Mo 14.10.2019
Seit zehn Jahren organisieren sich Krankenwagenbeschäftigte im Süden Irlands in NASRA, einer Untergruppe der Psychiatric Nurses Association (PNA). Dieser Teil der Gewerkschaft ist basisnah, demokratisch und hat eine nicht-hauptamtliche Führung mit einem kämpferischen Ansatz zur Verteidigung der Reche von Beschäftigten. In den letzten zehn Jahren hat die Gewerkschaft ihre Mitgliederzahl erweitert, im Herbst 2018 organisierte NASRA über 500 der 1200 Krankenwagenbeschäftigten, die größte Gewerkschaft der Branche. Obwohl NASRA nie offiziell als die Wahl-Gewerkschaft des Ambulanzpersonals anerkannt wurde, wurden Gewerkschaftsbeiträge einbehalten und die Vertreter*innen von NASRA haben ihre Mitglieder in Bezug auf die Arbeitsbedingungen zu vertreten.
Damit wurden sie als eine Bedrohung angesehen, die gestoppt werden musste - die Unternehmensleitung beschloss die Gewerkschaftsbeiträge künftig nicht mehr direkt vom Gehalt aus einzubehalten (und dann an die Gewerkschaft weiterzuleiten) und das Gesundheitsministerium stimmte zu. Dies bedeutet faktische das vollständige Ende der Anerkennung von NASRA als Wahl-Gewerkschaft der Wahl der Krankenwagenfahrer*innen. Als Reaktion auf diese Provokation haben die in NASRA organisierten Beschäftigten über Arbeitskämpfen abgestimmt.
Ein erster Streiktag wurde im Jänner 2019 organisiert, acht weitere Streikaktionen (unter anderen bis zu 48 Stunden Aktionen) wurden seitdem durchgeführt. Als Rettungskräfte ist es für sie schwierig, effektive Streiks zu organisieren – das Management rief u.a. die Armee zu Hilfe. Und die Streikenden sind sogar gezwungen, Anrufe entgegenzunehmen - sogar an den Streikposten. Denn die Weigerung des Gesundheitsministeriums, an Streiktagen eine ausreichende Personalabdeckung zu gewähren, lässt den Beschäftigten keine andere Wahl, als Notrufe zu beantworten.
Aufgrund jahrelanger Sparmaßnahmen seit 2008 wurden die Krankentransporte in Irland völlig ausgeblutet und sind in weiten Teilen des Landes völlig unzureichend. Die Arbeitsbedingungen wurden untergraben. Eine kürzlich durchgeführte Umfrage der HSE, des nationalen Gesundheitsservices, ergab, dass die Quote von Schikanen gegen Beschäftigte im Dienst außergewöhnlich hoch ist. Die Gewerkschaft, die traditionell die Ambulanzbeschäftigten vertrat - SIPTU -, vertritt jedoch auch die Unternehmensleitung und konkurriert aktiv mit Basisgewerkschaften wie der PNA, um eine Branchenvereinbarung im Gesundheitswesen zu "gewinnen". Das bedeutet, dass die SIPTU-Bürokratie einen sehr konservativen Ansatz bei Fragen die die Beschäftigten betreffen verfolgt, anstatt effektiv für bessere Löhne und Bedingungen für die Menschen, die sie vertritt, zu kämpfen. In diesem Zusammenhang konnte NASRA auf die heutige Größe wachsen und verfügt über eine breite Basis an aktiven Mitgliedern. Das erklärt auch, warum sich viele SIPTU-Mitglieder in Solidarität mit ihren Kolleg*innen den Streikposten angeschlossen haben.
Neben Arbeitskampfmaßnahmen hat NASRA versucht, maximalen Druck auf das politische Establishment auszuüben, einschließlich tagelanger Proteste außerhalb (und innerhalb) des Parlaments (Dail). An einem dieser Tage organisierte NASRA gemeinsam mit den Parlamentsmitgliedern (TDs) der http://socialistparty.ie/ (SP, Schwesterorganisation der SLP in Irland) um 96 Mitglieder in den Zuhörer*innenbereich des Parlaments zu bringen, während ihr Kampf um die Anerkennung der Gewerkschaft diskutiert wurde. Danach organisierte sie ein spontanes Treffen der Arbeiter*innen in der Bar des Dail, die normalerweise nur von Senator*innen und Parlamentarier*innen benützt wird.
Am 24. Oktober werden die Sanitäter*innen wieder vor dem Dail sein, um ihre Forderungen hervorzuheben. Internationale Proteste, die ihren Kampf vor die irischen Botschaften auf der ganzen Welt bringen, werden an diesem Tag dazu genutzt, die Regierung zu verurteilen - innerhalb und außerhalb der Räumlichkeiten des Dail. Der von ihnen gewählte Slogan "Meine Gewerkschaft, meine Wahl" ist eine positive Bezugnahme auf die Bewegung für Abtreibungsrechte, die Irland in den letzten Jahren mitgerissen hat.
Wie das Streikkomitee betont, kämpfen sie nicht nur für ihr Recht, in der Gewerkschaft ihrer Wahl organisiert zu sein, sondern dieser Kampf hat Signalfunktion für eine neue Generation von Arbeiter*innen, die in vielen anderen Unternehmen wie Ryanair, dem Gastgewerbe und als Englischlehrer*innen derzeit ähnliche Kämpfe führen. Wenn die Regierung selbst die Gewerkschaften nicht anerkennt, was ist dann mit Arbeiter*innen des Privatsektors? Arbeit*innen brauchen eine effektive Vertretung, die von den Belegschaft selbst geleitet wird, ihre Interessen an die erste Stelle setzt und bereit ist, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Um das zu erreichen, benötigen Arbeiter*innen das demokratische Recht auf Vertretung durch die Gewerkschaft ihrer Wahl. Genau darum geht es in diesem Konflikt.