Drohende Wirtschaftskrise, vermeintliche Entlastungspakete, die weitere Kürzungen bringen werden und eine Gewerkschaft, die jammert, aber bestenfalls ratlos ist. Mit dieser Kombination steuern wir auf einen interessanten Herbst zu, der eigentlich umfassende Proteste braucht.
Vorwärts 304 - Juli/August 2022
Artikel in dieser Ausgabe:
Seit Ende März 1945 tobt die militärisch sinnlose Schlacht um Wien. Getrieben durch den SS-Terror wird alles gegen die Rote Armee geworfen. Das ändert an der Kriegsniederlage nichts, verschafft aber Bonzen und Kriegsgewinnler*innen aus Wirtschaft und Politik Zeit, um sich und ihr Vermögen in Sicherheit zu bringen.
Seit Anfang Mai 2022 (bei Redaktionsschluss noch andauernd) streiken 2.000 Beschäftigte der Unikliniken in Nordrhein-Westfalen (NRW) für einen Tarifvertrag - Entlastung (TVE). Dieser soll eine Verbesserung von Arbeitsbedingungen und Qualität der Pflege ermöglichen. Die Streikstimmung ist kämpferisch, die Medien aber berichten kaum über das Geschehen und von oben kommen Einschüchterungsversuche. Der Grund für die Streiks im Pflegebereich ist nicht die Coronapandemie, sondern der Normalzustand vor Covid, der durch die Pandemie verstärkt wurde.
Die Nachricht ging um die Welt: Das Urteil Roe v. Wade, welches die Grundlage für das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche in den USA bildet, wurde am 24. Juni gekippt. Real wird dadurch die Entscheidung über den legalen Rahmen von Schwangerschaftsabbrüchen den jeweiligen Bundesstaaten überlassen. In vielen Fällen wurden automatisch drakonische Gesetze geltend, die den Abbruch einer Schwangerschaft teilweise härter bestrafen als z.B. eine Vergewaltigung, welche zu der Schwangerschaft geführt hat.
Der Grund, warum die Übergangsmethode stets danach ausgerichtet sein muss, die Arbeiter*innenklasse zu mobilisieren, zu aktivieren und zu organisieren ist die Analyse, dass der Kapitalismus nicht zum Besseren reformiert werden kann. Heute besitzen 252 Männer mehr Reichtum als alle Frauen und Mädchen in Afrika, Lateinamerika und der Karibik gemeinsam. Der Kapitalismus basiert darauf, dass eine Minderheit die Mittel besitzt, um andere für sich arbeiten zu lassen und daraus Profit zu ziehen.
1938 verallgemeinerte der russische Revolutionär Leo Trotzki die Traditionen von Marx, Engels, Lenin und Luxemburg. Der Text “Das Übergangsprogramm” beginnt mit der Feststellung, dass es einen Gap zwischen der objektiven Reife für den Sozialismus und dem aktuellen Bewusstsein gibt. Und dass die Krise der Arbeiter*innenklasse auf die Krise ihrer Führung zurückzuführen ist. In Deutschland und Österreich wurden die revolutionären Aufstände nach dem 1. Weltkrieg von der Führung der Sozialdemokratie verraten. Das verschaffte dem geschwächten Kapitalismus die notwendige Verschnaufpause.
In den letzten Jahren ist die Krise des Kapitalismus eskaliert - die Mehrheit hat sie zu spüren bekommen, angefangen bei alltäglichem Sexismus, Gewalt und Rassismus bis zu einer noch nie dagewesenen Pandemie, der Klimakatastrophe, einem sich anbahnenden imperialistischen Krieg und der Wirtschaftskrise. Eine Umfrage aus 2021 (USA) ergab, dass 54 % der Jugendlichen eine negative Einstellung zum Kapitalismus haben. In Britannien sagten 67 % der Jugendlichen, dass sie gerne in einem sozialistischen System leben würden und 72% befürworten die Verstaatlichung von Schlüsselsektoren.
Das AKW Zwentendorf steht symbolisch für Österreichs Auseinandersetzung mit der Nutzung von Atomkraft. Im November 1969 wurde der Bau durch die Regierung Klaus II genehmigt, im Dezember 1978 nach einer Volksabstimmung das Atomsperrgesetz erlassen und 1999 in die Verfassung aufgenommen. Unter dem Vorwand, eine Lösung für die Klimakrise darzustellen, versuchen die Kapitalist*innen, die Atomkraft wieder salonfähig zu machen. Die unsichere Versorgung mit fossilen Energieträgern, verstärkt durch den russischen Angriff auf die Ukraine, wird ebenfalls als Argument genutzt.
Die Unternehmen suchen händeringend nach Arbeitskräften. Viele sind nicht mehr bereit, jeden noch so lausigen Job anzunehmen und sich alles gefallen zu lassen. Studien zeigen, dass Menschen kürzer arbeiten wollen. Die “work-life-balance” muss stimmen. So neu ist die Sache allerdings nicht. Kürzere Arbeitszeiten sind eine Forderung der Arbeiter*innenbewegung seit ihren Anfängen. 40 Wochenstunden sind nicht die “natürliche” Arbeitszeit, von der man nun plötzlich abgeht.