Fr 21.09.2012
Folgend veröffentlichen wir zwei Artikel von der britischen Schwesterorganisation der SLP, die am 11. und 12. September erschienen sind.
Nach einer Debatte, die eine, die mit dabei war, als die beste Diskussion beschrieb, die sie bei einem Gewerkschaftstag des TUC je erlebt hat, stimmten die Delegierten mit überwältigender Mehrheit für „Antrag Nr. 5“. Diesen Antrag hatte die POA (Gewerkschaft der Justizbeschäftigten) eingebracht und forderte darin einen Generalstreik gegen die Kürzungspolitik der Regierung.
Obwohl der Wortlaut, der den Generalstreik beschreibt lautet, man müsse „wo auch immer möglich koordinierte Maßnahmen mit weitreichenden Kampagnen ergreifen. Das umfasst auch die Überlegung und etwaige Umsetzung eines Generalstreiks.“ wurde die Intention derjenigen, die für diesen Antrag waren, in der Debatte deutlich gemacht. Diese wiesen nicht nur auf die brutalen Angriffe der konservativ-liberaldemokratischen Regierung auf die Schwächsten der Gesellschaft und auf die ArbeiterInnen insgesamt hin. Sie betonten auch, wie dringend nötig es ist, dass diese Regierung von der Gewerkschaftsbewegung aufgehalten wird. Die Konsequenz müsse demnach der Aufruf zu einem mächtigen Generalstreik sein, der den öffentlichen Dienst und den privaten Sektor umfasst.
Ganz in diesem Sinne äußerten sich Steve Gillan von der POA, Bob Crow von der Transportarbeitergewerkschaft RMT, der den Antrag mit eingebracht hatte, John McInally von der Gewerkschaft der Staatsbediensteten, PCS, und eine ganze Reihe anderer, die für die Annahme von „Antrag Nr. 5“ plädierten.
Großen Eindruck machte auch die Rede eines Delegierten von der Baugewerkschaft UCATT. Dieser mahnte die Delegierten, nicht „die Fehler der Vergangenheit“ zu wiederholen, indem man wieder darin versagt, die Führung zu übernehmen. Er erinnerte die Anwesenden auch daran, dass die fünf Hafenarbeiter von Pentonville wieder auf freien Fuß gesetzt wurden, als 1972 nach deren Verhaftung die GewerkschaftsführerInnen mit einem Generalstreik gedroht hatten.
RednerInnen, die gegen „Antrag Nr. 5“ argumentierten, versuchten die Delegierten davon zu überzeugen, dass die meisten Gewerkschaftsmitglieder gar keinen Generalstreik wollen würden. Diese Beiträge kamen aus den Reihen der Gewerkschaften PROSPECT (Ingenieurswesen und Wissenschaft), ATL (Lehrer- und Dozenten-Verband), BALPA (Pilotenvereinigung), NASUWT (Lehrerverband) und USDAW (Einzelhandel). Argumentiert wurde, dass ein Generalstreik unmöglich zu organisieren sei und dass der Aufruf dazu nur zur Propaganda-Waffe für die Regierung werden würde.
Steve Gillan nahm auf die Bezug, die meinten, dass die Regierung den Aufruf zum Generalstreik nur als „Schlagstock [benutzen würde,] um uns in die Mangel zu nehmen“. Er entgegnete auf eindringliche Art und Weise: „Die Regierung ist schon lange dabei, mit Schlagstöcken auf uns einzudreschen. Und es schmerzt bereits ganz außerordentlich.“
Im Kampf, die Gewerkschaftsspitzen der TUC-Einzelgewerkschaften dazu zu bringen, die ganze Macht der Gewerkschaftsbewegung einzusetzen, um gegen die Kürzungsagenda der Regierung zu mobilisieren, bedeutet die Annahme des „Antrags Nr. 5“ einen sehr großen Schritt.
Dass die großen Gewerkschaften UNITE und UNISON zusammen mit der RMT, PCS und anderen diesen Antrag unterstützt haben, zeigt, wie die Stimmung an der Basis der Gewerkschaftsmitglieder ist: Man verlangt ein entschiedenes Vorgehen, um der Regierung Widerstand entgegen zu setzen.
Die „Socialist Party“ (SP) und das „National Stop Stewards Network“ (NSSN; „Vertrauensleute- und Betriebsrätenetzwerk“) begrüßen die Annahme des POA-Antrags. SP wie NSSN standen an der Spitze der Bewegung, die für die Unterstützung der Generalstreiksforderung mobilisiert hat.
Vor allem der beeindruckende Demonstrationszug und die große Delegation zum Gewerkschaftstag des TUC vergangenen Sonntag (beides wurde vom NSSN organisiert) spielten eine wichtige Rolle, um die Stimmung im Sinne dieser Delegiertenentscheidung zu beeinflussen.
Jetzt müssen wir dafür sorgen, dass der Generalrat des TUC umgehend ein Datum für einen eintägigen Generalstreik benennt.
Und natürlich müssen wir auch mit dafür sorgen, dass die TUC-Demonstrationen am 20. Oktober in London, Belfast und Glasgow gegen die Regierungspolitik zu Erfolgen werden. Wir müssen diese Veranstaltungen auch nutzen, um die Front der UnterstützerInnen für einen eintägigen Generalstreik zu verbreitern. Rauskommen muss, dass von den Gewerkschaftsspitzen konkrete Vorbereitungen für einen 24-stündigen Generalstreik begonnen werden.
Artikel vom 12. September: „Gewerkschaftsbund TUC, leg´ ein Datum fest!“
Britisches Vertrauensleute- und Betriebsräte-Netzwerk NSSN fordert vom Gewerkschaftsbund einen eintägigen Generalstreik
Brighton war allein schon des Wetters wegen am Sonntag, dem 9. September, das britische Ausflugsziel. Für knapp eintausend GewerkschafterInnen und AktivistInnen der Anti-Kürzungsbewegung, die früh morgens schon in so weit entfernt liegenden Orten in Wales oder in Plymouth, Manchester, Yorkshire und Birmingham in Richtung Brighton aufgebrochen waren und auch von überall her aus dem südlichen und östlichen England anreisten, ging es an diesem Tag allerdings nicht bloß um einen sonnigen Tag am Strand.
Von Sarah Sachs-Eldridge, „Socialist Party“ (Schwesterorganisation der SLP und Sektion des CWI in England und Wales), der Bericht erschien erstmals am 12.September 2012
Video von der Aktion: http://www.youtube.com/watch?v=orfPi-E8APA
Für sie war der diesjährige Gewerkschaftstag des Dachverbands TUC („Trade Union Congress“) das Ziel der Reise in die Stadt am Meer, weil sie die Chance nutzen wollten, um dort die offizielle Führung der Arbeiterbewegung zu Schritten gegen einen langen, mit Kürzungsprogrammen gespickten Winter aufzurufen, der – sollten wir diesen nicht zu beenden wissen – über Jahre hinweg anzuhalten droht.
Aus diesem Grund organisierte das Vertrauensleute- und Betriebsräte-Netzwerk NSSN („National Shop Stewards Network“) einen Protestzug, eine Kundgebung und eine Delegation beim TUC-Gewerkschaftstag, um die Gewerkschaftsspitzen aufzufordern, im Rahmen eines 24-stündigen Generalstreiks koordinierte Aktionen zu organisieren.
Geschichte wird gemacht!
Am Ende einer wirklich eindrucksvollen Kundgebung beschrieb Rob Williams, Sprecher des NSSN, die anwesenden KollegInnen als „diejenigen, die Geschichte machen“.
Trotz der Versuche des bald schon nicht mehr im Amt befindlichen Generalsekretärs des TUC, Brendan Barber, der die ganze Sache noch runter zu kochen versucht hatte, wurde in allen Nachrichten, die sich mit dem Gewerkschaftstag befassten, auch die Frage des Generalstreiks thematisiert.
Noch bevor die Reisebusse sich auf den Rückweg machten, wurde klar, dass die allgemeine Stimmung sich zunehmend in Richtung koordinierter Streikmaßnahmen bewegt.
Über „twitter“ konnten wir erfahren, dass die Delegation der größten britischen Gewerkschaft im öffentlichen Dienst, UNISON, für den „Antrag Nr. 5“ gestimmt hatte, den die Gewerkschaft der Justizangestellten (POA) eingebracht hatte.
Darin heißt es: „Der Gewerkschaftstag geht davon aus, dass die Gewerkschaftsbewegung weiterhin in der ersten Reihe stehen muss, um der kaltschnäuzigen Regierung mit einer Koalition des Widerstands zu begegnen und wo auch immer möglich koordinierte Maßnahmen mit weitreichenden Kampagnen zu ergreifen. Das umfasst auch die Überlegung und etwaige Umsetzung eines Generalstreiks.“
Einige Stunden zuvor waren die Sonnenhungrigen in Brighton vielleicht noch überrascht gewesen, auf hunderte demonstrierender GewerkschafterInnen zu treffen. Aber die mitgeführten Schilder, Banner und die zu hörenden Sprechchöre machten schnell deutlich, was unser Anliegen war: „Geld weg, Arbeit weg, Geld geht an die Firmenchefs – sind dies Sachen, die du hasst, dann sei dabei, ein Generalstreik macht´s!“. Selbst einige der eilig abgestellten Polizisten konnten ihr Sympathie für unsere Forderungen nicht verstecken.
Doch warum brauchen wir ein solches Vorgehen? Und weshalb erfährt diese Forderung so breite Unterstützung? – Es gibt keineN ArbeiterIn, keineN BezieherIn von Sozialleistungen, keinen jungen Menschen oder RentnerIn in Großbritannien, die oder der nicht weiß, was das Wort „Kürzung“ bedeutet.
Protestmarsch und Kundgebung unter freiem Himmel
Bei der Auftaktkundgebung, die kurz nach 13 Uhr begann, wurden wir von Phil Clarke vom „Gewerkschaftsrat Brighton“ begrüßt. Er hieß uns in einer Stadt willkommen, deren ArbeiterInnen den Kampf gegen Kürzungen sehr ernst nehmen. So hatten sich am 30. November letzten Jahres dort 10.000 KollegInnen am Streiktag des öffentlichen Dienstes beteiligt.
Die Forderung nach weiteren koordinierten Aktionen stieß auf breite Zustimmung. Katrine Williams vom NSSN in Wales und Mitglied des NSSN-Koordinierungskreises moderierte die Kundgebung.
Martin Powell-Davies, Mitglied des Landesvorstands der Lehrergewerkschaft NUT, schilderte Umfang und Intention des Vorgehens der Regierung, das unter dem Strich dazu führen wird, dass der Bildungsbereich bis auf den Stand des 19. Jahrhunderts zurückfallen wird. Dies würde gerade unter Bildungsminister Michael Gove, der den Spitznamen „Michael, der Ausbildungsdieb“ trägt, und seiner „Bewegung für freie Schulen“ durchexerziert.
Nancy Taaffe, Bibliotheksbeschäftigte, die aufgrund der Kürzungen ihre Arbeit bereits verloren hat, äußerte sich sehr erfreut über den Erfolg, den die Arbeiterklasse im Londoner Stadtteil Waltham Forest gegen die rassistische Schlägerbande der „English Defence League“ (EDL) erringen konnte. Sie warnte aber auch davor, dass die extreme Rechte nicht allein durch große Gegendemonstrationen bezwungen werden kann. Demnach müsse die Arbeiterklasse im Zentrum des Kampfes gegen Rechts stehen, um deutlich zu machen, dass der Weg, um effektiv gegen Armut und Kürzungen vorzugehen, darin besteht, eine vereinte Massenbewegung der Arbeiterklasse zu mobilisieren – und nicht im Hass und der Spalterei der EDL.
Im Namen der Bewegung „Youth Fight for Jobs and Education“ (dt.: „Jugend im Kampf für Arbeitsplätze und Bildung“) hob Claire Laker-Mansfield die abstoßende Heuchelei eines verhätschelten Premierministers David Cameron hervor, der vom „Privileg“ spricht, durch die von der Regierung eingeführten sogenannten Beschäftigungsprogramme „berufliche Erfahrung zu sammeln“, die (ähnlich wie die HARTZ-Programme in Deutschland; Anm. d. Übers.) Erwerbslose einfach nur in Sklavenarbeit zwingen. Wie weit weg mag das sein von der privilegierten Jugendzeit, die der Premier selber hatte erleben dürfen!?
Danach sprach Steve Hedley, der erst vor kurzem zum stellvertretenden Generalsekretär einer der kämpferischsten Gewerkschaften Großbritanniens, der Transportarbeitergewerkschaft RMT, gewählt worden ist. Er knüpfte an dem an, was zuvor schon von Claire beschrieben wurde: Wie die jungen Leute nämlich den rechts-konservativen gesellschaftlichen Konsens aufgebrochen haben, als sie gegen Kürzungen im Bildungssystem protestierten. Er sagte aber auch, dass die in Brighton vorgeschlagenen Aktionen der organisierten Arbeiterklasse nötig seien, um den Kampf gegen die Kürzungsprogramme zu gewinnen.
Die Präsidentin der Beamtengewerkschaft PCS, Janice Godrich, bedankte sich beim NSSN und machte klar, dass Aufrufe in Richtung TUC, den Dachverband der Gewerkschaften, zu der entscheidenden Vorgehensweise gehören, auf die die Linke setzen muss. Sie sagte, dass sie nie gedacht hätte, dass es in der Frage des Generalstreiks im Generalrat, einem traditionell eher konservativen Organ (um es gelinde auszudrücken), zu einem Stimmengleichstand kommen würde.
Doch genau dazu war es gekommen und sie beendete ihre Rede damit zu sagen, dass die Aufgabe des TUC nun nicht mehr nur darin bestehe, solche Maßnahmen auch in Erwägung zu ziehen, sondern tatsächlich entsprechende Schritte in dieser Richtung zu ergreifen.
„Trete der Gewerkschaft bei, sei zum Kampf bereit – hilf´ mit, hin zum Generalstreik!“, ertönte es als die Gewerkschaftsbanner und Plakate des NSSN durch die Stadt zogen.
Einen Beitrag zur guten Stimmung leisteten auch die Aufrufe einiger Veteranen der Arbeiterbewegung, das NSSN zu unterstützen. So traten denn auch Tony Mulhearn, der in den 1980er Jahren Stadtrat einer sozialistischen Labour-Fraktion in Liverpool war, und der ehemalige Stadtrat der „Socialist Party“ von Coventry, Dave Nellist, auf. Zum Ende hin, als man dem Ort der Abschlusskundgebung am Metropole Hotel, direkt am Meer, näher kam, wurde der Protestzug immer größer.
Die „Gewerkschaftsmeute“
Die Landessekretärin des NSSN, Linda Taaffe, begrüßte uns und legte dar, welche Aufgabe dieser Kundgebung zukommen würde. Diese bestehe nicht darin, die Statistiken runterzubeten, die widerspiegeln, zu welchem Horror das Kürzungsprogramm der „Con-Dems“ („to condemn“ = dt.: „verachten“; Ein Wortspiel, mit dem die Haltung gegenüber der konservativ/liberal-demokratischen Regierungskoalition zum Ausdruck gebracht wird; Anm. d. Übers.) führt. Das sei schließlich auch kein Wunder, so mies, wie diese Regierung zusammengesetzt ist. Stattdessen würde sich uns die Chance bieten klar zu kriegen, was wir dagegen tun müssen.
Linda erinnerte an die Menschenmenge, die bei den Paralympischen Spielen im Sommer den Finanzminister der konservativen Tories ausgebuht hatte. Sie meinte, die Kundgebung stünde stellvertretend für eine viel größere und wesentlich kraftvollere Masse: Für die „Gewerkschaftsmeute“ von 6,5 Millionen Menschen. Aber auch die anwesende Menschenmenge war ziemlich laut: Spontan wurden die energischen Forderungen nach massenhafter Aktion mit Applaus bedacht.
Erste Sprecherin war Shona McCulloch, die Mitglied der UNISON-Fachgruppe für den akademischen Mittelbau (HESGE) und AktivistIn aus Brighton ist. Sie erklärte zunächst, dass sie wegen der Angriffe ihrer eigenen Gewerkschaftsführung auf sozialistische und linke AktivistInnen nur als Privatperson und nicht in ihrer gewerkschaftlichen Funktion sprechen könne. Sie wies ganz energisch den von rechtslastigen Gewerkschaftsfunktionären vorgebrachten Vorwurf zurück, dass nach den großartigen Aktionen vom 30. November eine „Streikmüdigkeit“ eingesetzt habe. In Wirklichkeit sei das Gegenteil der Fall wie die HESGE bewies, als diese dafür stimmte, eine Mitgliederbefragung über eine zweitägige Streikaktion zum Thema Bezahlung durchzuführen.
Nächster Redner war der Generalsekretär der RMT, Bob Crow. Er machte unumwunden deutlich, dass seine Gewerkschaft den Antrag der POA unterstütze. Behauptungen, dass die Gewerkschaftsbewegung tot sei, überzog er mit Hohn und Spott. Im Gegenteil hätte er eine ganze Menge sehr lebendiger Körper in Erinnerung, die am 26. März an der TUC-Demonstration teilgenommen haben. Er meinte aber auch, dass noch viel mehr zu tun nötig sei: „Demos sind ein fantastisches Mittel, um das Bewusstsein zu heben [...] aber das einzige, was die Con-Dems verstehen, ist ein Wirtschaftskürzungsprogramm, das von den ArbeiterInnen kommen muss“ – in Form genereller Streikaktionen.
Er beendete seine Rede, indem er forderte, dass der TUC nicht nur für Aktionen zum Generalstreik stimme, sondern dass nach der Demonstration am 20. Oktober so schnell wie möglich ein Datum dafür benannt wird.
Solidarität
Nach Crow sprach ein Kollege, der den Kürzungen bereits zum Opfer gefallen ist. Mark Holloway, Obmann bei „Remploy“ (staatl. Einrichtung zur Unterstützung Behinderter; Anm. d. Übers.) in Barking (Ost-London), zeigte, wie wild entschlossen er ist Widerstand zu leisten. Und genauso steht es um seine KollegInnen, die zur Zeit überall im Land streiken. Holloway erklärte, dass die Betriebe von „Remploy“ nicht nur Produktionsstätten sind: Sie sind „kleine Gemeinden“ und geben Familien und Pflegekräften die so dringend benötigte Ruhe. Die breite Resonanz, die Holloway während und nach seiner Rede erhielt, belegen den enorm hohen Grad an Solidarität für die kämpferischen GewerkschafterInnen bei „Remploy“.
Steve Gillan, Generalsekretär der POA (Gewerkschaft der Justizangestellten) meinte, dass die Schließungen bei „Remploy“ mit ein Grund für die Motivation seiner Gewerkschaft gewesen sind, den viel zitierten „Antrag Nr. 5“ beim TUC-Gewerkschaftstag einzubringen. Wenn die „Con-Dems“ das gesellschaftliche Gefüge zerreißen und gleichzeitig die Banken retten, dann haben die Gewerkschaften die Verantwortung dafür, eine führende Rolle zu übernehmen.
Es ist nicht das erste Mal, dass die POA einen Generalstreik fordert. Aber diesmal, so Gillan, hat man im Vorfeld schon nach breiterer Unterstützung dafür auch in anderen Gewerkschaften gesucht und dabei das Ziel vertreten, sowohl die Regierung als auch die sozialdemokratische Partei „New Labour“ wissen zu lassen: genug ist genug.
Im Hinblick auf die gewerkschaftsfeindlichen Gesetze erklärte Gillan, dass man nicht vorhabe, leichtsinnig vorzugehen und mögliche juristische Mittel zu riskieren. Er sagte aber auch, dass es der beste Weg sei, die repressive Rechtsprechung wieder loszuwerden, indem man sie deutlich zurückweist.
Auch April Ashley vom Hauptvorstand von UNISON sprach als Privatperson und machte einen Solidaritätsaufruf für die streikenden Bergleute in Südafrika.
Zuvor hatte schon ein Eisenbahner aus Belgien die Solidaritätsadresse seiner Gewerkschaft überbracht und das Solidaritätsschreiben von CONLUTAS, dem linken Gewerkschaftsverband in Brasilien, wurde verlesen.
Streiks können siegreich sein
Wie schon bei der NSSN-Jahreshauptversammlung im Juni erklärte Mark Serwotka, Generalsekretär der Gewerkschaft der Staatsbediensteten, PCS, wie wichtig derartige Aktionen des NSSN sind. Im vergangenen Dezember, als das rechtslastige Führungspersonal des TUC und Gewerkschaften wie die UNISON oder die GMB den Streik vom 30. November dem Ausverkauf preisgaben, begrüßten er und die linken GewerkschaftsführerInnen die Unterstützung von außen, als sie dafür eintraten, die koordinierten Aktionen weiterzuführen.
Serwotka bekräftigte seine Unterstützung für einen Generalstreik und sagte, dass, sobald die Lehrergewerkschaft das Datum für ihre Streikaktionen im Herbst festgesetzt habe, die PCS sich zusammensetzen würde, um ihre Teilnahme daran vorzubereiten. Er machte noch einmal sehr deutlich, wie effektiv es sein kann, sich gegen die Kürzungen zur Wehr zu setzen: Bei der brit. Finanzbehörde (HMRC), wo es zu Streikmaßnahmen gekommen war, wurden 1.000 Arbeitsplätze geschaffen, und im Innenministerium noch einmal 1.100.
Kräftigen Beifall bekam Serwotka für seine Schlussbemerkungen: Die Tories machen den Eindruck, interne Probleme zu haben. Das beste, was wir im Namen der Menschen in diesem Land tun können, ist, ihnen – wenn sie schon am Boden liegen – den letzten Tritt zu verpassen!
Steve, Elektriker und Mitglied bei der Gewerkschaft UNITE, redete über die Kampagne gegen den Besna-Vertrag im Baugewerbe, über den Lohneinbußen von rund 35 Prozent drohen. Das führte zu Aktionen, die außerhalb der regulären Tarifrunde stattfanden, und führte dazu, dass sieben Bauunternehmen zurückrudern mussten.
Strategie
Rob Williams erklärte den Ansatz des NSSN, um gegen die Kürzungen und das Leid zu kämpfen, zu dem sie führen. „Wir begrüßen die Demonstrationen am 20. Oktober. Wir werden tun, was wir können, um für Millionen von Menschen in den Straßen von London, Belfast und Glasgow zu sorgen. Aber wir stellen auch die Frage, was danach passieren soll! […] Was muss geschehen, um die 85 Prozent der Con-Dem-Kürzungen zu verhindern, die erst noch bevorstehen?“.
Williams bezog sich auf die beschämende Tatsache, dass im Schnitt eine Suppenküche jede Woche neu die Türen öffnen muss und sagte: „Wenn man nach einem Grund [zu streiken] sucht, dann lasst uns diese Woche wegen der schlechten Bezahlung die Arbeit niederlegen oder wegen der Renten oder der Privatisierungen oder Entlassungen – aber bitte lasst es uns koordiniert tun.“
„Wenn also die LehrerInnen zu Arbeitskampfmaßnahmen greifen sollten, und wenn die PCS-KollegInnen in Aktion treten wollen und all die, die nun allmählich die Hälfte ihrer vierjährigen Nullrunde hinter sich haben, und wir dann auch diejenigen aufrufen, die in der Privatwirtschaft arbeiten, ihre geplanten Aktionen zu koordinieren (z.B. die Beschäftigten der „Remploy“-Produktionsstätten oder die EisenbahnerInnen oder die BusfahrerInnen – dann liegt es absolut nicht mehr außerhalb des möglichen Bereichs, dass wir alle am selben Tag zum Streik auf die Straße gehen.“
Er rief die hunderten von TUC-Delegierten, die Gewerkschaftsführungen und -mitglieder sowie die AktivistInnen der Anti-Kürzungsbewegungen in dem großen Saal dazu auf, die Antragsvorlage des NSSN mit zurück in die Regionen, die Betriebe und Gewerkschaftsgliederungen zu nehmen.
Die Aufgaben des NSSN zusammenfassend sagte Rob: „Wir müssen sagen, was gesagt werden muss, und wir müssen tun, was getan werden muss.“
Der Kampf geht weiter
Es war schließlich an Linda, die Kundgebung offiziell und mit einer durchweg positiven Bilanz zu beenden. Sie tat dies, indem sie von der UNISON-Delegation berichtete, die sich wahrscheinlich sogar im selben Hotel aufhielt und die Kundgebung mitverfolgen sowie das Getöse hören konnte, das von der Zusammenkunft drinnen ausging. Die UNISON-KollegInnen hatten sich in einer Abstimmung dafür entschieden, den Streik-BefürworterInnen beizutreten. Diese Nachricht von einer nach links gerückten UNISON-Gewerkschaft hob die Stimmung ungemein.
Die Bedeutung derartiger Aktionen, die noch lange nicht den nötigen Umfang erreicht haben, darf nicht unterschätzt werden. Wenn es wirklich dazu kommen sollte, dann hätten wir es mit dem ersten Generalstreik seit 1926 zu tun, was die Lage in Großbritannien vollkommen verändern würde. Es würde die Menschen aus der Arbeiterklasse in die Lage versetzen, die eigene Macht und Stärke als die einflussreichste Kraft in der Gesellschaft zu spüren.
Der nächste Schritt muss ganz klar sein, die in sich gespaltene und isoliert dastehende Koalition der „Con-Dems“ aus dem Amt zu jagen. Nach unserer Kundgebung wandelte sich der Delegationsbesuch beim TUC einige Türen weiter, unterhalb des Zentrums von Brighton, zur Feier eines historischen Tages. Der Kampf für einen koordinierten eintägigen Generalstreik hat definitiv begonnen – und wir alle waren Teil dieses ersten Schritts. So begannen am Ende schließlich die Sprechchöre: „TUC, leg´ das Datum fest!“