dabei helfen die Basis von Kampfmaßnahmen noch weiter zu verbreiten, indem z.B. jede Halle eine bestimmte Anzahl an Personen bestimmt, die in engem Kontakt mit dem Streikkomitee sind und gemeinsam die wichtigsten Entscheidungen treffen. Die Vernetzung solcher Streikkomitees aus unterschiedlichen Betrieben z.B. auf regionaler Basis wäre eine Grundlage dafür den Streik in der ganzen Branche von unten nach oben auf möglichst breiter Basis zu organisieren. Darüber hinaus ist eine zentrale Frage von Streikdemokratie die Frage des Abschlusses. Die Kolleg*innen in den Betrieben sind die Basis der Gewerkschaften und auf ordentliche Lohnerhöhungen angewiesen. Deshalb braucht es Urabstimmungen über das Verhandlungsergebnis.
Für mehr Infos zur Frage des Streiks empfehlen wir unsere Streikbroschüre: https://www.slp.at/broschueren/streik-kurz-b%C3%BCndig-4829
Gemeinsam kämpfen
Die Frühjahrslohnrunde haben eine politische Bedeutung weit über die betroffenen Branchen hinaus. Arbeitskämpfe in der Elektro-/Elektronikindustrie, der Chemieindustrie und der Papierindustrie können wichtiger erster Schritt sein, um Widerstand von unten aufzubauen. Dazu kommen zahlreiche Proteste von Beschäftigten im Sozial- und Gesundheitsbereich in den kommenden Monaten. Innerhalb der Gewerkschaftsbewegung brauchen wir dringend eine Diskussion über einen gemeinsamen Aktionsplan um zu verhindern, dass die Arbeiter*innenklasse einmal mehr die Kosten für Krisen zahlt, die wir nicht verursacht haben.