Fr 11.03.2011
Der Wunsch, dass sich im Bildungswesen endlich was bewegen soll, ist stark. Und verständlich. Doch das Bildungsvolksbegehren wird die Probleme nicht lösen. Es wurde vom Industriellen Androsch initiiert. Es wird von der Industriellenvereinigung und z.B. den bekannt neoliberalen „Jungen Liberalen“ unterstützt. Und auch Unterrichtsministerin Schmied will es unterschreiben. Das macht misstrauisch.
Summe an Widersprüchen
Was will es nun? JedeR findet etwas darin, das gefällt, aber auch vieles, dass nicht gefällt. Der Text versucht sehr unterschiedliche Interessen unter einen Hut zu bringen und wird dabei in sich widersprüchlich. So wird ein „faires, effizientes und weltoffenes Bildungssystem, das vom Kleinkind an alle Begabungen fördert und Schwächen ausgleicht“ gefordert. So weit, so gut, wobei der Begriff „effizient“ offen für allerlei Interpretation ist. Effizient in der Produktion von künftigen Arbeitskräften? Effizient weil billig? Effizienz ist ein Lieblingswort der Wirtschaft... Doch der Widerspruch geht weiter: „eine leistungsdifferenzierte, hochwertige gemeinsame Schule bis zum Ende der Schulpflicht“. Das Wesen einer echten gemeinsamen Schule ist es gerade nicht, die „Leistungsdifferenzierung“ in den Vordergrund zu stellen, sondern das Gemeinsame, bei dem SchülerInnen mit unterschiedlichen Fähigkeiten voneinander lernen.
Der Teufel steckt im Detail
Es finden sich viele Formulierungen im Text, die auf breite Unterstützung stoßen. „Flächendeckendes Angebot an elementarpädagogischen Einrichtungen“ - Super! „ Bundesweite Ganztagsangebote“ - Endlich! „Selbstständiges, kreatives Lernen“ - Wurde auch Zeit! „Abschaffen von Sitzenbleiben und ein Ende der Nachhilfe“ - Großartig! „Aufwertung des Lehrberufes“ - Ja! „Erhöhung der öffentlichen Finanzierung (der Universitäten) auf 2% der Wirtschaftsleistung“ - Her mit der Marie! „Ein weltoffenes Bildungssystem, das Internationalität und kulturelle Vielfalt als Bereicherung ansieht“ - Dafür!
Diese und andere Formulierungen täuschen. Diese Punkte sind allgemein gehalten. Wie so oft, steckt der Teufel im Detail. Je konkreter die Forderungen werden, desto klarer ist, welche Interessen sich durchgesetzt haben: Es geht darum, Leistungsdenken bei Kindern und Jugendlichen („Leistungsorientierte Differenzierung“) sowie LehrerInnen („leistungsbezogenes Dienst- und Besoldungsrecht“) zu stärken. Und um die künftigen Arbeitskräfte („Bildung bestimmt den wirtschaftlichen Wohlstand einer Gesellschaft“, „Öffnung der Bildungseinrichtungen zur Wirtschaft“, „Anreize für technische und mathematisch-naturwissenschaftliche Fächer“). Den SchülerInnen wird nur eine passive Rolle zugeteilt. Demokratie ist kein Thema. Aber vor allem fehlt die Antwort auf die zentrale Frage:
Woher kommt das Geld?
Androsch und seine FreundInnen bei Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung sind genau jene, die seit Jahrzehnten neoliberale Wirtschaftskonzepte predigen. Die immer weniger Steuern zahlen und den Staat „verschlanken“ wollen (also bei Gesundheit, Pensionen etc. kürzen wollen). Sie horten die Milliarden, die im Bildungswesen fehlen. Wenn aber die Wirtschaft nicht mehr fürs Bildungswesen zahlen soll – wer bleibt über? Angedeutet wird ein noch stärkerer Druck auf LehrerInnen („finanzielle Leistungsanreize“) sowie Studiengebühren bzw. Studienkredite („ein faires und ausgewogenes Modell der Studienplatzfinanzierung“).
Wie die Bildungsmisere überwinden?
Viele werden das Bildungsvolksbegehren unterschreiben weil sie hoffen, dass sich endlich was tut. Doch Verbesserungen sind nur mit wesentlich mehr Geld und einer Demokratisierung möglich. Wenn im Budget Milliarden für Wirtschaft und Banken vorgesehen sind, gleichzeitig bei der Bildung gekürzt wird, dann nützen die schönsten Ideen nichts. Wenn im Bildungswesen weiterhin autoritäre Strukturen herrschen und Jugendliche ans System angepasst werden, dann nützen auch moderne Unterrichtsmittel nichts. Organisationen in denen junge Menschen sich selbst zum Thema Bildung melden wie die Univertretung ÖH, die Bundesjugendvertretung und die SchülerInnenorganisation AKS haben ihre Unterstützung zurück gezogen. Das „breite“ Bildungsvolksbegehren wird immer schmäler.
Und doch ist der Ansatz, dass sich was tun muss ein richtiger. Nur werden Verbesserungen für Lernende und Lehrende nicht durch ein Volksbegehren gemeinsam mit WirtschaftsvertreterInnen kommen sondern müssen von den Betroffenen selbst erkämpft werden. Die SchülerInnenstreiks und Uniproteste 2009/10 waren ein Anfang. „Geld für Bildung – nicht für Banken und Konzerne“ war dabei eine zentrale Forderung. Die im Bildungsvolksbegehren – nicht zufällig – fehlt!