Mi 23.01.2019
Die Serie an Morden an Frauen 2018 ist ein Rekord, auf den in Österreich niemand stolz ist. Doch die Medien geilen sich an den Berichten auf und die Bundesregierung bedient sich ihrer in geradezu widerlicher Art und Weise. Der Gipfel der absurden Argumentation ist jene von Staatssekretärin und ÖVP-EU-Kandidatin Edtstadler die tatsächlich das Bild zeichnet, es wäre es ein importiertes Problem und österreichische Männer würden nur dem schlechten Beispiel von Migranten folgen.
Die „Unsrigen“ können das (leider) auch
Tatsache ist, dass die Ermordung von Frauen durch ihre Männer, Partner und Ex-Männer/Partner keine neue Erscheinung ist. Rund zwei Drittel aller Morde finden im Familienkreis statt. Bei der Statistik geht die Regierung frei nach dem Motto „ich glaube nur der Statistik die ich selbst gefälscht habe“ vor und agiert mit zumindest verzerrten Informationen. Vor 2018 war in der jüngeren Vergangenheit 2012 das Jahr mit den meisten Morden – lange vor dem „Flüchtlingsjahr“ 2016. Täter aus den Herkunftsländern der meisten Flüchtlinge von 2016 finden sich kaum. Jeder einzelne ist einer zu viel, aber Tatsache ist dennoch, dass die Mehrheit der Täter schlicht „waschechte Österreicher“ sind.
In den Medien werden diese Morde häufig als „Beziehungstaten“ verharmlost. Außer die Täter haben Migrationshintergrund – dann nützen diverse Rechte die Taten für ihre rassistische Propaganda. Da schwingen sich dann genau jene zu „Frauenrechtlern“ auf, die sonst gern auf die „natürliche“ Rolle der Frau, den „Jagdtrieb“ des Mannes und eine gottgegebene Ungleichheit hinweisen. Verfechter solcher reaktionärer Rollenbilder finden sich in Politik (Hofer), Kultur (Gabalier), Sport (Baumgartner) etc. und natürlich den diversen „heimischen“ Religionsgemeinschaften. Sie sind alle „echte Österreicher“ und stellen sich gern als Vertreter einer überlegeneren, moderneren Gesellschaft dar. Ihr Frauenbild und ihre Wertvorstellungen aber ähneln jenem der von ihnen kritisierten islamischen Fundamentalisten. Im Film „Womit haben wir das verdient“ verbinden sich in einer der Schlussszenen Neofaschisten, Österreich-Patrioten und islamische Fundamentalisten gegen den Aufstand von jungen, muslimischen Frauen gegen Bevormundung – sehr treffend!
Regierungspolitik macht es noch schlimmer
Besonders scheinheilig sind die Krokodilstränen der Regierung. Medienwirksam schickt sie die weiblichen Regierungsmitglieder vor und konzentriert sich auf Täter mit Migrationshintergrund. Gleichzeitig hat genau dieselbe Regierung bei Fraueneinrichtungen und Initiativen die im Bereich Gewalt gegen Frauen arbeiten die finanziellen Mittel gekürzt. Eine neue Hotline für Gewaltopfer – obwohl es längst eine gibt – und gerade einmal 100 neue Plätze in Frauenhäusern sollen in den nächsten Jahren (!) geschaffen werden. Die Expert*innen vor Ort fordern schon lange mehr Ressourcen, doch die Regierung versteckt sich hinter angeblich noch notwendigen Untersuchungen, um den Bedarf feststellen zu können. Wohl eher hofft man darauf, dass das Thema wieder aus den Medien verschwindet, ohne dass man einen Cent dafür ausgeben musste.
Doch es sind nicht nur die fehlenden Plätze in Frauenhäusern – die ganze Regierungspolitik macht das Leben für Frauen immer unsicherer. Ist das eigene Einkommen zu gering um davon unabhängig leben zu können, müssen Frauen in gefährlichen Beziehungen bleiben. Fehlt die Kinderbetreuung, bzw. wird sie teurer wie unter schwarz-blau in Oberösterreich, fehlt das Geld noch mehr, die Abhängigkeit steigt. Kann man die „freiwillige“ Mehrarbeit auf 12 Stunden pro Tag nicht leisten (z.B. weil die Kinderbetreuung fehlt) besteht sogar die Gefahr dass der Job weg ist. Und die Mindestsicherung ist schon vor der drohenden Kürzung „zu wenig zum Leben, zu viel zum Sterben“. Dasselbe gilt für hohe Mieten – wer sich keine der von Kurz gelobten Eigentumswohnungen leisten kann scheitert oft auch an den steigenden Mieten. Wieder wird so Abhängigkeit verstärkt. Die Pläne für ein neues Mietrecht durch die Regierung werden die Mieten weiter anheizen. Es sind individuelle Männer, die „ihre“ Frauen ermorden – aber es ist die Politik der Regierungen (Bund wie auch Länder!) die Frauen zwingt in gefährlichen, gewalttätigen Beziehungen zu bleiben.
Der Schutz von Frauen vor Gewalt ist daher v.a. auch eine soziale Frage. Mehr Geld für Frauenschutzeinrichtungen ist eine wichtige Forderung. Doch es braucht weit mehr:
- Ein Mindesteinkommen in der Höhe von 1.700.- (Lohn/Gehalt aber auch Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Mindestsicherung) von dem ein unabhängiges Leben möglich ist. Kürzungen bei der Mindestsicherung schaffen keine Jobs, aber ketten Frauen an einen gewalttätigen Partner. Und wenn Kurz sich Sorgen macht, dass dann niemand mehr Arbeiten würde gibt es eine einfache Lösung: Rauf mit Löhnen und Gehältern! Das Maß aller Ding dürfen nicht die wirtschaftlichen „Notwendigkeiten“ von Unternehmen sein sondern die menschlichen Bedürfnisse!
- Her mit leistbarem Wohnraum: das bedeutet massive Investitionen in öffentlichen Wohnbau durch Bund und Länder. Das bedeutet eine Mietzinsobergrenze von 20% des persönlichen Einkommens. Und das bedeutet die Enteignung von aus Spekulationsgründen leer stehendem Wohnraum um ihn jenen zu geben, die ihn dringend brauchen!
Kein Thema für die Gewerkschaft?
Gewalt an Frauen ist kein „Frauenthema“. Der überwiegende Teil von Frauen – sowie der Opfer – stammen aus der Arbeiter*innenklasse. Es sind Frauen, die über kein Vermögen verfügen, von dem sie leben können. Löhne & Gehälter, Kinderbetreung und Mieten – all das sind die Top-Themen der Arbeiter*innenbewegung. Oder sollten es zumindest sein. Denn der verlogenen Heuchelei der Regierung steht die totale Passivität der Gewerkschaften gegenüber. Der ÖGB, und sogar die ÖGB-Frauen schweigen sich zum Thema Morde an Frauen aus – zum Thema Gewalt gegen Frauen finden sich immerhin 2 Artikel aus dem Jahr 2012! Geringfügig mehr gibt es bei den Fachgewerkschaften. Geschätzte 90.000 Mitglieder des ÖGB sind Opfer von Gewalt geworden. Gerade weil es auch eine soziale Frage ist, ist es Aufgabe der Gewerkschaften, für Verbesserungen bei Löhnen, Kinderbetreuung, Sozialem und Wohnen zu erkämpfen, die ein unabhängiges Leben möglich machen. Und weil die Gewerkschaften die Macht in der Gesellschaft ist, die das auch tatsächlich könnte. Das bereits 2. Frauenvolksbegehren hat einmal mehr gezeigt, dass Unterschriften und Petitionen den Herrschenden keinen Cent heraus reißen. Verbesserungen werden nie freiwillig gewährt, sondern sind stets das Ergebnis von Kämpfen, von Klassenkämpfen, gewesen. Die Forderungen der Frauenbewegungen wurden dann umgesetzt, wenn sie Teil von großen sozialen Protesten und Bewegungen der Arbeiter*innenklasse war. Auch alles, was heute als fortschrittlichere Kultur verstanden wird – bürgerlich demokratische Rechte, Frauenrechte etc. wurden stets gegen den Willen der jeweils Herrschenden durchgesetzt – unabhängig von der Religion der beherrschten und unabhängig von der Religion der Herrschenden. Versuche, die Herrschenden durch gute Argumente oder moralischen Druck zu überzeugen, sind zum Scheitern verurteilt weil die Ursachen von Frauenunterdrückung und damit auch von Gewalt gegen Frauen im System liegen in dem wir alle leben.
Es ist eine Systemfrage!
Über die Unterdrückung von Frauen – und damit auch über die Ursache von Gewalt gegen Frauen – ist viel diskutiert und geschrieben worden. Viele Erklärungen fußen in der Biologie. Frauen sind dann wahlweise „das schwache Geschlecht“ bzw. die „lebensspendende Muttergöttin“. Männer sind in diesen Modellen „aggressiver“ und entsprechend auch gewalttätiger. Als Erklärung dafür muss Testosteron, mehr Muskelmasse oder auch die Gehirnstruktur herhalten. Hunderttausende Jahre von Evolution, technischer Fortschritt und die Tatsache, dass Menschen soziale und vernünftige Wesen sind wird in diesen Erklärungen letztlich ausgeklammert.
Tatsächlich aber sind Rollenbilder nichts Natürliches sondern das Ergebnis von gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen. Sie entsprechen den vorherrschenden Produktionsverhältnissen und ihren Notwendigkeiten. Kurz gesagt: die Frau als kostenlose Arbeitskraft in Haushalt und Familie ist systemnotwendig. Das Rollen- und Familienbild ist daher auch gemeinsam mit der Klassengesellschaft entstanden (mehr dazu in: Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates von Friedrich Engels). Auch wenn wir heute nicht mehr in einer Sklavenhaltergesellschaft oder im Feudalismus leben, so ist doch auch der Kapitalismus eine Klassengesellschaft in der eine Klasse über eine andere herrscht. Und daher ist die Unterdrückung der Frau und die damit verbundenen Rollenbilder auch bis heute nützlich für die Herrschenden.
Die herrschenden Rollenbilder bedeuten für Frauen den Druck zu gefallen, zu gehorchen, sich zu unterwerfen. Für Männer bedeuten sie den Druck die Familie „zu ernähren“. Was angesichts in der Praxis immer schwerer wird. Die wenigsten Jobs bringen heute genug ein, um damit die gesamte Familie zu ernähren bzw. macht Arbeitslosigkeit das noch schwerer. Und in ihrer Wut nach unten treten – auch weil sie kein Angebot und keine Perspektive sehen, sich nach oben zu wehren. Es ist daher kein Zufall dass Gewalt gegen Frauen in wirtschaftlich schlechteren Zeiten zunimmt!
Unterstützt wird dieses Verhalten durch eine Gesellschaft, die Gewalt gegen Frauen verharmlosen („Beziehungstat“), die Opfer dafür verantwortlich machen („sie hat ihn provoziert“) und einen Staat, der diese Gewalttaten systematisch verharmlost. Männer, die Frauen ermorden, müssen mit wesentlich geringeren Strafen rechnen als z.B. Frauen, die – oft um ihrem Peiniger zu entkommen – einen Mann getötet haben. Und häufig gehen die Täter bei psychischer, sexueller und körperlicher Gewalt sogar frei – wie diverse Skandalurteile in den letzten Monaten wieder sehr deutlich gemacht haben. Es ist eben kein Rollenbild von ein paar Männern, an denen das 20. Jahrhundert spurlos vorüber gegangen wäre sondern es ist das vorherrschende Rollenbild der aktuellen Klassengesellschaft, des Kapitalismus. Daran ändern auch Frauen in führenden Positionen – in Justiz, Wirtschaft oder Politik – nichts.
Das soll die widerlichen Taten dieser gewalttätig Gewordenen nicht beschönigen – aber erklären. Denn um eine Situation zu ändern, muss man sie zuerst einmal verstehen. Und es ist eben nicht die biologische Grundkonstruktion des Mannes, der ihn zuschlagen lässt, sondern gesellschaftlichen Umstände die zu so einer Situation führen. Auch Frauen können gewalttätig werden, nur sind sie in der Regel in der schwächeren Position in einer Partnerschaft – körperlich, aber v.a. finanziell. Weibliche Aggressivität richtet sich aufgrund dieser niedrigeren Position in der Hierarchie der Macht in einer Familie gegen die noch schwächeren – also die Kinder – oder gegen sich selbst.
In der kapitalistischen Klassengesellschaft wird alles zur Ware, auch der Mensch. Daraus resultiert auch ein bestimmtes Menschenbild. Auch Menschen kann man „besitzen“. Das drückt sich in der Sprache aus, wenn man von „meine Frau“ spricht. Ganz normal erscheint es uns auch, dass Eltern glauben, „ihre“ Kinder wären quasi ihr Besitz. Niemand dürfe sich einmischen, wenn sie „ihre“ Kinder maßregeln, strafen oder auch züchtigen. Schule und Staat dürfen bestenfalls unterstützen, aber nicht in dieses Besitzverhältnis eingreifen. Wenn Konservative fordern, dass Eltern für „ihre“ Kinder zusätzliche Stimmen bei Wahlen bekommen, dann ist das nur ein weiterdenken dieser Logik. Wer glaubt, dass uns „unsere“ Kinder gehören, der glaubt auch dass ihm „seine“ Frau gehört, insbesondere wenn sie von ihm wirtschaftlich abhängig ist. Und über den eigenen Besitz darf man frei verfügen, so das Mantra der kapitalistischen Ideologie.
So wichtig daher alle akuten Hilfsmaßnahmen sind – von Notrufen über Frauenhäuser bis zur Prävention – so wenig können sie am zugrundeliegenden Problem etwas ändern. Auch härtere Strafen wie sie die Regierung aktuell populistisch vorbringt sind keine Lösung. Es macht zu Recht wütend, dass die Strafen für Vergewaltigung teilweise niedriger ausfallen als für Eigentumsdelikte. Doch die Erfahrungen mit der Todesstrafe zeigen, dass höhere Strafen keine abschreckende Wirkung haben. Der Regierungsansatz ist verlogen. Jene, die unter dem Vorwand des Frauenschutzes für mehr „Law&Order“ sind, sind auch für ein konservativeres Frauenbild. V.a. aber versucht die Regierung die Stimmung hochzukochen um ihre rassistische Agenda durchzubringen. Sie wollen strafrechtliches mit der Frage von Bleiberecht vermischen und damit ganz nebenbei das grundsätzliche Recht auf Asyl los werden.
Der Kampf für ein selbstbestimmtes Leben von Frauen (aber natürlich auch von allen anderen Menschen) hat seinen natürlichen Feind nicht in unserer biologischen Veranlagung sondern im kapitalistischen System. Wenn ein System auf der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen beruht und dafür auch Kriege, Hunger, Elend und die Zerstörung des ganzen Planeten in Kauf nimmt – warum sollte so ein System ernsthaft daran interessiert sein, Gewalt gegen Frauen zu beseitigen. Oder auch nur dazu in der Lage sein?
Nur wenn die Profitlogik durchbrochen wird, wenn Wirtschaft und Gesellschaft demokratisch und gleichberechtigt organisiert und verwaltet werden, nur wenn menschliche Bedürfnisse und nicht Profite der Dreh- und Angelpunkt sind, nur dann endet auch die Herrschaft des Menschen über den Menschen. Und erst dann ist die Grundlage gelegt, um Gewalt gegen Menschen dauerhaft zu beseitigen.
Nein, wir warten nicht bis zum Sturz des Kapitalismus um gegen Gewalt an Frauen anzukämpfen. Aber wir verbinden unseren Kampf gegen das eine, mit dem Kampf gegen das andere! Die Kämpfe von unzähligen Menschen in den letzten Jahren weltweit gegen Morde an Frauen wie in Lateinamerika, für das Recht auf Selbstbestimmung wie in Irland, für ein menschenwürdiges Leben wie in Spanien – die Stimmung einer ganzen Generation junger Frauen, dass es so einfach nicht weitergehen kann: all das zeigt das Potential auf für eine Massenbewegung nicht nur gegen Gewalt an Frauen, sondern gegen das ganze kapitalistische System dahinter.