Di 24.12.2019
„Chile ist erwacht" steht auf den Schildern vieler Menschen, die auf die Straßen des lateinamerikanischen Landes strömen. Und tatsächlich: An einer Fahrpreiserhöhung der U-Bahn in der Hauptstadt Santiago entzündete sich der Unmut großer Teile der Bevölkerung.
Mittlerweile hat das Militär mehrere Menschen ermordet, der Ausnahmezustand mit nächtlichen Ausgangssperren wurde verhängt und der Präsident spricht gar von „Krieg". Die Soldaten auf den Straßen wecken bei vielen böse Erinnerungen an die Zeit unter dem Diktator Pinochet.
Dabei galt das Land bei finanzstarken Investor*innen bisher als „Musterschüler" – also als Garant für fette Profite. Die Regierung des Millionärs Piñera setzt auch in seiner zweiten Amtszeit alle Hebel in Bewegung, es den internationalen Geldgeber*innen im Land gemütlich zu machen. Das Wohl der „kleinen Leute“ bleibt dabei zwangsweise auf der Strecke. So wundert es nicht, dass Chile trotz des höchsten durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommens der Region von extremer Ungleichheit geprägt ist. Das Wirtschaftswachstum wurde in diesem Jahr auf stolze 2,5 % geschätzt, die aber nur bei einer kleinen Elite ankommen. Die große Mehrheit der Chilen*innen kämpft dagegen täglich ums Überleben. Der Mindestlohn liegt bei mageren 370€ und über 50 % der Beschäftigten hat weniger als umgerechnet 500€ monatlich zur Verfügung – und das bei sehr hohen Lebenshaltungskosten, die auf mitteleuropäischem Niveau liegen. Gerade junge Menschen ächzen unter dem finanziellen Druck, denn ohne teure private Bildung ist im späteren Berufsleben mit keinem halbwegs anständig bezahlten Job zu rechnen. Die Meisten schaffen das nur über Kredite und werden schwer verschuldet ins Arbeitsleben entlassen. Ein menschenwürdiges Leben ist so nicht möglich.
Die Proteste und Aufrufe zum Generalstreik sind daher ein erster, wichtiger Schritt und Teil von Bewegungen und Erhebungen in ganz Lateinamerika. Die Arbeiter*innenklasse braucht jetzt eine revolutionäre Kraft, in der sie ihre Macht kanalisieren kann. Bei der Bewegung gegen Pinochet gab es internationale Solidarität der Arbeiter*innenbewegung – daran müssen wir heute anknüpfen. Der Kapitalismus muss überwunden werden, denn in diesem Wirtschaftssystem kann es kein gutes Auskommen für alle geben!