So 28.02.2016
Am 19. Februar konnte man in Wiener Neustadt erleben was eine schwarz-blaue Bundesregierung für die große Mehrheit der in Österreich lebenden Bevölkerung bedeuten würde: Nämlich eine Katastrophe.
Der Wiener Neustädter Gemeinderat hat nämlich ein Budget beschlossen das es in sich hat. Als „das größte kommunale Sanierungsprojekt der zweiten Republik“ wird es von der so genannten bunten Stadtregierung abgefeiert.
Hinter diesem schicken Namen verbirgt sich eine informelle Koalition aus ÖVP, FPÖ, zwei Bürgerlisten und auch den Grünen, die sich für eine Zusammenarbeit mit Rechtsaußenparteien scheinbar nicht zu Schade sind. Da hilft es auch nicht viel, dass sie sich bei der Abstimmung über das Budget enthalten haben.
Im Jahr 2016 will die Stadtregierung über 15 Millionen Euro einsparen. Ziel ist die Erwirtschaftung eines Überschusses von 400.000 Euro in diesem Jahr. 1.1 Millionen sollen im Jahr 2017 erwirtschaftet werden. Diese Überschüsse werden aber nicht für Sozialausgaben, Kultur, Jugendarbeit oder ähnliches verwendet werden.
Die Menschen sollen für die Banken blechen!
Im Gegenteil. Sie werden direkt in die Taschen diverser großer Banken wandern. Denn diesen schuldet Wiener Neustadt derzeit 187 Millionen Euro. Bis 2020 will die Stadt den Schuldenstand auf 149 Millionen Euro senken.
Bis jetzt ist die Stadtregierung nur mit groben Details über die Auswirkungen ihrer mit dem Land Niederösterreich und nicht näher benannten Banken ausgehandelten Budgetpläne für die Wiener Neustädter Bevölkerung herausgerückt. Doch die bereits durchgesickerten geplanten Maßnahmen lassen schlimmes befürchten. Angegriffen werden Jugendliche, PensionistInnen und all jene, deren Broterwerb von der Stadt abhängig ist.
Es sollen 3.5 Millionen Euro beim städtischen Personal abgebaut werden. Zwei städtische Betriebe – die städtische Gärtnerei und die städtische Gastro – sollen schließen. Es wird mit Sicherheit Personalabbau geben. Dadurch werden ganze Familien in die Armut getrieben. Kein Wunder, dass in der Stadt derzeit ein Klima der Angst herrscht.
Auch Jugendliche haben von FPÖ, ÖVP und Co nichts zu erwarten. Der städtische Jugendbeauftragte wird abgeschafft. Der Jugentreff UVZ wird geschlossen. Das Triebwerk, ein von städtischen Mitteln geförderter, nicht auf Kommerz ausgerichteter Konzert- und Veranstaltungsraum kämpft um seine Existenz über das Jahr 2017 hinaus. Viele Jugendprojekte werden eingestellt.
Den Rundumschlag komplett machen die Attacken auf alte Menschen. Ein Wohnheim für PensionistInnen steht vor der Privatisierung (mal sehen, wer sich da bereichern will!). Essen auf Rädern wird um ein Drittel teurer. Zwei Seniorenclubs werden geschlossen. Projekten für die Gesundheitsförderung werden die Mittel gekürzt.
Die Stadtregierung möchte all diese Schrecklichkeiten mit teuren und einmaligen „gute Laune Projekten“ kaschieren. Dazu gehört, dass die niederösterreichische Landesausstellung 2019 (ein Jahr vor den nächsten Wahlen!) in Wiener Neustadt gastieren wird. Hier greift Landesvater Pröll seinen ParteifreundInnen unter die Arme.
Dieses Budget ist erst der Anfang
Diese Projekte werden die Auswirkungen der Einsparungen nicht übertünchen können. Vor allem, weil es mit den bisher geplanten Maßnahmen nicht vorbei sein wird, wenn es die PolitikerInnen mit dem Ziel, wirklich alle 187 Millionen Euro Schulden abzubauen, Ernst meinen. Erfahrungen aus anderen Ländern wie Großbritannien, Griechenland oder Irland zeigen, dass einmal begonnene Sparpolitik immer weiter geht: Bis auch der letzte Rest Infrastruktur zerstört ist. In Deutschland ist die Industriestadt Duisburg ein Beispiel für eine in Grund und Boden kaputtgesparte Stadt.
Umso schlimmer ist das Schweigen von Gewerkschaften, ÖGB und Arbeiterkammer. Von ihnen vermisst man bislang selbst kleinste Stellungnahmen. Von Widerstandsaktionen wie Kundgebungen, Betriebsversammlungen, Demonstrationen oder gar Streiks ganz zu schweigen. Das mag daran liegen, dass die örtliche SPÖ einen ganz gewaltigen Anteil am Entstehen der Wiener Neustädter Schuldenkrise trägt. Oder auch daran, dass die im ÖGB dominierende SPÖ mit Einsparungen eigentlich einverstanden ist. Anders ist auch die Gratulation des Wiener Neustädter SPÖ-Vorsitzenden Wolfgang Trofer zum „ausgeglichenen Haushalt“ an die Adresse der Stadtregierung bei der Gemeinderatssitzung am 19. Februar nicht zu erklären.
Die Wiener Neustädter SPÖ hat in den vergangenen Jahrzehnten vor Ort allein regiert. In dieser Zeit hat sie sich massiv auf den internationalen Finanzmärkten verspekuliert. Auch hier kennt man bislang nur kleinste Details. Ein Teil der Schulden liegt bei der Kommunalkredit Austria, eine Bank, die im Jahr 2008 von der Republik Österreich verstaatlicht wurde um diese vor der Pleite zu retten. Dennoch verleitete diese Bank bis 2013 Gemeinden in ganz Europa zur Aufnahme von Risikokrediten. Wegen solcher Geschäfte wäre die Bank 2012 fast erneut Pleite gegangen. Der Staat, also die SteuerzahlerInnen, blechte: Man weiß von 1.5 Milliarden Euro, die als Verluste abgeschrieben wurden.
Solche Verbrecherorganisationen sollen nun über den Wiener Neustädter Schuldenabbau richten. Jeden Monat soll die Stadt offenlegen müssen, ob sie ihren „Budgetpfad“ auch brav einhält. Ab 2017 kommt als zusätzliches Element das in Kraft treten des österreichischen Stabilitätspaktes hinzu. Ab dann ist Bund, Ländern und Gemeinden die Aufnahme neuer Schulden verboten. Spätestens dann wird es in Österreich massive, so noch nicht gekannte Angriffe auf die Lebensstandards der Bevölkerung geben. Wiener Neustadt ist also auch ein Bild der nahen Zukunft Österreichs.
FPÖ lenkt mit Hetze gegen Flüchtlinge vom Thema ab
Spätestens hier zeigt sich aus der Perspektive der Reichen und Mächtigen in Österreich der Nutzen der FPÖ als Regierungspartei. Hören wir den Wiener Neustädte FPÖ stellvertretenden Bürgermeister, Stadtrat für Wohnen und soziales Michael Schnedlitz: „Wir stehen in Wiener Neustadt mit dem Rücken zur Wand, und es ist Zeit zu handeln. Wir müssen alle gemeinsam Druck machen – denn es ist unser Recht und unsere Pflicht zu sagen: Bis hierher und nicht weiter.“ Schnedlitz außerdem: „Wir werden von Idioten regiert.“
Hat er das Licht gesehen? Will er gegen die von seiner Partei organisierten Einsparungen kämpfen? Eine Bewegung gegen Sozialabbau aufbauen? Nein! Das Wiener Neustädter Budget hält er für „sozial ausgewogen“. Schnedlitz geht es um etwa 300 Flüchtlinge, die in Wiener Neustadt einquartiert werden sollen. Gegen diese will er Unterschriften sammeln, BürgerInnen mobilisieren, eine Demonstration durchführen.
Nicht nur die FPÖ hetzt gegen die Flüchtlinge. Auch die „Identitäre Bewegung“ versucht sich schon seit einiger Zeit vor Ort aufzubauen. Doch während sie ihre Ausländerfeindlichkeit unter die Menschen bringen, kommt von ihnen nicht die kleinste Kritik an den Angriffen der Stadtregierung durch deren Sparpolitik.
Rassismus als Ablenkungsmanöver. Die Menschen sollen auf jene einprügeln, denen es noch schlechter geht. Auch deshalb ist es schlimm, dass die Gewerkschaften nichts gegen die Einsparungen machen. Es muss dringend eine Bewegung aufgebaut werden. Warum sollen Berufstätige, Erwerbslose, alte Menschen und Jugendliche leiden, damit Banken ihre Koffer füllen? „Wir zahlen Eure Schulden nicht!“ muss die Parole werden. In Wiener Neustadt und ganz Österreich.