So 01.02.1998
Martin Wabl, Klubchef der steirischen Grünen, hat sich als weiterer Kandidat für die BundespräsidentInnenwahl ins Rennen gebracht. Ist er der langersehnte Kandidat der Linken?
Vorwärts: Sie kommen ursprünglich aus der SPÖ und haben in News gesagt, Sie stünden noch zu diesen Werten. Was bedeutet das?
Wabl: Die Prinzipien der Sozialdemokratie - Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Solidarität - die gelten für mich immer noch! Vor allem Ökologie und Basisdemokratie sind mir aber in der SPÖ zu kurz gekommen und waren daher auch Gründe für meinen Wechsel zu den Grünen. Heute liegen meine Schwerpunkte auch bei der Gewaltfreiheit und bei sozialen Fragen. Ich bin ein leidenschaftlicher Anhänger der Neutralität und gegen die Nato. Zu den sozialen Fragen muß ich v.a. eines sagen: Der Gegensatz zwischen dem, was in diversen Programmen steht, und dem, wie die Realität ist, ist groß. Für mich ist die Einkommensverteilung eine zentrale Frage. Hier ist die Einkommensschere in den letzten Jahrzehnten noch weiter auseinandergegangen! Das Pensionssystem z.B. ist ungerecht, benachteiligt Frauen. Ich stehe hier für eine Mindestpension.
V: Wie wollen Sie das ändern?
W: Als Bundespräsident kann ich nicht direkt - z.B. in das Pensionssystem - eingreifen, sondern nur über den Diskussionsprozeß. Tatsache ist aber, daß der soziale Friede in Frage gestellt ist, wenn die Einkommensgerechtigkeit nicht stimmt. Ich bin für einen gesetzlichen Mindestlohn für alle Berufstätigen und dafür, daß der Staat seine Gestaltungsmöglichkeiten nutzt.
V: Wie wollen Sie das erreichen?
W: Dazu braucht es eine neue Generation von Politikern, die diese Dinge auf gesetzlicher Ebene ändert. Und dann gibt es noch in verschiedenen Initiativen, in Bewegungen viele Leute, die da was ändern wollen.
V: Wen wollen Sie ansprechen?
W: Ich möchte v.a. jene Leute ansprechen, die sozial, christlich und fortschrittlich orientiert sind. Den radikalen Strömungen erteile ich eine klare Absage.
V: ..auch den Linken?
W: Linke sind für mich nicht “radikal”. Linke wollen die Gesellschaft verändern in Richtung mehr Gleichheit und Gerechtigkeit. Ich stehe selbst Mitte-Links.
V: Sind Sie der linke Kandidat für die Linke?
W: Ich sehe mich als Mitte-Links-Kandidat mit Veränderungswillen für eine bessere Gesellschaft. Ich bin auch Christ. Aber gegen Krenn und für Stecher. Ich bin zwar Katholik, würde mich aber als Christ bezeichnen, da die Stellung der katholischen Kirche, insbesondere zu Frauen, mehr als problematisch ist. Ich bin auch ein Kandidat für die Frauen. Ich stehe für ein christlich-sozialdemokratisches Menschenbild in Einheit mit der Schöpfung.
V: Wie sehen Sie die Entwicklung der Grünen in den letzten Jahren, die mit der Wahl Van der Bellens einen neuen Höhepunkt erreicht hat?
W: Ich sehe Van der Bellen positiv. Er bringt eine neue Ehrlichkeit und neuen Idealismus und Realismus.
V: Und EU bzw. Maastricht?
W: Da bin ich mit Van der Bellen nicht deckungsgleich. Aber dafür muß Platz bei den Grünen sein. Wenn ich gut abschneide, ist das auch ein Zeichen, daß Platz für den sozialen Flügel bei den Grünen ist.
V: Und wenn nicht?
W: Das wird nicht sein!
Die SOV hat zur „Linken Kandidatur“ bereits eine Veranstaltung im Dezember ‘97 mit NR Öllinger (Grüne), A.Kohlbacher (Initiative für eine sozialistische Politik in der SPÖ) und W.Stiefsohn (KPÖ) gemacht. Inhaltlich war ein Konsens schnell erreicht: Gegen NATO-Beitritt, Sozialabbau und für die Erfüllung des Frauenvolksbegehrens. Konkret signalisierte aber Öllinger, daß der Zug Richtung linker Kandidatur eigentlich abgefahren sei, „außer es käme ein Signal von unten“. Kohlbacher sah das Hauptproblem darin, eine/n geeignete/n KandidatIn zu finden. John Evers (SOV) betonte die Bereitschaft der SOV, eine linke Kandidatur zu unterstützen: „Die wesentliche Verantwortung dafür liegt aber bei Menschen wie Kollegen Öllinger oder Genossen Kohlbacher. Sie werden von tausenden Linken in der SPÖ und den Grünen als linke Repräsentanten betrachtet.“ In dieser Tradition linker Diskussion sehen wir unsere Veranstaltung mit Martin Wabl am 12.2.97. Nebenstehendes Interview läßt wichtige gemeinsame Punkte (Mindestlohn, Anti-NATO,...), aber auch grundsätzliche Differenzen („Mitte-Links-Kandidat”, Betonung christlicher Elemente...) erkennen. Wir erwarten eine spannende Diskussion.