Mi 27.10.2010
Christian Felbers wirtschaftliches Konzept der „Gemeinwohl-Ökonomie”, das er selbst als „dritten Weg” zw. Kapitalismus und Kommunismus bezeichnet, baut auf der so genannten „Gemeinwohl-Bilanz” auf, die an die Stelle des Profits als treibende Kraft unternehmerischer Tätigkeit treten soll. So sollen „humane und nachhaltige Verhaltensweisen” sowie Kooperation gefördert werden. Das Konzept der Gemeinwohl-Bilanz soll die Anreiz-Mechanismen des Wirtschaftens verändern. Diese soll das BIP und somit das Geld bzw. den Profit als Maß des Wirtschaftswachstums ablösen. Kernpunkte von Felbers Konzept sind staatliche Regulierungen, die sozial und ökologisch orientiertes Wirtschaften fördern, wie etwa steuerliche Maßnahmen. Unternehmen, die eine positive Gemeinwohl-Bilanz aufweisen, zahlen z.B. weniger Steuern. In die Gemeinwohl-Bilanz gehen unter anderem die Umweltverträglichkeit der Produktion, die Lohnhöhe der Beschäftigten, deren Mitbestimmungsrechte, die gesellschaftliche Nützlichkeit der Produkte usw. ein. Weitere Eckpfeiler der Gemeinwohl-Ökonomie sind die Beschneidung des individuellen Vermögens sowie die Überführung von Unternehmen mit über 5.000 MitarbeiterInnen in das Eigentum der Beschäftigten sowie der Allgemeinheit („Allmende” genannt). Firmen mit 250 bis 5.000 MitarbeiterInnen gehen nur teilweise in ein solches Eigentum über. Bei dieser Form der Vergesellschaftung orientiert sich Felber in erster Linie am Genossenschaftswesen sowie an diversen „solidarökonomischen” Projekten in Lateinamerika.
Das Problem bei seinem Konzept liegt darin, dass die Begrifflichkeit unscharf bleibt und die vorgeschlagenen Maßnahmen vom existierenden Staat umgesetzt werden sollen. Doch was ist das für ein Staat? Kann dieser einfach von Unten übernommen werden und von seiner jetzigen (hauptsächlichen) Funktion – nämlich das Privateigentum an Produktionsmitteln zu schützen – entfremdet werden? Felber gibt auf diese Frage keine Antwort; kein Wunder, er schwindelt sich schließlich auch um die Frage des Eigentumsbegriffs an sich herum. Christian Felbers Konzeption eines „dritten Weges” zwischen Kapitalismus und Kommunismus weist hier eine starke Nähe zu liberalen vormarxschen ÖkonomInnen auf. Bereits der Nationalökonom John Stuart Mill (1806–1873) kritisierte die bürgerliche Ansicht, „dass das fortwährende Gegeneinanderkämpfen der normale Zustand der Menschen sei” und forderte eine andere Gesellschaft. Die „Intervention von außen”, sprich zu große staatliche Eingriffe lehnen jedoch sowohl Mill als auch Felber ab, da sie einem freien UnternehmerInnentum widersprechen. Stattdessen halten beide trotz ihrer Kritik an Konkurrenz und Profitstreben letztlich am Konzept der regulativen Kraft des Marktes fest. In einer Zeit in der längst Banken und Konzerne die Wirtschaftsmacht bei sich konzentriert haben ist so ein Konzept rückwärts gerichtet; man orientiert sich damit lediglich an den Interessen einer Schicht von Kleinunternehmern, die am Ende von Felbers Buch auch fein säuberlich aufgelistet sind. Gleichzeitig fehlt – und das ist das eigentlich bemerkenswerte – jeder Bezug zu den real existierenden sozialen Bewegungen und Kämpfen in Europa.