Das Kürzungspaket – Frontalangriff oder sind wir mit einem blauen Auge davon gekommen?

Und: das dicke Ende kommt noch – wenn wir uns nicht wehren!
Eine Stellungnahme der SLP-Bundesleitung (28.10.2010)

Es war nicht anders zu erwarten: unmittelbar nach den Wahlen in der Steiermark und Wien hat sich die Regierung plötzlich bewegt und ihr lange versteckt gehaltenes Kürzungspaket präsentiert. Die Reaktionen sind unterschiedlich. Sie reichen von „da sind wir noch mit einem blauen Auge davon gekommen, weil in anderen Ländern wird viel mehr gekürzt“ über „das ist viel zuwenig, es wurden keine Strukturveränderungen vorgenommen“ bis „soziale Grausamkeit, die wir uns nicht leisten können“. Der Widerstand gegen das Kürzungspaket hat bereits begonnen – und wird in den kommenden Wochen noch zunehmen! Wenn der Widerstand gegen die Kürzungen nicht von gewerkschaftlicher und linker Seite aufgegriffen wird, besteht die Gefahr, dass die FPÖ dieses Vakuum füllen kann und sich einmal mehr – fälschlicherweise – als „sozial“ präsentieren kann.

  • Klar ist, dass die Behauptung der Regierung, es würde „sozial verträglich“ gespart einer näheren Betrachtung nicht stand hält. Die österreichische Regierung setzt ihren neoliberalen Kurs, der bedeutet, v.a. ausgabenseitig zu sparen, fort. Auch die einnahmenseitigen Maßnahmen haben kaum fortschrittliche Elemente, sondern das Geld wird im wesentlichen durch Massensteuern, und nicht durch „Reichensteuern“ hereingebracht.

  • Klar ist auch, dass die grausamen Details erst in den nächsten Wochen und Monaten deutlich spürbar werden (z.B. dass die Kürzungen bei den Krankenkassen und den diversen Hilfsorganisationen die Zivildiener beschäftigen Leistungskürzungen im Kranken- und Pflegebereich nach sich ziehen werden).

  • Klar ist weiters, dass das Budget von einer positiven Konjunkturentwicklung ausgeht, die allerdings von ÖkonomInnen eher skeptisch betrachtet wird. International erwarten sie einen „Double dip“ also ein nächstes Einbrechen der Wirtschaft das auch Österreich stark treffen wird – nicht zuletzt auch wegen der hohen faulen Kredite, die gerade österreichische Banken in Osteuropa noch haben.

Das Kürzungspaket im Überblick

Das Kürzungspaket besteht aus zwei Teilen – einnahmen- und ausgabenseitigen Maßnahmen. Es bedeutet für breite Teile der Bevölkerung massive Einschnitte. Reiche und Unternehmen werden praktisch kaum zur Verantwortung gezogen. D.h. Jene, die in der Krise miliardenschwere Unterstützung der Regierung erhielten, werden neuerlich verschont. Jene, die schon durch Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit etc für die Krise bezahlt haben, werden nochmal zur Kasse gebeten. Was kommt auf uns zu – wenn wir die Angriffe nicht verhindern.

  1. Streichung/Kürzung der Familienbeihilfe:

Die Familienbeihilfe soll anstatt bisher bis zum 26. nur noch bis zum 24. Lebensjahr ausbezahlt werden. Die 13. Familienbeihilfe (ein „Wahlzuckerl“ aus dem Jahr 2008) wird nur noch bis zum 15. Lebensjahr ausbezahlt und mit 100 Euro pauschaliert. Auch der Alleinverdienerabsetzbetrag für Familien ohne Kinder fällt weg. Der Mehrkinderzuschlag ab dem dritten Kind in der Höhe von 36,40 wird gestrichen. Betroffen sind vor allem StudentInnen aus sozial schwächeren Familien. Pro Jahr bedeutet die Kürzung Einbußen von über 2.600 Euro. Das bedeutet eine weitere Zementierung der Elitenbildung in Österreich. Nur wessen Eltern ausreichend Geld haben um das Studium trotz Einbußen weiter zu finanzieren, wird es sich leisten können einen höheren akademischen Abschluss zu erreichen. Für alle, die auf die Familienbeihilfe angewiesen sind, ist spätestens nach dem Bachelor Schluss. StudentInnen werden gezwungen sein noch mehr als bisher zu arbeiten (schon jetzt geht ein Großteil der StudentInnen neben dem Studium einer Arbeit nach). Das bedeutet auch weniger Zeit zum Lernen und damit ein längeres Studium. Der Druck am geringfügigen und Teilzeit-Arbeitsmarkt wird erhöht. Zusätzlich besteht die Gefahr, dass StudentInnen Leistungen, die an den Erhalt der Familienbeihilfe gebunden sind verlieren. In Wien betrifft das etwa auch das StudentInnen-Semesterticket für Öffentliche Verkehrsmittel.

  1. Bildungskürzungen

Die Regierung brüstet sich zwar mit 80 Millionen, die sie zusätzlich an die Universitäten auszahlen will, diese sind aber kein zusätzliches Geld, sondern schon längst für die Uni vorgesehen. Laut Rektorenkonferenz sind mindestens 400 Millionen notwendig um zumindest den laufenden Betrieb aufrechtzuerhalten. Ein Tropfen auf den heißen Stein also. Dazu sollen verschärfte Studieneingangsphasen und Knock-out-Prüfungen kommen. Das bedeutet eine weitere Verschulung der Unis, eine stärkere Orientierung an den Bedürfnissen der Wirtschaft und nicht der Studierenden. Ministerin Karl plant außerdem Kürzungen bei StudentInnenheimen, Stipendien und Bauvorhaben. Weitere Einschnitte, die Studierende mit wenig Einkommen treffen. Die ÖH geht weiters davon aus, dass durch Kürzungen im Krankenkassenbereich die Selbstversicherung, auf die viele Studierende schon jetzt angewiesen sind erheblich verteuert wird.

  1. Kürzungen bei arbeitslosen Jugendlichen

Jungen Arbeitslosen zwischen 18 und 21 wird ebenfalls die Familienbeihilfe gestrichen, bzw. davon abhängig gemacht, sich oft sinnlosen und erniedrigenden AMS-Kursen auszusetzen. Damit sollen junge Menschen gezwungen werden ausnahmslos jeden noch so miesen Arbeitsplatz anzunehmen. Auch fertig ausgebildeten jungen Menschen wird die Familienbeihilfe gestrichen. Wieder sollen Jugendliche dafür bestraft werden, dass viele Lehrlinge nach der Ausbildung nicht behalten werden oder dass es für AkademikerInnen kaum bezahlte Jobs, dafür aber unbezahlte Praktika gibt. Wenn Pröll meint, es sei zumutbar zu verlangen, dass sich Jugendliche mit 25 auf eigene Beine stellen, dann ist das zynisch und geht an der Realität der meisten Jugendlichen vorbei: ein durchschnittlicher Studierenden-Job bringt 7-10.- Euro pro Stunde. Die Armutsgrenze liegt bei 951.- pro Monat. Studierende müssten also im besten Fall 24 Stunden pro Woche neben dem Studium arbeiten, um diese Grenze zu erreichen. Vorausgesetzt sie finden überhaupt einen Job wo das möglich ist, und kriegen nicht nur ein unbezahltes Praktikum...

  1. Angriffe auf Pflegebedürftige

Entgegen anderslautender Versprechungen im Vorfeld der Budgetverhandlungen wird es massive Verschlechterungen für pflegebedürftige Menschen geben. Für das Erreichen der Pflegestufe Eins muss künftig ein Pflegeaufwand von 60 Stunden, für die Pflegestufe Zwei 85 Stunden (bisher 50 bzw. 75 Stunden) nachgewiesen werden. Diese besonders menschenverachtende Maßnahme trifft die schwächsten Menschen in der Gesellschaft, Menschen mit Behinderung, chronisch Kranke und sehr alte Menschen. Aber nicht nur sie sind betroffen. Diese Kürzung trifft vor allem Frauen, die, wenn das Pflegegeld nicht zugestanden wird in der Regel unbezahlt die Pflege der Angehörigen übernehmen. Zusätzlich reißt es weitere Löcher in die Budgets der Sozialeinrichtungen, was deren Geschäftsführungen erfahrungsgemäß versuchen werden auf die Rücken der Beschäftigten abzuwälzen.

  1. Regierung gegen Menschen mit Behinderung

2011 soll das Bildungsministerium bei Maßnahmen zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung 21,4 Millionen Euro einsparen. Wie schon beim Pflegegeld prügelt die Regierung auf jene Menschen ein, von denen sie ausgeht, dass sie sich am wenigsten wehren können.

  1. Erhöhung von Massensteuern wie Mineralölsteuer, Nova und Tabaksteuer

Was uns als „CO2-Steuer“ und ökologische Maßnahme verkauft wird, ist tatsächlich ein massiver Angriff auf die Geldbörsen der zahllosen PendlerInnen, daran wird auch die Erhöhung der Pendlerpauschale nichts ändern. In vielen österreichischen Regionen wurden die öffentlichen Verkehrsmittel in den letzten Jahren derart konsequent ausgedünnt oder eingestellt, dass vielen Menschen keine andere Möglichkeit bleibt, als mit dem Auto zur Arbeit zu fahren. Dass es der Regierung nicht um die Umwelt geht wird schnell klar: Die Einnahmen sind nicht für Umweltschutzmaßnahmen wie z.B. den Ausbau des Öffentlichen Verkehrs vorgesehen. Und die Frächterlobby soll auch nicht unter der Steuererhöhung leiden. Die KFZ-Abgabe für LKWs soll um 30 Prozent reduziert werden. Ähnlich bei der Tabaksteuer: die Einnahmen werden nicht für z.B. Suchtprävention oder das Gesundheitssystem verwendet. Es geht also nicht um „Lenkungseffekte“ sondern einfach darum, mit Massensteuern hohen Einnahmen zu erzielen.

  1. Reisen wird zum Privileg

Die neue Flugticketabgabe macht Reisen wieder stärker zum Privileg. Ein Flugticket soll mit 8 bis 40 Euro zusätzlich besteuert werden. Das bedeutet für den Sommerurlaub einer vierköpfigen Familie Zusatzkosten zwischen 64 und 320 Euro. Reisen nur noch für die Reichen?

  1. Arbeiten bis zum Umfallen

2014 wird die Hacklerregelung auslaufen. Bis dahin wird es noch einen Haufen Verschärfungen geben. Der Zukauf von Studien- und Ausbildungszeiten wird teurer. Das bedeutet insgesamt Kürzungen von 92 Mio. Euro. Der früheste Antrittszeitpunkt für die Hacklerpension wird um zwei Jahre erhöht (bei Männern auf 62, bei Frauen auf 57 Jahre). Das bedeutet, dass Menschen, die ihr Leben lang schwerste körperliche Arbeit geleistet haben zwei Jahre länger schuften müssen, und das in einer Zeit in der die Arbeitslosigkeit unter jungen Menschen explodiert. Bei allen PensionistInnen werden im ersten Jahr die Pensionen nicht erhöht. Eine Kürzung in der Höhe von 120 Mio. Euro.

  1. Bankenabgabe – für KundInnen

Der ÖGB jubelt über die Bankenabgabe, die jährlich 500 Mio. Euro bringen soll. Tatsache ist, dass die Banken die neue Steuer mit Sicherheit in Form von schlechteren Konditionen und höheren Kreditzinsen an die KundInnen, also wieder an die breite Masse der Bevölkerung, weitergeben werden. Ein Vertreter des Bereichs Banken in der Wirtschaftskammer hat bereits angekündigt, dass es „sicher zu einer Verteuerung der Bankdienstleistungen kommen“ wird. Davon abgesehen: von den 100 Mrd. Bankenrettungspaket wurden 35 Mrd. ausbezahlt. Jetzt das Eintreiben von 500 Millionen als „Beitrag der Banken“ zu verkaufen ist nichts als Zynismus.

  1. Zivildiener und Sozialeinrichtungen sowie die Krankenkassen werden ausgehungert

Die Betriebe und Vereine des Sozialbereichs werden zukünftig 3,5 Millionen weniger pro Jahr vom Innenministerium bekommen. Das verschärft hier die prekäre Situation weiter. Weiters soll die Möglichkeit den Zivildienst um drei Monate zu verlängern fallen. Das war/ist vor allem für Zivildiener, die die Zeit zwischen Zivildienst-Ende (gewöhnlich Ende Juni)und Beginn des Studiums (Oktober) überbrücken wollten ein attraktives Angebot. Für die Sozialeinrichtungen bedeutet diese Regelung gerade in der Urlaubszeit im Sommer vor einem großen Loch zu stehen, da die neuen Einrückungstermine gewöhnlich Anfang Oktober sind. Zu den Kürzungen bei den diversen Sozial- und Pflegeeinrichtungen kommen noch die Kürzungen bei den Krankenkassen von 60 Millionen Euro dazu. All dass wird Kürzungen bei den Leistungen und noch miesere Arbeitsbedingungen im Sozialbereich bedeuten. Die „Sozialmilliarde“, die von den Beschäftigen in diesem Bereich schon lange gefordert wird hat sich nun zu einem „Sozialkahlschlag“ gewandelt. Und das ganze durch einen Sozialminister, der bis vor kurzem noch Präsident des ÖGB war!

Unterm Strich lässt sich sagen: wer nichts hat, wird durch dieses Paket weiter geschröpft! Bei ArbeitnehmerInnen bzw. Arbeitslosen und PensionistInnen, im Sozial-, Gesundheits- und Bildungsbereich sollen bis 2013 mehr als 4 Milliarden Euro gekürzt werden. Zum Vergleich dazu, werden im Bereich „Wirtschaft & Forschung“ 2011 läppische 15 Millionen gespart. Die Wirtschaft erhielt 2008 und 2009 fette Subventionen aus AMS-Geldern durch die Kurzarbeitsregelung sowie Milliarden durch die „Bankenrettungspakete“. Vergessen werden darf auch nicht, dass gerade erst die „Bedarfsorientierte Mindestsicherung“ eingeführt wurde, eine Maßnahme, die die Armen bekämpft und nicht die Armut. Einige der Maßnahmen haben eine gemeinsame Richtung: durch den immer stärkeren Druck, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen (auch wenn einen dieser gar nicht will, es keine Jobs gibt, bzw. die die es gibt mies bezahlt, und extrem unangenehm sind) werden Menschen weiter in die Armut getrieben. Mit dem Argument „nicht arbeitswillig“, wird dann Frauen, denen die Kinderbetreuung fehlt, Menschen die psychisch krank sind oder jene, die nicht bereit sind täglich 3-4 Stunden Arbeitsweg auf sich zu nehmen, Jugendliche, die einen ordentlichen Job wollen und nicht nur menschenunwürdige Ausbeutung das Geld gestrichen. Das Budget verschärft also den Druck auf Arbeitslose weiter und führt verstärkt dazu, dass Menschen die sozialen Leistungen einfach gestrichen werden.

Auch bei den Einnahmen ist nichts sozial gestaltet: Die neuen Massensteuern (Erhöhung Mineralölsteuer, NOVA, Tabaksteuer und Flugtickets) sollen bereits 2011 mindestens 600 Millionen bringen. Die Bankenabgabe werden auch die KundInnen zahlen müssen, macht in Summe 1,1 Milliarden. Dem gegenüber stehen geschätzte Einnahmen aus den Änderungen der Stiftungsbesteuerung (50 Millionen) und Aktiengewinnen (30 Millionen). 1.100.000.000 sollen wir zahlen, 80.000.000 sie. So sieht die „soziale Gerechtigkeit“ der Bundesregierung aus. Das gesamte Paket ist eine riesige „Umverteilung“ - von ArbeiterInnen und ihren Familien zu Unternehmen und Wohlhabenden. Einmal mehr sollen wir für die Krise bezahlen, die wir nicht verursacht haben!

Widerstand statt Zustimmung ist nötig

International gibt es seit rund zwei Jahren verstärkt Angriffe auf den Lebensstandard der ArbeiterInnenklasse. Überall ist das Bild das gleiche: die ArbeitnehmerInnen, Jugendlichen, PensionistInnen – die ArbeiterInnenklasse soll für die Kosten der Krise aufkommen, soll die Milliardenzahlungen an Banken und Konzerne finanzieren. International gibt es aber auch Widerstand dagegen: Massendemonstration, Aufstände, Streiks und Generalstreiks stehen in vielen Ländern auf der Tagesordnung. Auch Österreich wird hier keine „Insel der Seeligen“ bleiben.

Von dieser Bundesregierung war nichts anderes zu erwarten als ein Paket auf Kosten der ArbeitnehmerInnen. Die SLP hat schon in den letzten Monaten immer wieder darauf hingewiesen, dass die soziale Rhetorik der SPÖ nur zwei Gründe hatte: WählerInnen zu keilen und die Linken in der Partei bei der Stange zu halten. Am Kurs der SPÖ hat sich nichts geändert. Alle Hoffnungen, die es vielleicht nach dem SPÖ-Parteitag gab, es könnte einen Linksruck der SPÖ geben, sind mit diesem Budget in Wirklichkeit enttäuscht worden. Auch wenn Teile der SPÖ versuchen so zu tun, als ob sich „soziale“ Ideen bei den einnahmenseitigen Maßnahmen durchgesetzt hätten, zeigt ein detaillierter Blick auf das Paket das Gegenteil. Linke SPÖlerInnen und Jugendliche aus SJ, AKS und VSSTÖ werden Teil der Proteste gegen die Angriffe sein. Sie stehen dann in direkter Konfrontation mit der „Mutterpartei“. Für viele wird sich die Frage stellen: Entschlossen für meine Ideen eintreten und die SPÖ-Politik bekämpfen, oder wieder einmal die Krot fressen?

Die SLP tritt für den gemeinsamen Kampf von ArbeiterInnen, Jugendlichen, PensionistInnen, von SozialistInnen in- und außerhalb der Sozialdemokratie gegen die Angriffe ein.

Manche werden nun argumentieren: es hätte noch schlimmer kommen können. Tatsächlich stimmt es, dass das Kürzungspaket im Vergleich zu den Angriffen in anderen Ländern weniger schlimm erscheint. Das liegt im wesentlichen daran, dass die Regierung ihrer eigenen Propaganda vom „Aufschwung“ aufgesessen ist bzw. die Angriffe lieber scheibchenweise anstatt in einem Paket angeht. Seit Monaten erklären uns RegierungsvertreterInnen, dass die Krise vorbei ist und es wieder aufwärts geht. Entsprechend gäbe es wieder Spielraum und die Kürzungen müssten weniger hart ausfallen. Tatsache ist allerdings, dass „Aufschwung“ in den letzten Jahrzehnten eigentlich nie Verbesserungen für die ArbeiterInnenklasse gebracht hat und v.a. dass die wirtschaftlichen Prognosen alles andere als rosig sind: Das Wirtschaftsforschungsinstitut IHS formuliert, dass „die konjunkturellen Risiken weiterhin hoch sind”. Und auch die UnternehmerInnen glauben offensichtlich nicht so recht an den Aufschwung: 2009 waren die Gewinnentnahmen und Dividendenausschüttungen extrem hoch. Das bedeutet, dass sie sich die Gewinne sich lieber gleich unter den Nagel reißen, anstatt sie zu investieren, da sie davon ausgehen, dass investieren nichts bringt.

Es ist also davon auszugehen, dass beim Budget noch „nachgerüstet“ werden wird. D.h. Eine ganze Latte von Angriffen wird in den nächsten Monaten noch zusätzlich zu dem jetzt vorliegenden Paket auf uns zukommen. So hat z.B. Wirtschaftsminister Mitterlehner bereits im Zuge der laufenden KV-Verhandlungen der Metallindustrie angedroht, dass, falls es nicht per KV zu weiteren Flexibilisierungen bei der Arbeitszeit kommen wird, diese per Gesetz erfolgen werden. Das bedeutet im Klartext: die Wirtschaft „braucht“gerade angesichts der Krise die Möglichkeit, die Arbeitskräfte besser ausbeuten zu können. Gelingt dies nicht per KV, dann wird es per Gesetz beschlossen. Und mit Sicherheit nicht nur für die Metallindustrie, sondern unter dem Vorwand „Standortsicherheit“ für alle Beschäftigten. Manche atmen auf und meinen, das Kürzungspaket wäre nicht so schlimm, wie befürchtet. Es ist aber davon auszugehen, dass bei Bildung, Pensionen, im Öffentlichen Dienst, im Gesundheitswesen, bei Arbeitslosen... noch eine ganze Latte von Angriffen zusätzlich kommen wird.

Ein Skandal ist, dass der ÖGB das Kürzungspaket nach seiner Veröffentlichung im wesentlichen lobt. "Auf den ersten Blick finden sich wesentliche Forderungen des ÖGB bei der Budgetsanierung wieder, vor allem was einnahmenseitige Maßnahmen betrifft, die nicht zulasten der sozial Schwachen gehen", wird ÖGB-Präsident Erich Foglar zum Kürzungspaket zitiert. Daneben sieht man nur ein paar „Wermutstropfen“. Wie schon in den letzten Jahren agiert der ÖGB auch diesmal nicht als Vertretung der ArbeiterInnen und ihrer Familien, sondern handelt sozialpartnerschaftlich Verschlechterungen aus. Wieder hat die SPÖ – anfangs erfolgreich – versucht, ihren Einfluss im ÖGB zu nutzen, um diesen an der kurzen Leine zu halten. Aber offensichtlich tut sich einiges im ÖGB. Schon in den letzten Monaten gab es immer wieder Anzeichen dafür, dass die ÖGB-Führung nicht mehr einfach nur als verlängerter Arm der SPÖ agieren kann. Auf regionaler Ebene bzw. in Teilstrukturen wurden Anträge gegen die SPÖ-Politik bzw. für Kampfmaßnahmen angenommen. Und aktuell scheint der Druck aus der Basis und unteren FunktionärInnenrängen des ÖGB so stark zu werden, dass ein gewisses Zurückrudern nötig geworden ist. So unterstützt der ÖGB die Studierendenproteste am 28.10. und Fogler erkärt am 27.10., nur „"Der ÖGB unterstützt die Anliegen der demonstrierenden jungen Menschen und wird sich auch im parlamentarischen Prozess im Zuge seiner Stellungnahme für Änderungen einsetzen."

Die Frage ist, wie werden sich die ÖGB-VertreterInnen im Nationalrat bei der Abstimmung verhalten? Werden sie, wie schon in der Vergangenheit, den Kürzungen zustimmen, oder tatsächlich einmal die Interessen der ArbeiterInnen und ihrer Familien vertreten und das Paket ablehnen?

Eine Ablehnung durch alle ÖGB-VertreterInnen im Parlament wäre ein wichtiges Zeichen – aber bei weitem nicht genug! Das Kürzungspaket ist ein Frontalangriff auf all jene, die ohnehin nicht viel haben. Es ist eine beschleunigte und noch aggressivere Fortsetzung der Umverteilungsmaßnahmen von unten nach oben und eine Intensivierung der Zerschlagung des Sozialstaates. Der ÖGB hat die Verpflichtung, dagegen endlich aktiv zu werden! Es muss Schluss sein mit dem staatstragenden Agieren, den faulen Kompromissen und der Orientierung an Wirtschaftsinteressen. Der ÖGB muss die Vertretung der ArbeiterInnen und ihrer Familien werden! Der ÖGB braucht endlich wirklich demokratische Strukturen und eine kämpferische Orientierung um die geplanten Angriffe zurück zu schlagen.

Denn der Widerstand gegen das Kürzungspaket hat bereits begonnen. Nur wenige Stunden nach seinem bekannt werden sind bereits tausende, v.a. Jugendliche auf die Straße gegangen. Am Donnerstag den 28.10. folgen Großdemonstrationen in Wien, Graz, Linz und Salzburg. Eine Ende ist zur Zeit nicht in Sicht. Die Frage ist: WIE können die Proteste erfolgreich sein?

  • Demonstrationen sind ein erster wichtiger Schritt. Es kann aber nicht bei einmaligen Unwillens-Bekundungen bleiben. Als nächsten Schritt könnten die Demonstration auf eine wöchentliche Ebene gestellt werden und jede Woche thematisch erweitert werden. Die erste Demonstration geht von den Studierenden aus. Sie könnten die nächste Woche nutzen, um den Sozialbereich anzusprechen, der ja seit Monaten für eine „Sozialmilliarde“ mobilisiert und jetzt Kürzungen präsentiert bekommt. Demonstration Nr.2 könnte mit Studierenden und Beschäftigten/KundInnen/KlientInnen des Sozialbereich einen wichtigen Schulterschluss darstellen. So könnte es dann weiter gehen und die Proteste erweitert werden um SchülerInnen, PensionistInnen, Zivildiener, Eltern...

  • Widerstand muss organisiert werden. JedeR soll und kann in Strukturen eingebunden werden um SELBST etwas zu tun. Dazu reichen Facebook und Internet nicht aus. Es ist wichtig, sich in Gruppen, Komitees etc zu organisieren, inhaltlich zu diskutieren und Aktionen vor zu bereiten. Teilweise können existierende Strukturen benützt werden, wo es in Betrieben oder Schulen welche gibt, oder auch gewerkschaftliche Strukturen, Komitees wie unibrennt, den „Kindergartenaufstand“ oder jene Strukturen im Sozialbereich, die den Krötenaufstand organisiert haben. In vielen Fällen werden diese Strukturen auch neu aufgebaut werden müssen. Wichtig ist, dass sie demokratisch organisiert sind. Wenn sie undemokratisch von oben nach unten agieren, dann werden sie nicht lebendig, nicht dynamisch sein. Kämpferische Strukturen brauchen Demokratie – v.a. um auf Dauer arbeiten zu können.

  • Widerstand muss sich verbinden. Das Kürzungspaket trifft große Teile der Bevölkerung: kaum jemand (außer wirklich Reiche) bleibt davon verschont: junge, alte, kranke, PendlerInnen, Menschen mit und ohne Job... Natürlich versucht die Regierung einzelne Gruppen gegeneinander auszuspielen – v.a. jung gegen alt. Es werden alte Vorurteile gegen Studierende („die leiste ja eh nichts, warum sollen wir für die zahlen“) bedient um Solidarisierung zu verhindern. Oder die Regierung wird in der nächsten Zeit wieder das Migrationsthema heraus kramen, um von ihren Kürzungen abzulenken. Das Kürzungsprogramm können wir nur zurückschlagen, wenn wir es gemeinsam tun. Um eine gemeinsame Kampfstrategie und Forderungen zu erarbeiten schlägt die SLP die Organisierung von Konferenzen der verschiedenen Organisationen, Strukturen und Individuen vor, die gegen das Kürzungspaket aktiv sind.

  • Widerstand braucht einen ernsthaften und organisierten Kampf. Der Druck innerhalb des ÖGB auf die Führung wächst offensichtlich. Die jetzigen Angriffe in Kombination mit mageren Lohnabschlüssen und einer steigenden Inflation werden vielen ArbeiterInnen nur die Wahl lassen zwischen der massiven Verschlechterung ihres Lebensstandards und dem Widerstand dagegen. Die Führung des ÖGB wird zwar weiterhin versuchen, Klassenkämpfe von unten – also Demonstration von ArbeiterInnen, Streiks und Demonstrationsstreiks – zu verhindern. Aber sie wird dabei nicht immer erfolgreich sein bzw. dem Druck nachgeben müssen. Viele ArbeitnehmerInnen stehen von zwei Seiten unter Druck: durch das Kürzungspaket und die zu erwartenden mageren KV-Abschlüsse bei den laufenden bzw. demnächst beginnenden Lohnverhandlungen. Beides muss verbunden werden, denn bei beidem versuchen Regierung und Unternehmen den Lebensstandard zu senken! Um das Kürzungspaket zurück zu schlagen braucht es Aktionen, die den Herrschenden weh tun. Die Schwäche der an sich großartigen Unibrennt-Bewegung 2009 war, dass Studierende keinen ökonomischen Druck aufbauen können. Hier hat die Gewerkschaft eine große Verantwortung. Die SLP unterstützt alle Initiativen in- und außerhalb der Gewerkschaften, eine kämpferische Politik umzusetzen und Streiks zu organisieren. Am 22.11 empfängt die Bundesregierung die Uni-Rektoren . Diese Scheinverhandlungen bieten sich als ersten Termin für Kampfmaßnahmen an: Studierende, Lehrende und Universitätsbeschäftigte können mit Streikmaßnahmen den Anfang machen. Der ÖGB hat eine große Verantwortung: er ist in der Lage, zu Massenprotesten aufzurufen und diese zu organisieren. Er ist aber dazu aufgerufen, für Streikmaßnahmen zu organisieren. Damit er dass tut, braucht es noch viel mehr Druck von unten, von Gewerkschaftsmitgliedern, Betriebsgruppen, Aktionsgruppen von GewerkschafterInnen und BetriebsrätInnen. Auf dieser Basis kann ein österreichweiter branchenüberschreitender Streik eine sehr deutliche Antwort auf die geplanten Angriffe der Regierung sein. Um einen solchen erfolgreich durchführen zu können, muss der ÖGB umgehend einen Sondergewerkschaftstag einberufen, der offen ist für alle Mitglieder, bei dem BetriebsrätInnen und GewerkschaftsaktivistInnen gemeinsam das Paket, die Alternativen und die Kampfmaßnahmen diskutieren und beschließen! Wenn die Regierung im Dezember das Kürzungspaket im Nationalrat beschließt, ist es schon sehr spät – wir müssen JETZT beginnen, diese Kampfmaßnahmen zu organisieren! Bezüglich der Familienbeihilfe gibt es bereits Signale, hier noch Änderungen (= Zugeständnisse) zu machen. Das ist gut und zeigt, dass es lohnt, sich zu wehren. Erfolge in diesem Bereich dürfen aber nicht dazu führen, sich zufrieden zugeben, sondern sollten vielmehr als Ansporn genutzt werden, auch andere Verschlechterungen bzw. das gesamte Paket zu Fall zu bringen.

  • Widerstand braucht ein Programm und eine Partei von ArbeiterInnen und Jugendlichen. Die Sozialdemokratie ist schon längst keine ArbeiterInnenpartei mehr und es hat hier auch offensichtlich keinen Linksruck gegeben, die Grünen sind nicht links. Aber die ArbeiterInnenklassse, die Jugendlichen, all jene, die nicht viel haben brauchen eine politische Kraft, die mit ihnen gemeinsam für ihre Interessen eintritt. Klar ist, dass diese Angriffe abgelehnt werden? Aber was ist die Alternative? Es gibt sehr viel Zahlen&Fakten-Material zur Situation von Armut und Reichtum in Österreich. Es ist also kein Problem heraus zu finden, WO das Geld ist. Viel schwerer ist die Frage: Wie bekommen wir es? Die SLP sieht das Kürzungspaket als logische Folge der kapitalistischen Wirtschaftsordnung. Natürlich gibt es im Rahmen dieser gewisse Spielräume für verschiedene Konzepte, aber letztlich unterscheiden sich diese nur in Details. Im Kapitalismus geht es IMMER darum, das eine Minderheit auf Kosten der Mehrheit Profite erwirtschaftet. Und im Kapitalismus kommt es auch IMMER WIEDER zu Krisen, die dann die ArbeiterInnen und ihre Familien ausbaden soll. Wenn wir über ein alternatives Programm zum aktuellen Kürzungspaket diskutieren, müssen wir daher über den Tellerrand kapitalistischer Logik hinausblicken. Wir müssen schauen, wo die Gewinne der letzten Jahre hingeflossen sind, indem wir die Firmenbücher der Konzerne, Banken und Unternehmen öffnen und durch VertreterInnen der ArbeiterInnenbewegung überprüfen lassen. Wir treten für die Übernahme von Unternehmen durch die öffentliche Hand ein, anstatt diese durch öffentliche Subventionen einfach weiter machen zu lassen. Wir sind für die demokratische Kontrolle und Verwaltung der Unternehmen, der Wirtschaft und der Gesellschaft.

  • Widerstand braucht eine Partei. Tatsache ist, dass es im Parlament keine einzige Partei gibt, die die Interessen der ArbeiterInnenbewegung vertritt. Es gibt keine starke politische Kraft die die Proteste bündeln, sie organisieren und nach vorne tragen kann. Das macht es der Regierung leicht, ihre Angriffe durchzudrücken. Und das ermöglicht es den rechten Hetzern von FPÖ&Co. das Vakuum, dass es links gibt, von rechts zu füllen. Nach Bekanntwerden des Kürzungspaketes war die FPÖ die Partei, die am härtesten und pointiertesten die Angriffe zurückgewiesen haben (obwohl sie, wo sie können ähnliches bzw. härteres durchführen bzw. fordern). Mit Beginn der Proteste v.a. durch Studierende haben sie diese Themenführerschaft wieder verloren. Das ist gut so. Aber wenn die Proteste gegen das Paket sich nicht ausweiten und nicht erfolgreich sind, dann wird die FPÖ bei kommenden Wahlen wieder als Opposition zur Regierung auftreten und Stimmen gewinnen können. Die SLP betont seit langem die Notwendigkeit des Aufbaus einer neuen Partei für ArbeiterInnen und Jugendliche mit sozialistischem Programm. Die kommenden Proteste können ein Ansatzpunkt für die Entstehung einer solchen neuen politischen Kraft sein. Aus den verschiedenen Strukturen, Komitees und Organisation sowie den kommenden Klassenkämpfen kann es Entwicklungen geben, die zu einer solchen neuen Partei führen. Menschen aus sozialdemokratischen Strukturen die durch das Kürzungspaket in Kämpfe gegen die „eigene“ Partei gezwungen werden können sich einem solchen neuen Projekt anschließen. Der Protest gegen das Kürzungspaket kann so auch zur Geburtsstunde einer neuen Partei von ArbeiterInnen und Jugendlichen mit sozialistischem Programm werden die eine dringend notwendige Kampforganisation gegen die neoliberale Politik und die rechte Bedrohung ist!