Di 01.04.1997
Das Ende der Ära Kohl hat begonnen. Kaum ein Tag in den letzten Wochen ohne wütende Proteste von ArbeiterInnen gegen Arbeitsplatzvernichtung und Sozialabbau: Nach dem Anstieg der Arbeitslosigkeit allein im Januar um eine halbe auf 4,7 Millionen und wegen der durchgeführten und geplanten Kürzungen reißen die streikenden und demonstrierenden Bergleute, Bauarbeiter und Stahlkocher die Regierung in die tiefste Krise seit Jahren.
Angefangen hatte die Protestwelle ‘97 mit Straßenblockaden und Demonstrationen gegen die Castor-Transporte. Die militanten Aktionen von Jugendlichen sowie Bäuerinnen und Bauern aus der Region Gorleben - Straßenblockaden, die Unterhöhlung von Straßen, Ankettungen an Eisenbahngleise - machten Schule. Im Februar bildeten 200.000 Bergleute und Andere eine Menschenkette durch das Ruhrgebiet aus Protest gegen den von der Kohlregierung geplanten Subventionsabbau. Wenige Wochen später traten sie in den Streik, besetzten die Zechen, blokkierten Autobahnen, ketteten sich vor der FDP-Zentrale an und stürmten die „heilige“ Bannmeile im Bonner Regierungsviertel.
Bremser Gewerkschaftsführung
Zum ersten Mal seit Jahren kam es zu Auseinandersetzungen zwischen GewerkschafterInnen und Polizei. Bemerkenswert war, daß die Kolleg-Innen spontan reagierten, ohne auf Anweisungen ihrer Gewerkschaftsführung zu warten. Im Gegenteil, diese läuft ihrer Basis hinterher. Die Industriegewerkschaft Bergbau und Energie (IGBE) hatte bereits dem Subventionsabbau in Milliardenhöhe und dem Abbau von Arbeitsplätzen zugestimmt, statt die ArbeiterInnen mit Argumenten zu bewaffnen und entschieden Kampfmaßnahmen zu ergreifen. IGBE-Chef Berger wurde für seine weiche Haltung der Regierung gegenüber auf einer Kundgebung in Bonn ausgepfiffen.
Das „neue“ Deutschland
Die Militanz, die Spontanität und die Kritik der Gewerkschaftsbasis an der IFBE-Führung sind die wichtigsten neuen Merkmale der ArbeiterInnenprotesten. Deutschland hat sich in diesen wenigen Wochen nachhaltig verändert. Und das, obwohl es der Gewerkschaftsführung gelang, nach einem faulen Kompromiß und dem Versprechen, auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten, die DemonstrantInnen nach Hause zu schicken. Es waren aber nicht nur die Bergleute, die auf der Straße waren. Zeitgleich demondemonstrierten zehntausende Bauarbeiter für einen tariflich gesicherten Mindestlohn - auf Deutschlands größter Baustelle Berlin. Hier blockierten sie Straßenkreuzungen, durchbrachen Polizeibarrikaden und besetzten Baustellen. Den Bauarbeitern folgten die Stahlkocher. Als bekannt wurde, daß der Krupp-Hoesch-Konzern vorhat, den Thyssen-Konzern in einer sogenannten „feindlichen Übernahme“ zu schlucken, war auch bei den Stahlarbeitern der Ofen aus. Wegen der Proteste wird aus der feindlichen Übernahme jetzt zwar „nur“ eine Fusion im Stahlbereich. Was bleibt, ist aber der Verlust von mindestens 8.000 Arbeitsplätzen und die Schließung ganzer Werke. 30.000 Metaller zogen deshalb am 25.3. nach Frankfurt vor die Zentrale der Deutschen Bank, die, mit Vertretern in den Aufsichtsräten beider Konzerne, im Hintergrund die Fäden zog. In mehreren Betrieben von Krupp-Hoesch und Thyssen wurde die Arbeit nicht wieder aufgenommen und ging der Streik weiter.
Die Sozialistische Alternative (SAV), die Schwesterpartei der SOV in Deutschland, beteiligt sich an den ArbeiterInnenprotesten. Wir kämpfen für eine Zusammenfassung des Widerstandes, den Erhalt aller Arbeitsplätze und den Sturz der Kohlregierung. Unser Aufruf für einen Generalstreik an Ruhr und Saar fand Zustimmung bei den Bergleuten. Auch bei den Protesten der Stahlkocher waren wir aktiv. Wir glauben nicht den scheinheiligen Versprechungen von sozial verträglichem Arbeitsplatzabbau und Ersatzarbeitsplätzen! Überführung der Banken und Stahlkonzerne in Gemeineigentum ist unsere Antwort auf die Machenschaften der Deutschen Bank und Krupp-Hoesch. Nur wenn Banken und Kapital entmachtet werden kann die Arbeitsplatzvernichtung ein Ende finden.