Mo 01.05.2000
Vollmundig drohen ÖGB-Vertreter in Pressekonferenzen und Interviews mit dem „Streik als letztem Mittel“. Die Praxis sieht anders aus. Der ÖGB organisert Dienststellen-, Betriebs- und BetriebsrätInnenversammlungen nicht mit dem Ziel, Widerstand zu organiseren, sondern um Dampf abzulassen. „Wir würden ja gern, aber die Basis will halt nicht“ ist das häufigste Argument, für die Zurückhaltung des ÖGB. Eine Ausrede, die erstens Hausgemacht und zweitens falsch ist.
Jahrzehntelang hat der ÖGB mit seiner Stellvertreterpolitik, mit seiner Bevormundung und der heiligen Kuh „Sozialpartnerschaft“ die Mitgliedschaft in die Inaktivität getrieben. Die Konferenzen dienten nicht der politischen Meinungsbildung, sondern dem Absegnen der Führung. Die Politik der SPÖ-Regierung wurde mitgetragen und unterstützt. Da wundert es nicht, wenn die Mitglieder keine Erfahrung mit Aktionen, Versammlungen oder gar Streiks haben. Nachdem Tatsachen geschaffen wurden, müssen diese nun noch als Argument gegen Kampfmaßnahmen herhalten. Obwohl trotz fehlender Erfahrung die Stimmung an der Basis weit radikaler ist, als es dem ÖGB lieb ist. Schon in der Vergangenheit haben interne Umfragen ergeben, daß die Mitglieder ihre Gewerkschaft lieber kämpferischer sehen würden.
„Wir dürfen nicht streiken...“
Wir dürfen nicht streiken, ist eine weitere Ausrede. Der Streik ist - juristisch gesehen - in Österreich rechtsfreier Raum. Es gibt also weder Gesetze dafür noch dagegen. Selbst das angebliche Streikverbot für Beamte beruht auf Gesetzen aus dem 19. Jahrhundert und ist längst nicht mehr gültig. Was es aber sehr wohl gibt, ist die Pflicht zum Widerstand - Gewerkschaften müssen die Interessen ihrer Mitglieder vertreten, sonst verkommen sie zu Reiseveranstaltern mit Informationsbüros.
Der ÖGB, in seiner jetzigen Struktur mit seiner jetzigen Führung, ist keine Kampforganisation, sondern ein Bienenzüchterverein. Die Zeiten, in denen trotz Sozialpartnerschaft noch Verbesserungen für die ArbeitnehmerInnen erzielt werden konnten, sind längst vorbei. Der ÖGB muß sich verändern, will er bestehen - demokratischer werden, den Mitgliedern Raum und M;öglichkeit zur Aktivität geben und Widerstand leisten. Die Mitglieder müssen beginnen, sich selbst im ÖGB zu organisieren - über Fraktionsgrenzen hinaus müssen Linke zusammenarbeiten, um aus dem ÖGB eine Kampforganisation zu machen.