Di 23.05.2006
„Ich stehe für eine Opposition gegen Ein-Euro-Jobs, Tarifflucht, Ausgrenzung und Privatisierung. Wir sind die einzige Partei, die abhängig Beschäftigten, Erwerbslosen und Ausgegrenzten eine Stimme im Parlament verleiht.“ (Lucy Redler, Spitzenkandidatin der Wahlalternative soziale Gerechtigkeit, WASG bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus Berlin im September 2006).
Die Idee einer neuen Partei
Die „Wahlalternative“ (WASG) hatte sich als neue linke Partei 2005, aus den großen Bewegungen gegen den Sozialabbau von rot-grün entwickelt. Dieser Formierungsprozess war auch eine Reaktion auf die Entwicklung der „Partei des demokratischen Sozialismus“ (PDS). Die PDS konnte als SED-Nachfolgerin im Westen Deutschlands nie Fuß fassen. Im Osten saß und sitzt sie demgegenüber in Sozialabbauregierungen auf Landesebene sitzt und wurde dafür auch zunehmend bei Wahlen abgestraft. Bei den Bundestags Wahlen 2005 gingen beide Parteien schließlich eine Listenverbindung ein, die mehr als acht Prozent erhielt. Dieses Ergebnis wird seitdem vor allem von den beiden Parteiführungen die gemeinsam im Bundestag sitzen, als Auftrag für eine bedingungslose Fusion interpretiert. Im Gründungsprogramm der WASG vom 22. Januar 2005 heißt es allerdings auch: „An einer Regierung in Land oder Bund werden wir uns nur dann beteiligen, wenn dies zu einem grundlegenden Politikwechsel in Richtung unserer Forderungen führt.“ Genau die Nichterfüllung dieses Anspruchs durch die PDS führte nun zu massiver Opposition gegen den angestrebten Vereinigungsprozess von „Oben.“
Armutshauptstadt Deutschland
Mit über 3,2 Millionen Einwohner und 18.2 Prozent Arbeitslosen ist Berlin nicht nur die weitaus größte Stadt Deutschland, sondern auch Armutshauptstadt. Finanziell hat die Dynamik der Wende Berlin zu einer Metropole mit der höchsten pro Kopf Verschuldung der Welt werden lassen: „Berlin ist pleite (…) Der Berliner Haushaltsnotstand ist auch die Folge der rot-grünen und nun schwarz-roten Umverteilungspolitik von unten nach oben im Bund, die die Finanzen der Länder und Kommunen dramatisch geschwächt hat“ heißt es dazu im Wahlaufruf der WASG-Berlin. Ebenso steht dort aber auch: „Wir“ sind durchaus nicht pleite. „Das Vermögen der 100 reichsten Privatpersonen und Familien liegt zur Zeit bei 330 Milliarden Euro - das ist fast ein Viertel der Gesamt-Staatsverschuldung.“ Ganz anderes sieht die PDS Berlin die gemeinsam mit der SPD die Stadt regiert ihren politischen Auftrag. Statt auf Widerstand gegen Kürzungen zu organisieren, setzt sie auf das Einklagen von mehr Geld durch den Bund beim Bundesgerichtshof. Ansonsten wird angesichts der Haushaltnotlage die Umsetzung von Kürzungen und Privatisierungen als alternativlos darstellt und auf die „Leistungen“ im Rahmen des derart Machbaren verwiesen. Konkret bedeutet das „Machbare“ dann die Drohung mit Kündigungen durch den zuständigen PDS Senator gegenüber der Belegschaft der Uniklinik Charité, wenn diese einem Lohnabsenkungstarifvertrag nicht zustimmt. Wie die stellvertretende Vorsitzende der PDS richtig bemerkt wurde die WASG in Berlin vornehmlich gegen diese PDS und ihre Regierungsbeteiligung gegründet – der Gewerkschaftssprecher der Charite (Carsten Becker) steht auf Platz drei der WASG-Berlin Liste (Vgl.: Neues Deutschland, 5.5.2006).
„Aber die Politik des kleineren Übels ist vor allem eins: ein Übel."
Mit dieser Haltung lehnt die WASG Berlin, es ab zugunsten der PDS auf ein eigenständiges Antreten zu verzichten. Doch statt diese Grundlagen der WASG in der Öffentlichkeit – auch gegen die Berliner Regierung – zu verteidigen und sie zur politischen Basis von Fusionsgesprächen zu erklären, wurde vom Parlamentsklub WASG/PDS eine Jagd auf tatsächliche und vermeintliche Trotzkisten eröffnet. Diese Vorwürfe schießen allerdings alleine schon deshalb am Ziel vorbei, weil neben dem Berliner Landesverband in dem die deutsche Schwesterorganisationen der SLP (SAV) stärker vertreten ist, auch jener Mecklenburg-Vorpommerns ein Antreten gegen die mitregierende PDS beschlossen hat. Den Höhepunkt dieser Kampagne stellt nun der Versuch dar, die Landesverbände mittels Einsatz von Kommissaren des Bundesvorstandes aufzulösen. Mehrere deklarierte „Nichttrotzkisten“ – wie z.B. Joachim Bischof - waren vorher aus Protest gegen diese sich abzeichnenden Brachialmethoden aus dem Vorstand zurückgetreten. Die WASG Berlin reagierte demokratisch und offensiv - u.a. am 16.5 mit der Abhaltung eines Landesparteitages, welcher mit einer Gegenstimme den eigenständigen Antritt bestätigte. mit den Gewerkschaften aus um Sparmaßnahmen durchziehen zu können). Laut Umfragen gibt dafür auch eine reale Chance.
Und Österreich?
Verschiedene Organisationen der österreichischen Linken, die sich ansonsten mit den gegen die Berliner WASG agierenden Kräften verbunden fühlen, waren diese Ereignisse – trotz Nachfrage - zumindest bis jetzt kein Wort der Kritik wert. Hierzu gehört vor allem die mit der PDS in der „europäischen Linkspartei“ verbundene KPÖ, die sich „nicht einmischen will.“ Ebenso schweigen „trotzkistische“ Gruppen wie „Funke“ und vor allem „Linkswende“ deren deutsche Schwesterorganisation zu den Hauptbetreibern administrativer Maßnahmen und Spaltung gegenüber der Berliner WASG gehören. Doch es wird die neue Partei nicht als Marionettenspiel geben, die an den Fäden von Oskar Lafontaine und Bodo Ramelow (PDS) hängen und nach deren Pfeife tanzen heißt es richtig in einem Kommentar der SAV. Für die anstehenden Neuformierungsprozesse der österreichischen Linken ist das insofern von Bedeutung als auch hier verschiedene Strömungen und Traditionen aufeinanderprallen können und werden, die um Mehrheiten für ihre Positionen ringen. Und das ist an sich auch gut so! Drohen dann auch hier die Kommissare die für Friedhofsruhe sorgen? Es bleibt jedenfalls zu hoffen, dass – trotz Schweigen im linken Walde - ich eine künftige „Linkspartei“ in Österreich solche Uraltmethoden von Haus aus erspart!