Fr 26.06.2020
Österreichs Gewerkschaften haben ein massives Demokratiedefizit. Die Mitgliedschaft wird bei wichtigen Entscheidungen nicht um ihre Meinung gefragt. Stattdessen biedern sich die Funktionär*innen bei Regierung und Bossen an, üben den nationalen Schulterschluss. Das liegt in der DNA des ÖGB und seiner Einzelgewerkschaften. Seit Ende des zweiten Weltkriegs sieht man sich als Verhandlungs-, nicht als Kampforganisation.
Doch das wird zunehmend schwierig, beziehungsweise unmöglich. Der Spielraum, über Verhandlungen Brotkrumen vom Tisch der Unternehmer*innen abzubekommen, ist in den letzten Jahrzehnten immer kleiner geworden. Nach der nie ganz überwundenen Krise 2008 droht jetzt eine neue Weltwirtschaftskrise.
Das Handeln der Gewerkschaften in der Coronakrise ist widersprüchlich. Einerseits werden der Corona-Tausender und eine Millionärssteuer gefordert. Andererseits setzt man ohne Not einen Dreijahresabschluss im privaten Pflege- und Sozialbereich durch, welcher keine der Forderungen, insbesondere die 35-Stundenwoche, erfüllt. Angesichts der über 600.000 Arbeitslosen fordern die Gewerkschaften einerseits richtigerweise die Erhöhung des Arbeitslosengeldes, ohne jedoch andererseits um den Erhalt der von Einsparungen betroffenen Jobs zu kämpfen, zum Beispiel bei der APA.
Es ist gut, wenn Gewerkschaften Forderungen aufstellen, auch wenn sie längst nicht weitreichend genug sind. Das ist auf jeden Fall besser als die ersten Wochen nach Beginn der Corona-Epidemie, als die Gewerkschaften völlig unkritisch mit den Unternehmerverbänden zusammenarbeiteten. Jetzt wächst der Druck in Betrieben und der Mitgliedschaft. Also werden wieder Forderungen aufgestellt.
Doch Forderungen alleine reichen nicht. Sie müssen im Betrieb und auf der Straße durchgesetzt werden. Dafür braucht es eine Kampfstrategie. Vergangene Erfahrungen lassen kaum Vertrauen aufkommen: Beim 12-Stundentag der schwarz/blauen Regierung mobilisierte der ÖGB erst zu Massendemos – und gab dann einfach auf!
Das darf sich mit Corona nicht wiederholen. Dafür braucht es die Wachsamkeit und Selbstorganisation der Kolleg*innen in den Betrieben. Sie müssen die Kontrolle über ihre eigenen Arbeitskämpfe haben. Demokratische Gewerkschaften müssen von unten durchgesetzt werden. Denn Bosse sind keine Corona-Hawara.