Fr 06.10.2006
Die Regionalkonferenz des ÖGB in Wien am Donnerstag den 5. Oktober in den Räumlichkeiten der GPA verlief nicht ganz so, wie es sich die OrganisatorInnen vorgestellt hatten. Geplant war - warscheinlich erdacht von einer sauteuren Beraterfirma - eine reine Dampfablassaktion. In Kleingruppen sollten die TeilnehmerInnen vorgegebene Fragen diskutieren die im wesentlichen dem ohnehin bekannten Fragebogen entsprechen.
Diskussion - nicht nach Plan der ÖGB-Führung
Aber die anwesenden Gewerkschaftsmitglieder machten deutlich, dass sie mehr wollen. Gleich zu Anfang brachte Michael Gehmacher, ÖHTB-Betriebsrat und Aktivist der Plattform für kämpferische und demokratische Gewerkschaften, einen Antrag ein. Er erklärte, dass die Gewerkschaft nicht so weitermachen könne wie bisher, dass eine Regionalkonferenz mehr als nur Diskussionen bringen müsse - nämlich konkrete Vorschläge und Beschlüsse. Der ÖGB-Moderator versuchte sich lange um die Frage einer Abstimmung herumzudrücken aber die Reaktionen der Mehrheit der anwesenden Gewerkschaftsmitglieder waren eindeutig: man wollte nicht nur Vorschläge auf ein paar Flip-Charts schreiben und Punkte zu vorgefertigten Fragen kleben, die dann von "ExpertInnen evaluiert" würden - man wollte selbst aktiver Teil der Neugestaltung des ÖGB sein.
Die Diskussionen in den Arbeitsgruppen drehten sich dann auch rund um Fragen: Wie kann der ÖGB künftig erfolgreiche Streiks organisieren? Wie kann eine kämpferische Kampagne zur Arbeitszeitverkürzung organisiert werden? Wieviel sollen GewerkschaftsfunktionärInnen verdienen? Wie müssen die Gewerkschaftsstrukturen aussehen, damit die Mitgliedschaft entscheidet und nicht eine dünne FunktionärInnenschicht?
Antrag beschlossen
Im Anschluss wurde der am Anfang der Regionalkonferenz vorgestellte Antrag zur Abstimmung gebracht. Der Antrag umfasste folgende Punkte:
ANTRAG
Die 1,3 Millionen Gewerkschaftsmitglieder müssen wirklich entscheiden!
Am kommenden ÖGB-Kongress können nur sehr wenige Gewerkschaftsmitglieder mitentscheiden. Damit möglichst viele Mitglieder nicht nur in den Diskussions- sondern auch den Entscheidungsprozess eingebunden sind, schlagen wir der heutigen Regionalkonferenz vor, folgende Punkte zu beschließen:
- Urabstimmung und BetriebsrätInnenkonferenzen: Bei wichtigen Fragen (zB KV-Verhandlungen) müssen die Ziele auf BR-Konferenzen erarbeiten und beschlossen, und die Ergebnisse durch Urabstimmung legitimiert sein.
- Jederzeitige Wähl- und Abwählbarkeit der FunktionärInnen: Spitzenfunktionäre müssen von den betroffenen Mitgliedern direkt gewählt werden. Delegierte zu Kongressen sollen auf Betriebs und Regionalkonferenzen direkt gewählt werden. Es muss möglich sein FunktionärInnen abzuwählen.
- Durchschnittslohn für FunktionärInnen: Kein GewerkschaftsfunktionärIn soll mehr verdienen, als die Mitglieder die er/sie vertritt. FunktionärInnen sollen den Durchschnitt des KVs in ihrem Bereich verdienen.
- Kämpferischer Kurs statt Sozialpartnerschaft: Die Gewerkschaftspolitik muss sich an den Mitglieder- und nicht an Wirtschaftsinteressen orientieren.
65% der Anwesenden stimmten für den Antrag, 22% dagegen, 13% enthielten sich (mehrheitlich weil sie gegen die Forderung nach Durchschnittslohn waren - nicht gegen einen kämpferischeren Kurs).
Wolfang Katzian, Vorsitzender der GPA, kam um abschließende Worte zu finden. Er hatte sich das wahrscheinlich leichter vorgestellt. Nicht nur, dass er einen ausländischen Kollegen scharf anging, weil dieser seinen Namen nicht richtig aussprach, er reagierte insgesamt recht patzig. Eine Reihe von TeilnehmerInnen meinte es wäre gut, wenn die gesamten Vorschläge der Regionalkonferenz veröffentlicht würden - vorgesehen ist nur eine Zusammenfassung (und wer Zusammenfasst trifft natürlich eine Vorauswahl und damit auch eine politische "Säuberung"). Technisch wäre das auf der ÖGB-Homepage wohl kein Problem. Unterstützng für diesen Vorschlag kam von Katzian keine.
Die TeilnehmerInnen verliesen diese Regionalkonferenz mit einem lachenden und einem weinenden Auge: die geringe TeilnehmerInnenzahl zeigt, das sich viele Gewerkschaftsmitglieder gar nicht erwarten, Einfluss nehmen zu können. Das "Design" der Veranstaltung hat diese Befüchtungen rundum bestätigt. Es hat sich aber auch gezeigt, dass GewerkschaftsaktivistInnen nicht mehr einfach über sich drüber fahren lassen. Es waren junge und ältere Gewerkschaftsmitglieder gemeinsam aus verschiedenen Fachgewerkschaften, die gegen den Willen der GewerkschaftsfunktionärInnen ihre Ideen eingebracht haben. Das ist die Zukunft der Gewerkschaft, wenn sie wieder zu einer Kampforganisation werden soll.