Bienenzüchterverein Gewerkschaft

Wie verhält sich der ÖGB angesichts der Pläne der neuen Regierung
Florian Seidl

Hans Sallmutter, Vorsitzender der Gewerkschaft der Privatangestellten – GPA, hat 1997 gemeint, dass die Gewerkschaft kein Bienenzüchterverein, sondern eine Kampforganisation sei. Im diesem Sinn hätte man/frau meinen können, spätestens wenn die SPÖ nicht mehr in der Regierung ist, ist der Weg frei für eine kämpferische Gewerkschaft. Aber sogar der Widerstand gegen das Sparpaket der blau-schwarzen Regierung beschränkt sich auch unter dem Druck der Ereignisse der letzten Wochen auf Presseaussendungen und die Mobilisierung der Funktionärsriege für Großdemonstrationen. Haben wir mit dem ÖGB den größten Bienenzüchterverein der Welt?
Nach der Angelobung der Schwarz/Blauen Regierung haben diverse GewerkschaftsfunktionärInnen große Worte gefunden, sogar von Streiks war zu die Rede, aber diese Töne sind rasch verstummt. Seither beschränkt sich die Gewerkschaftsspitze vor allem auf das kommentieren diverser drohender Sozialabbau- und Privatisierungsmaßnahmen. Fast schon grotesk wirkt die ständige Forderung nach Verhandlungen über die Sozialabbaumaßnahmen. Die mehr oder weniger komplette Aufkündigung der Sozialpartnerschaft durch die Regierung scheinen die Sozialdemokratischen FunktionärInnen nicht wirklich begreifen zu können und wollen.

„Wir werden nicht zulassen, dass...”

Ausdruck dessen ist die Erklärung zur politischen Situation in Österreich vom 25. Februar 2000 des ÖGB, in der sich dieser klar als Garant des „sozialen Friedens“ in Österreich präsentiert. Die einzelnen Kürzungsmaßnahmen werden zwar kommentiert, aber – wenig überraschend – beschränkt sich der Widerstand auf die Ankündigung, massiv gegen die Maßnahmen aufzutreten und das nicht zu zulassen. Nun, was das heißt, kennen wir schon zu Genüge. So wurde die Privatisierung der Ex-Verstaatlichten „nicht zugelassen”, genauso wie die Verlängerung der Ladenöffnungszeiten am Samstag Nachmittag, dem Wegfall des 8. Dezembers als Feiertag im Handel, Flexibilisierung und Sparpakete zu Lasten der Beschäftigten, die „Pensionsreform” usw.. Ja, es ist schon bemerkenswert, was der ÖGB alles nicht zugelassen hat in den letzten Jahren. Nämlich gar nichts! Das einzige, was der ÖGB wirklich bei all diesen Angriffen verhinderte, war, dass es zu echtem Widerstand unter den Betroffenen bzw. Beschäftigten gekommen ist.

Streik?!

Vermutlich werden einige Fachgewerkschaften und zeitweise sicher auch der ÖGB als solches „Widerstand” leisten.  Insbesondere dann, wenn einzelne Sozialabbaumaßnahmen beschlossen und durchgeführt werden sollen, wird es Proforma-Aktionen ohne Beteiligung der Beschäftigten und der Gewerkschaftsbasis geben. Nur das allein wird weder die Regierung gefährden noch Sozialabbau verhindern. Das Gebot der Stunde hieße für den ÖGB – wollte er die Regierung wirklich stürzen und den drohenden Sozialabbau verhindern -  ganz eindeutig die Vorbereitung von Kampfmaßnahmen wie Streiks. Nur mit einem entschlossenen Kampf, zumindest einiger wesentlicher Teile der organisierten ArbeitnehmerInnenschaft, wäre dieser Kampf gegen die Regierung zu gewinnen. Dass und wie so etwas geht, haben die Beispiele aus Frankreich und Italien gezeigt. Aber nicht nur diese Beispiele – auch die Weigerung des FSG-Vorsitzenden Nürnbergers, das vorgeschlagene rot/ schwarze Regierungspaket zu unterschreiben, zeigt was auch nur auf einen Fingerzeig der Basis hin möglich ist. Nürnberger – bekanntlich nicht unbedingt ein Linker – hat diesen Schritt sicher nicht freiwillig getan. Die Angst vor einer drohenden Austrittswelle hat den ÖGB zu so einem weitreichenden Schritt gezwungen.

Fehlende Traditionen

Natürlich ist es nicht nur der ÖGB, der am Ausbleiben von Streiks in der aktuellen Bewegung schuld ist. In Österreich fehlt weitestgehend jede Tradition von gewerkschaftlichem Widerstand, erst recht was politische Streiks anbelangt. Der Mangel an solchen Traditionen und Erfahrungen und auch an einer Schicht von ArbeitnehmerInnen, wie den EisenbahnerInnen und den Öffentlich Bediensteten in Frankreich oder Italien, die eine Vorreiterrolle im Kampf übernehmen können, läßt einen, noch dazu politischen, Streik in Österreich im Moment unrealistisch erscheinen.

Widerstand organisieren

Gerade deshalb müssen wir – als SozialistInnen, als aktive GewerkschaflerInnen, als ArbeitnehmerInnen – für eine Wiederbelebung dieser Traditionen, für die Rückkehr des politischen Kampfes in die Betriebe und auf die Straße stehen. Die Bewegung der letzten Wochen hat gezeigt, was auch in Österreich möglich ist. Der entschlossene Widerstand Zehntausender straft alle diejenigen Lügen, die eine Politisierung in Österreich für unmöglich gehalten haben. In dieser Situation müssen wir dafür stehen, dass auch gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen, daß Streiks als ein politisches Mittel „wiederentdeckt“ werden. Um aber in den Betrieben Politik machen zu können, um die Grundlage zu schaffen für Kampfmaßnahmen, ist die Organisation auch abseits des ÖGB unerläßlich. Gerade weil wir uns auf die etablierten Parteien, in diesem Zusammenhang insbesondere auf die SPÖ und ihre opportunistische Politik, nicht verlassen können und dürfen, brauchen wir eine neue, eigene Organisation. Der Kampf gegen die neue Regierung muß der Kampf für eine andere, sozialistische, Politik werden, nicht der um einen rosaroten Sozialabbau, wie ihn ein Rudolf Nürnberger oder Fritz Verzetnitsch führt. Nur ein organisierter Widerstand in- und außerhalb des ÖGB, zum Beispiel in der Form von Betriebskomitees, aber auch in einer neuen Partei für ArbeitnehmerInnen und Jugendliche, die unseres Erachtens zur Notwendigkeit geworden ist, kann die Grundlage für den gewerkschaftlichen Kampf gegen diese Regierung und den drohenden massiven Sozialabbau schaffen.

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