Eine StreikBEWEGUNG

Wie können wir die Auseinandersetzung im privaten Gesundheits- und Sozialbereich gewinnen

Unglaublich, was Kolleg*innen hier auf die Beine gestellt haben! Die Arbeitgeberseite stellt sich völlig quer zu den Forderungen der Gewerkschaft, aber das ist nichts Neues in den KV-Verhandlungen fast aller Branchen in den letzten Jahrzehnten. Viel zu oft gibt die Gewerkschaft dann klein bei und macht einen schlechten Abschluss. Wir sind in Österreich schon so gewohnt an diesen Ablauf von KV-Verhandlungen, dass sich sich viele damit schon abgefunden haben. In diesem Artikel wollen wir ein paar Punkte aufgreifen und Vorschläge machen wie wir diese Auseinandersetzung gewinnen können.

Streiken im Gesundheits- und Sozialbereich erfordert besonders viel Mut: Auch wenn es große Träger mit tausenden Beschäftigten gibt, sind die meisten Einrichtungen eher klein. Das Risiko sich hervor zu tun ist also oft umso größer, denn der Weg zur Geschäftsführung ist kurz.

Ein noch viel stärkerer Punkt ist aber für viele Kolleg*innen, dass unter einem Streik zunächst nicht irgendwelche Konzerne leiden, sondern die zu betreuenden oder zu assistierenden Personen. Beide Punkte machen eine enge Unterstützung durch aktive Betriebsrät*innen UND die Gewerkschaft entscheidend für erfolgreiche Streik Mobilisierungen. Tausend spezielle Fragen tauchen in jedem Betrieb auf die immer wieder beantwortet werden müssen. Die Arbeitgeberseite hat in vielen Betrieben regelrechte Verunsicherungs-Kampagnen gestartet und dienstrechtliche oder sonstige Folgen für Streikende angedroht. Sogar der Corona-Virus wurde schon in heuchlerischer Sorge um die Beschäftigten beschworen um Leute davon abzuhalten auf Demos zu gehen. Die notwendige, engmaschige Unterstützung der streikwilligen Kolleg*innen und die Ausweitung auf Betriebe und die noch nicht streiken braucht Unmengen an Ressourcen.

Ein Blick auf die Streiks zeigt recht deutlich: Die Beteiligung daran ist bei einige Betrieben sehr hoch, anderswo wird dafür gar nicht gestreikt. Sichtbar ist auch ein Fokus auf Wien, wo die Beteiligung am Größten und vor Allem die Demos am sichtbarsten sind. Ein großer Gap besteht derzeit leider zwischen den Pflege-Betrieben und den anderen Bereichen.

Es wird vor Allem da gestreikt, wo es kämpferische und aktive Betriebsrät*innen gibt, die am Besten auch noch von einem Streikkomitee unterstützt werden. Aus unserem Umfeld wissen wir, dass diese nicht nur jetzt rund um die Streiks enorm viel arbeiten, sondern auch in “ruhigen Zeiten”. Auch diesem Engagement sind die Erfolge bei den Mobilisierungen zu verdanken.

Auch sind Betriebsrät*innen im Gesundheits- und Sozialbereich teilweise ziemlich gut miteinander vernetzt: Initiativen wie “Resilienz”, “Sozial Aber Nicht Blöd”, Vernetzung im Wiener Behindertenbereich… sind die organisierte Spitze des Eisbergs. Parallel zu dieser Vernetzung gibt es auf persönlicher Ebene einen engen Austausch. Hier liegt ein zentraler Unterschied zu vielen anderen Branchen. Diese Basisvernetzung voranzutreiben und auf weitere Betriebe und vor Allem Pflegeeinrichtungen auszuweiten ist der Schlüssel zu erfolgreichen Streiks.

Wo ist die Gewerkschaft?

Eine Neuheit in diesem KV-Konflikt für Österreich sind die öffentlichen Kundgebungen und Demonstrationen während der Streiks. Die wurden aber nicht von den zuständigen Gewerkschaften GPA-djp und Vida organisiert sondern eben von Betriebsrät*innen-Netzwerken. Auch sonst fiel die Unterstützung von Gewerkschaftsseite eher dünn aus. Eine zentrale, dringend notwendige, gewählte Streikleitung tritt kaum in Erscheinung. Die Gewerkschaft scheint auch sonst keine zusätzlichen Ressourcen für die Streiks mobilisiert zu haben. Schließlich ist das das erste mal seit Jahrzehnten, dass ein KV-Konflikt so eine Eskalationsstufe erreicht. Für viele ist das hier “Neuland”. Wenn wir die Streiks auf die nächste Stufe heben wollen, brauchen wir die Ressourcen, für die wir alle seit Jahren unseren Gewerkschaftsbeitrag zahlen. Die Basisvernetzung und die engagierten Betriebsrät*innen haben viel aufgefangen, was die Gewerkschaft leisten sollte. Aber das kann keine Dauerlösung bleiben.

Die Bewegung ausweiten - Was soll die Gewerkschaft tun?

  • In Absprache und Zusammenarbeit mit den Betriebsräten und den Streikkomittees sind Betriebstouren notwendig. Die Beschäftigten sollten konkret auf die nächste Streikrunde angesprochen werden und danach gefragt werden, was die Gewerkschaft noch zu ihrer Unterstützung tun kann! Die Gewerkschaften können und müssen dafür ihren Hauptamtlichen-Apparat mobilisieren.
  • Gemeinsame Demonstrationen mindestens in ALLEN Landeshauptstädte sind notwendig, um auch kleinen Betrieben die Chance zu geben ihre Streiks öffentlich und politisch zu gestalten. Die Gewerkschaft muss diese organisieren. Es kann nicht sein, dass noch zusätzlich zu dem bestehenden immensen Arbeitspensum der Betriebsrät*innen die Organisierung der Demonstrationen auch von ihnen gestemmt werden muss.
  • Streikschulungen gab es vor Beginn des Arbeitskampfes mal vereinzelt. Warum wurde damit aufgehört? Gerade jetzt ist nicht nur der rechtliche und organisatorische Teil wichtig, sondern besonders der Erfahrungsaustausch zwischen den Streikenden und auch zwischen Streikenden und noch-nicht-Streikenden.
  • Es gibt viele “logische” Verbündete in ähnlichen Branchen. Auf der Streikdemo vom 27. Februar in Wien hat bereits eine Betriebsrätin aus der Erwachsenenbildung (Babe-KV) gesprochen. In dieser Branche stocken die KV-Verhandlungen auch. “Wohnpartner Wien” ist zwar im Werbe-KV, von den Arbeitsbedingungen aber vielmehr mit dem Sozialbereich verwandt. Die Kämpfe hier zusammenzuführen würde alle Beteiligten enorm stärken! Auch das ist eine Aufgabe für die Gewerkschaften.

Streikdemokratie:

Direkt mit der Frage der Streikorganisation verbunden ist die Frage der Streikstrategie. Allen ist klar: Die Streiks müssen intensiver werden, der Druck muss erhöht werden. Niemand hat hier den “Stein der Weisen”, aber es werden viele Ideen diskutiert. Ein paar Vorschläge machen auch wir hier in diesem Artikel, aber da gibt es sicher noch mehr. Auch ist es notwendig noch einmal über die KV-Forderungen zu diskutieren. Die 35h-Woche als einzige Forderung fanden viele von Anfang an schwierig, aber jetzt wird schon nurmehr über einen Etappenplan zur einführung diskutiert, also die 35h-Woche über einen Zeitraum von mehreren Jahren einzuführen. Das sehen viele Kolleg*innen als echte Gefahr: Statt etwas entspannter arbeiten zu können droht eine Verdichtung der Arbeitszeit, denn wie soll bei einer Arbeitszeitverkürzung von 30min/ Jahr oder Ähnlichem ein Personalausgleich sinnvoll möglich sein? Die Frage der Forderungen muss jedenfalls noch einmal diskutiert werden, dieses mal aber demokratischer! Aber das reicht nicht, denn eigentlich brauchen wir eine Diskussion und demokratisch getroffene Entscheidungen über die verschiedenen Aspekte des Streiks.

  • Wir schlagen eine Betriebsrät*innen- und Streikomittee-Konferenz vor, an der aber auch andere interessierte Kolleg*innen teilnehmen können. Die hat es teilweise nach der ersten Streikrunde schon gegeben, sie muss aber bundesweit, KV-übergreifend (SWÖ, Caritas, Diakonie, Rotes Kreuz) sein und vor Allem auch Beschlüsse fällen können. Informieren und diskutieren ist gut, aber die eigentlichen Entscheidungen müssen auch hier gefällt werden!
  • Ein Ergenis sollte die Wahl von Streikleitungen sowohl auf regionaler als auch bundesweiter Ebene sein.
  • Sollten die Verhandlungen zu einem Abschluss kommen, muss das Ergebnis einer Abstimmung aller Beschäftigten unterzogen werden. Erst wenn sie dem Abschluss zustimmen dürfen die Kampfmaßnahmen eingestellt werden. Wenn nicht, muss eben weiter verhandelt & gekämpft werden.

Es ist eine politische Auseinandersetzung - Forderungen ausweiten

Der Gesundheits- und Sozialbereich ist steuerfinanziert. Zwar verhandeln gerade die privaten und kirchlichen Träger, aber die sind nur vorgelagert. Viele Bereiche in dieser Branche waren bis vor einigen Jahren auch direkt bei staatlichen Stellen angesiedelt, wie zB die Jugendzentren oder Teile der Behindertenbetreuung. Noch sind kaum Betriebe profitorientiert, aber auch dieser Bereich wächst, vor Allem in der Pflege.
Das liebste Argument der Träger, also der Arbeitgeber in der Branche, steht damit im Zusammenhang. Sie könnten nur das Geld verteilen, das sie aus Steuergeldern (und einigen Spenden) bekommen. Das ist zwar richtig, trotzdem spielen die Träger eine Rolle bei den Einsparungen der letzten Jahre, indem sie sich gegenseitig im Kampf um öffentliche Aufträge unterbieten.
Aber genau deshalb gibt es diesen Trend zur Privatisierung ureigenster öffentlicher Aufgaben ja: es erleichtert die ständigen Sparprogramm der Regierungen. Österreich steht da im internationalen Vergleich noch relativ gut da, aber was nützt das den Betroffenen schon?
Wir brauchen eine Umkehr dieses Prozesses. Die ganze Branche gehört in die öffentliche Hand. Statt Konkurrenz zwischen zig Trägern braucht es eine gemeinsame Stelle für die Aufgaben. Das heißt aber nicht, dass wir einfach ein zurück zu dem Zustand der 70er oder so vorschlagen. Viel zu oft war der Sozial- und Pflegebereich von autoritären und repressiven Maßnahmen geprägt. Enge Vorgaben aus der Politik oder gerne auch aus religiösen Moralvorstellungen bestimmten den Umgang mit Klient*innen, Patient*innen und betreuten Personen.

  • Was wir brauchen ist ein demokratisch organisierter Gesundheits- und Sozialbereich, in dem die Beschäftigten unter starker Beteiligung der Leute in den Einrichtungen bestimmen wie gearbeitet wird.

Solidarität organisieren

Aber auch wenn wir die Arbeit grundsätzlich anders organisieren: Wir werden mehr Steuergeld brauchen, nicht nur um bessere Löhne und Arbeitszeiten zu finanzieren. Das gibt der Streikbewegung eine unmittelbare politische Ebene. Der Druck muss sich eben auch auf die Regierungen in den Bundesländern und die Bundesregierung beziehen.
Die sind aber damit beschäftigt Steuergeschenke für Reiche und Konzerne zu decken, wie z.B. die Senkung der Körperschaftssteuer, die allein ca. € 1,5 Mrd. kosten wird. Dieses Geld fehlt nicht nur im Gesundheits- und Sozialbereich, sondern auch bei Bildung, Schwimmbädern, den Öffis oder schlicht bei der Parkbank in der Nachbarschaft. Um dieses Geld müssen wir politisch kämpfen! Wir als SLP, aber auch die Initiative “Sozial Aber Nicht Blöd”, haben bereits eine Reihe von Solidaritätskundgebungen an öffentlichen Orten organisiert. Die Rückmeldungen der Passant*innen sind umwerfend positiv! Der Sozial- und Gesundheitsbereich hat viele Freund*innen! Schnell fangen die Leute auch an zu erzählen, wie die Bedingungen bei ihnen im Betrieb sind und dass sie sich auch wünschen mal offensiver zu kämpfen. Diese Solidarität müssen wir organisieren, um den politischen Druck zu erhöhen! Die Gewerkschaft, aber auch die gesamte Linke ist hier gefragt!

  • Solidaritätskundgebungen und Aktionen im ganzen Land, um die Streiks zu unterstützen! Alle Medien des ÖGB werden gebraucht!
  • Großmobilisierte Demos in allen Landeshauptstädten, bewusst auch abseits der Streiks, um die Solidarität sichtbar zu machen! Andere Branchen und Angehörige und Klient*innen können hier ihre Unterstützung zeigen und für mehr Geld demonstrieren!
  • Die 35h- Woche ist die Hauptkampagne der GPA-djp: Zeit hier auch branchenübergreifend und überall zu mobilisieren!

 

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