Mi 12.10.2016
Internationale Situation bezüglich Schwangerschaftsabbruch ist alles andere als gut: Nur in 57 Ländern, also der Minderheit, ist Abtreibung legal bzw. durch eine Fristenlösung möglich. Das bedeutet, dass 25% aller Frauen weltweit in Staaten mit strengen Abbruchgesetzen leben. Ihnen droht Gefängnis oder Schlimmeres. 40% aller Frauen leben in Ländern wo Abtreibung verboten, beschränkt oder nicht zugänglich ist. Das hindert Frauen aber nicht daran, Abbrüche durchzuführen. Es bedeutet aber, dass mehr als 50% aller Abbrüche unter unsicheren Bedingungen durchgeführt werden. Das bedeutet, dass jährlich bis zu 80.000 Frauen daran sterben, dass ihnen der Zugang zu einer legalen und sicheren Abtreibung verwehrt wird. Das bedeutet, dass die Politik der radikalen AbtreibungsgegnerInnen alle sieben Minuten eine Frau tötet!
Betroffen davon sind aber nicht nur in religiösen Staaten wie die Vereinigten Arabischen Emirate oder der Vatikan sondern auch Staaten hier in Europa wie Malta, Andorra, San Marino, Lichtenstein, Irland und Polen. Dass es dabei nicht um „Leben schützen“ geht zeigt z.B. auch die rechtliche Lage in Malta, wo selbst wenn Lebensgefahr für die Frau besteht ein Abbruch nicht erlaubt ist.
Radikale AbtreibungsgegnerInnen sind auch gegen Aufklärung und Verhütung – sie wollen also ungewollte Schwangerschaften!
Wie Menschen- bzw. Frauenverachtend die radikalen AbtreibungsgegnerInnen tatsächlich sind zeigt sich auch daran, dass sie oft auch gegen Aufklärung und gegen Verhütung sind! Die FPÖ, die immer wieder das Recht auf Schwangerschaftsabbruch in Frage stellt ist z.B. gegen die kostenlose Abgabe von Verhütungsmittel. Dabei wäre das eine Maßnahme, die erwiesener Maßen die Anzahl ungewollter Schwangerschaften reduzieren würde. Auch die Anti-Abtreibungsorganisationen „Österreichische Lebensbewegung“, „Human Life International“ bzw. „Jugend für das Leben“ stehen in ihrer Praxis gegen Verhütung und gegen Aufklärung. „Jugend für das Leben“ verteilt zwar Plastikföten an Schulen und zeigt Abtreibungs-Horror-Videos – über Aufklärung reden sie aber nicht! Die „Lebensbewegung“ präsentiert Verhütungsmittel in einer Form, dass sie als gefährlich und „frühabtreibend“ erscheinen – sie verhindern also, dass Menschen sich vor ungewollten Schwangerschaften schützen. HLI sprechen bezüglich Verhütungsmittel überhaupt von einem „negativen Sinn“.
Dass es den radikalen AbtreibungsgegnerInnen auch nicht um „die Kinder“ geht zeigt sich darin, dass sie entweder selbst verantwortlich sind für eine Politik die Kinder besonders hart trifft, oder Parteien unterstützen, die das tun: Durch die Kürzung der Mindestsicherung in Oberösterreich (ÖVP, FPÖ) steigt die Kinderarmut weiter an. In Wels setzt die FPÖ Verschlechterungen bei den Kindergärten um, dafür müssen jetzt aber deutsche Lieder gesungen werden. Besonders die FPÖ steht auch für Abschiebungen, von denen Kindern besonders hart getroffen sind. Brigitte Kashofer von der FPÖ-Amstetten, Teil des Teams Rosenkranz, ist gegen Frauenhäuser – diese sind oft der einzige Ort wohin Frauen mit ihren Kindern vor Gewalt flüchten können. HLI & Co. Ihrerseits rufen bei Wahlen immer wieder zum Wählen für FPÖ&Co. Auf. Ein rechtes, frauenfeindliches Sammelsurium!
Massenbewegung in Polen erreicht ersten Erfolg
In den letzten Monaten gab es Massenproteste in Polen. Die Katholische Kirche betreibt in Polen schon länger eine Kampagne für ein totales Verbot. Dabei ist der Zugang zu Abtreibung in Polen schon bisher sehr beschränkt. Theoretisch ist eine Abtreibung bei Vergewaltigung, Gefährdung von Leben und Gesundheit der Frau gefährdet sowie schwerer Behinderung bzw. nicht Lebensfähigkeit des Kindes erlaubt. Aber praktisch ist es trotzdem schwer, von diesem Recht auch Gebrauch zu machen. 2014 gab es einen Fall, wo trotz einer schweren Missbildung (das Kind hatte kaum ein Hirn, keine Schädeldecke und keine Überlebenschance) der Arzt den Abbruch verweigerte - und sogar die Überweisung in ein anderes Spital verweigerte. Das ist Folter gegen die betroffene Frau!
Auch Verhütungsmittel sind in Polen nur schwer und teuer zu bekommen. Unter 18jährige können ohne Wissen der Eltern nicht zum Gynäkologen, brauchen aber alle drei Monate ein neues Rezept für die Pille. Außerdem sind Verhütungsmittel sehr teuer. Beides übrigens Probleme, die so auch in Österreich existieren!
Seit einem Jahr gibt es in Polen die neue Regierung der rechts-konservativen PiS. Sie war im Wahlkampf von der Kirche unterstützt worden und unterstützte danach ein „Bürgerbegehren“ für ein de facto totales Abtreibungsverbot. Das geplante Gesetz sah vor, dass selbst wenn das Leben der Frau in Gefahr ist bei einem Abbruch bis zu fünf Jahre Haft (bisher zwei) für ÄrztIn und Frau drohen. Legal wäre eine Abtreibung nur mehr bei unmittelbarer Todesgefahr für die Frau – die Auslegung darüber liegt aber beim Arzt. Geplant war auch, dass künftig alle Fehlgeburten untersucht werden sollen, um zu schauen, ob diese „herbeigeführt“ wurden. Fehlgeburten hängen von einer Reihe von Faktoren ab, und sind in den ersten Wochen sehr häufig. Statistisch liegt die Wahrscheinlichkeit für eine Fehl- oder Totgeburt bei einer42jährigen Frau bei 54% und bei einer 48jährige oder älteren Frau bei 84%! Hier permanent mit Gefängnis bedroht zu sein ist eine extrem Gefahr und gibt „Partnern“ oder auch ÄrztInnen eine extreme Macht. Ein weiterer Gesetzesentwurf sieht ein Verbot der Pille danach vor. Und manche wünschen sich sogar ein Verbot von Pille und Spirale. In erster Lesung passierte das Parlament das Gesetz, 267 Abgeordnete stimmten dafür, 154 dagegen, elf enthielten sich.
Doch dann explodierten die seit Monaten andauernden Proteste. Es gab Massendemonstrationen und am 3. Oktober den „Frauenstreik“ unter dem Motto "schwarzer Protest" ("Czarny protest"). Bei Demonstration gingen 50.000 in Warschau, 25.000 in Krakau und viele mehr in anderen Städte und auch international auf die Straße. Es war kein offizieller Streik und viele Frauen nahmen extra Urlaub, um sich an den Protesten beteiligen zu können. Manche Gemeinden aber unterstützten die Frauen und verhängten extra einen speziellen „Gemeindeurlaub“ um ihnen die Teilnahme zu ermöglichen. Der Standard schreibt „zahlreiche Restaurants, Regierungsbüros und Universitätsabteilungen standen still, die Zufahrt zur Zentrale der regierenden nationalkonservativen PiS-Partei wurde gesperrt.“
Spät aber doch hat sich auch der sozialdemokratische Gewerkschaftsverband OPZZ entschlossen, die Proteste zu unterstützen und machten klar, dass sie ihre Mitglieder unterstützen wird, wenn sie wegen des „Streiks“ Probleme bekommen.
Die Regierung musste in Folge der Proteste zurück rudern und hat erklärt, dass Gesetz sei vom Tisch. Das ist ein großer Erfolg und zeigt, dass es sich lohnt, sich zu wehren. Aber der Kampf ist nicht vorbei – und braucht unsere weitere Unterstützung. Die Regierung arbeitet an einer neuen Gesetzesvorlage – Verbesserungen für die Frauen in Polen sind davon nicht zu erwarten. Jetzt ist die Chance, die Bewegung weiter auszubauen um echte Verbesserungen zu erreichen. Alternatywa Socjalistyczna, die Schwesterorganisation der SLP in Polen und Teil der Reclaim Choice Alliance, fordert daher auch leicht zugängliche und kostenlose Verhütung und Aufklärungsunterricht statt Religionsunterricht in den Schulen. Zur Zeit ist die Bewegung ein loses Netzwerk verschiedener spontaner Gruppen, eine der größten ist Dziewuchy Dziewuchom (Mädchen für Mädchen) von denen aber viele v.a. Facebook-Gruppen sind wo auch oft nicht klar ist, wer eigentlich entscheidet, was auf den Seiten veröffentlicht werden (darf). Es wird ein längere Kampf werden für die Frauen in Polen, sie brauchen daher in so einer Kampagne demokratische Strukturen und aktive regionale Gruppen.
Offensiver Kampf in Irland
Wie so eine Kampagne aussehen kann, zeigt Rosa, in Irland. Dort gibt es seit Jahren immer wieder Proteste und Demonstrationen für Frauenrechte. Die Fälle von Savita Halappanavar 2012 (die starb weil ihr trotz Tod des Fötus ein Abbruch verweigert wurde) oder einer jungen Frau die 2014 zwangsernährt und zwangsentbunden wurde führen immer wieder zu großen Protesten. In den letzten Jahren hat sich daher eine starke Pro-Choice Bewegung aufgebaut. Irland hat eines der repressivsten Abtreibungsgesetze in Europa. Es ist eines von Ländern (u.a. neben Chile, wo das der Diktator Pinochet durchgesetzt hat) wo das Verbot sogar Verfassungsrang hat! In Irland ist ein Abbruch nur erlaubt, wenn das Leben der Frau in Gefahr ist. Doch das ist offen für Auslegung wie der Fall von Savita zeigt. Bei Verstoß gegen das Gesetz drohen bis zu 14 Jahre Strafe. Auch in Irland geht es nicht um „Leben“. Das zeigen u.a. die grausamer Babyleichenfund in einem der katholischen Heime wo ledige Schwanger untergebracht wurden.
Die dynamischste und kämpferischste Kraft in der irischen Kampagne für Frauenrechte ist „Rosa - Für reproduktive Rechte, gegen Unterdrückung, Sexismus und Kürzungspolitik““ die Kampagne der Socialist Party (Schwesterorganisation der SLP). Weil täglich zwölf Frauen nach Britannien reisen müssen für einen Abbruch hat Rosa in den letzten Jahren auch die Verbreitung der Abtreibungspille per Zug, Bus und sogar Drohne organisiert. Rosa ist auch Teil der „Coalition to Repeal the Eighth Amendment“ (Koalition für die Abschaffung des 8.Verfassungszusatzes), einem Bündnis von Frauenrechts- und Pro-Choice-Gruppen, die zusammen daran arbeiten, eine entsprechende Volksabstimmung zu gewinnen. Die Abgeordnete der Socialist Party/Anti Austerity Alliance Ruth Coppinger hat einen entsprechenden Antrag im irischen Parlament (Dail) eingebracht. Sie stellt auch klar, dass alle Verzögerungsversuche der Regierung nicht akzeptiert werden und dass sie weiter daran arbeiten wird „eine Basisbewegung aufzubauen, die die PolitikerInnen zwingt, sich endlich ins 21. Jahrhundert zu bewegen“. Auch in Irland sind am 24. September zehntausende für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch auf die Straße gegangen. Ihre Gegner sind dabei die Kirche und die bürgerlichen Parteien. Die Regierungspartei Fine Gael, unterstützt von Fianna Fáil, bleiben dabei, das Thema unter den Teppich zu kehren, indem sie versuchen, durch eine „BürgerInnenversammlung“ das Thema zu verzögern. Die populistische Sinn Fein unterstützt zwar die Streichung des 8. Verfassungszusatzes mittlerweile, weil sie den Druck der Bewegung spürt. Sie sind aber dennoch für ein sehr eingeschränktes Recht auf Abbrüche das ihrer Vorstellung nach im wesentlich wie das polnische Aussehen soll. Im Norden Irlands, wo sie mit in der Regierung sind sind sie dagegen, dass das britische Gesetz von 1967, das Frauen den Abbruch ermöglicht, auf Nord-Irland ausgeweitet wird. Die Labour Party, die bis vor Kurzem in der Regierung war, hat nicht getan, um die Situation für Frauen zu verbessern. Immer noch in ein großer Teil des irischen Gesundheits- und Bildungssystems in den Händen der katholischen Kirche. Der Aufklärungsunterricht ist entsprechend, dafür wird dann schon mal über die Schullautsprecher „für ungeborene Kinder“ gebetet. Das es auch in Irland jenen Parteien, die sich als „Lebensschützer“ aufspielen nicht um die Kinder geht, zeigen ein paar Zahlen: Der Anteil der Kinder unter 18 Jahren, die in Irland von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht liegt bei 30,3 % - Tendenz steigend (Die Kinderarmut lag in Irland 2008 noch bei 18 %). Gleichzeitig zahlen Multis wie Google dank irischem Steuerrecht kaum Steuern. Kindergartenplätze aber kosten viele hundert Euro pro Monat. Es wird also von genau jenen, die Frauen den Zugang zu Abtreibung schwer machen auch jenen Frauen, die Kinder haben wollen, schwer gemacht, welche zu haben.
24. Oktober – nächster Aktionstag
Am 24. Oktober gibt es den nächsten Protest in Wien in Solidarität mit den Frauen in Irland und Polen. Doch es geht auch um unsere Rechte hier in Österreich. Denn auch im rosa-grünen Wien sind Frauen für Schwangerschaftsabbrüche in der Realität auf private Ambulatorien angewiesen, weil in öffentlichen Spitälern kaum Abbrüche möglich sind. In Österreich ist der Anteil von ungewollten Schwangerschaften gerade wegen der hohen Preise für Verhütungsmitteln hoch – in den meisten anderen Ländern in Europa ist Verhütung zumindest für Jugendliche oder Frauen mit niedrigem Einkommen kostenlos. Und: die Mehrheit der Abgeordneten im Parlament gehört zu Parteien, die Frauenrechte einschränken wollen. Hofer & Co. stellen hier also eine echte Bedrohung dar. Es ist also auch ein Kampf um unsere Rechte!