Fr 05.09.2014
Seattle ist die erste Großstadt in den USA, die den Mindestlohn von $15 pro Stunde einführt. Hunderttausende Beschäftigte werden aus der Armut geholt. Motiviert durch „Occupy“, hatte die Bewegung der Fast-Food-Beschäftigten die Forderung nach einem US-weiten Mindestlohn von $15 aufgestellt. Im November 2013 erhielt diese Forderung in Seattle durch die erfolgreiche Umfrage für $15 in der kleinen Nachbargemeinde SeaTac neuen Auftrieb. Es war jedoch die Wahl von Kshama Sawant, der Kandidatin von „Socialist Alternative“, im vergangenen Herbst, die entscheidend dazu beitrug, eine nicht mehr aufzuhaltende politische Lawine zu schaffen, mit der $15 in Seattle Realität wurden.
Sawant und „Socialist Alternative“ nutzten den Sitz im Stadtrat als Bühne, um eine Bewegung von unten aufzubauen. Kurz nach den Wahlen im November riefen wir die Kampagne „15Now“ ins Leben, um den Druck auf hohem Niveau zu halten. „15Now“ baute in der Stadt elf Aktionsgruppen auf und war in Straßen und Betrieben aktiv. Wesentlich war, dass „15Now“ den AktivistInnen durch Aktionsgruppen und demokratische Versammlungen die Möglichkeit bot, zu jedem Zeitpunkt mitzubestimmen.
Die Konzerne und das Polit-Establishment mussten feststellen, dass die $15 nicht mehr abzuwenden waren. Sie nutzten aber den Prozess dazu, eine Reihe von Schlupflöchern einzubauen. So versuchten sie, die Umsetzung in die Ferne zu verschieben. Außerdem tat man bis zum Tag der Abstimmung im Stadtrat alles, um die Gesetzesvorlage weiter zu verwässern. „15Now“ und „Socialist Alternative“ kämpften bis zum Schluss in- und außerhalb des Stadtrats, um diese Schlupflöcher für die Konzerne wieder zu schließen. Sämtliche der Anträge von Sawant gegen Ausnahmen und Schlupflöcher wurden niedergestimmt, jene der Demokraten im Interesse der Unternehmen angenommen. So schob die Ratsmehrheit der „Demokraten“ das Inkrafttreten auf April 2015 hinaus und erweiterte um Ausnahmen z.B. für Minderjährige.
Das zeigt: Auch wenn die „Demokraten“ sich fortschrittlicher geben als die „Republikaner“, dienen beide Parteien nur den Interessen der Konzerne. Darum vertritt „Socialist Alternative“ die Position, dass ArbeiterInnen, Arme und Jugendliche ihre eigene politische Alternative brauchen. Die Arbeit von Kshama Sawant und von „Socialist Alternative“ hat gezeigt, dass es möglich ist, eine unabhängige politische Stimme zu werden, mit der die Parteien der Banken und Konzerne herausgefordert werden können.
Zwar gibt es in Seattle nun den höchsten Mindestlohn in den ganzen USA, relativ zu den Lebenserhaltungskosten sogar der ganzen Welt. Dennoch waren die Unternehmen in vielen Fällen in der Lage, die 15 US-Dollar abzuschwächen. Je nach Größe des entsprechenden Betriebs wurden unterschiedliche Termine gesetzt, zu denen der neue Mindestlohn ausgezahlt werden muss. Hinzu kommt, dass für die ersten zehn Jahre eine Ausnahme im Fall von Trinkgeldern und ein Abzug für die Gesundheitsvorsorge eingebaut wurde. Das wäre vermeidbar gewesen. Das vorläufige Ergebnis spiegelte das Kräfteverhältnis zu dem Zeitpunkt wieder.
In den letzten sechs Monaten hat sich „Socialist Alternative“ mit aller Kraft in eine Debatte innerhalb der ArbeiterInnenbewegung eingebracht, bei der es um die Frage nach der besten Strategie ging. Die Strategie der wichtigsten Gewerkschaftsführungen zielte nicht darauf ab, die Bewegung von unten aufzubauen sondern orientierte darauf, wie Bürgermeister mit den Unternehmensvertretungen verhandeln würden. Wir ergriffen die Initiative für eine WählerInnenumfrage für einen „starken Mindestlohn“ („for a strong $15“). Hätten die großen Gewerkschaften uns unterstützt, hätten die Unternehmen zu weitergehenden Zugeständnissen gezwungen werden können. Die Gewerkschaften haben enorme Ressourcen und politisches Gewicht. Die Bewegung könnte wesentlich mehr erreichen, wenn die Gewerkschaften ihre Verbindungen zu den „Demokraten“ kappen und die ganze Macht der arbeitenden Menschen mobilisieren würden. Das geht nur durch den Aufbau demokratisch organisierter Massenbewegungen. Wir müssen uns daran erinnern, dass im Kapitalismus keine Reform von alleine kommt. Die Konzerne können wieder rückgängig machen, was in Seattle erreicht wurde. Wir müssen darauf vorbereitet sein, im Fall der Fälle mobilisierungsfähig zu sein und zu verteidigen, was wir gewonnen haben. Für uns ist klar: $15 sind nur der Anfang – Wir haben eine Welt zu gewinnen!
http://www.socialistalternative.org