Do 21.03.2019
Die Amtszeit von Pedro Sánchez ist vorbei. Die vor acht Monaten gebildete Regierung wurde durch die Ablehnung des Haushaltsvorschlags zu Fall gebracht. Die vorzeitigen Neuwahlen zeigen die völlige Instabilität, die das nach dem Ende der Franco-Diktatur etablierte Regime von 1978 zerfrisst. Das zeigt sich in der Massenbewegung in Katalonien, dem Vormarsch der extremen Rechten und den verschiedenen sozialen Bewegungen, die ihre Wurzeln in der Verarmung der Bevölkerung und der wachsenden Ungleichheit haben.
Das schwache Glied des Kapitalismus
Die Krise des spanischen Kapitalismus ist die materielle Grundlage, die alle diese politischen Entwicklungen erklärt. Derzeit zeigen die Zahlen eine schnelle Verlangsamung des Wirtschaftswachstums nach Jahren der sozialen Katastrophe. Mehr als neun Millionen Beschäftigte verdienen weniger als 800 Euro im Monat, neunzig Prozent der in diesem Jahr unterzeichneten Verträge sind befristet und mehr als 3,5 Millionen Menschen sind arbeitslos. Die Situation ist für die Mehrheit zum Verzweifeln. Unter diesen Bedingungen ist es nicht möglich, politische Stabilität zu erwarten.
Die brutale Offensive gegen die Rechte der Arbeiter*innenklasse, der Abbau des Sozialstaates, die Kürzungen im Bildungs- und Gesundheitswesen und die komplette Perspektivlosigkeit für junge Menschen haben eine explosive Situation geschaffen.
Aus dieser drastischen Veränderung der objektiven Lage nach der großen Krise des Jahres 2008 ist eine seit den siebziger Jahren beispiellose soziale Revolte hervorgegangen: Generalstreiks, Massenbewegungen wie die Grüne und Weiße Welle, die Märsche für die Würde, Gamonal (ein berühmter siegreicher Kampf in der Stadt Burgos gegen kriminelle Spekulationen), die großen Streiks an Schulen und Unis, die Massenmobilisierungen für Selbstbestimmung in Katalonien, sowie der bemerkenswerte Generalstreik am Frauentag vom 8. März 2018 und die großen Demonstrationen von Rentner*innen.
Die Eskalation des Klassenkampfes und die Linksverschiebung größerer Teile von Arbeiter*innen, Jugendlichen und der verarmten Mittelschicht erklärt eine Reihe von wichtigen Entwicklungen: die Entstehung von Podemos, die Probleme bei der Regierungsbildung 2015, die Neuwahlen 2016 und die Entwicklungen an der Spitze der PSOE. Hier wurde Pedro Sánchez erst von der Parteispitze entfernt, um eine Regierungsbildung möglich zu machen, bevor er durch den Druck der Mitgliedschaft wieder als Generalsekretär eingesetzt werden musste.
Jetzt hat die Situation eine neue Wendung genommen. Pedro Sánchez ist unter den Massen nicht so diskreditiert wie seine Vorgänger. Außerdem haben die Angriffe, die er in den letzten Wochen von der Rechten erhalten hat – die ihn als Kopf einer heutigen Volksfront (für seine Pakte mit Podemos) bezeichneten – ihm mehr Glaubwürdigkeit in Schichten der Arbeiter*innenklasse verschafft, als er verdient hat.
Die Neuwahlen im April werden weitere politische Polarisierung bedeuten. Das Dilemma ist offensichtlich: Entweder eine Regierung des reaktionären Blocks von PP, CS und Vox oder eine mögliche Koalition zwischen PSOE und Podemos mit der parlamentarischen Unterstützung des katalanischen und baskischen Nationalismus.
Für eine kämpfende Linke
Die PSOE hat entscheidend zur Demobilisierung der Wähler*innenbasis der Linken beigetragen, mit ihrer Politik der Fortsetzung von Kürzungspolitk, unerfüllten Versprechungen und Akzeptanz der kapitalistischen Logik. Aber ähnliches gilt auch für die Führung von Podemos mit ihrem Wunsch, um jeden Preis in die Regierung zu gehen, mit der Vernachlässigung von Systemkritik und sozialen Bewegungen und der Nachahmung der Sozialdemokratie. Aber die Ereignisse in Andalusien und der Aufstieg der nationalistischen Vox haben einen enormen Einfluss auf das Bewusstsein von Millionen von Arbeiter*innen und jungen Menschen im ganzen Staat gehabt. Angetrieben durch ihren Klasseninstinkt stellen sich jetzt viele Arbeiter*innen die Frage: „Können wir den Rechten erlauben, sich zu erheben und zu triumphieren?“.
Die Antwort auf diese Frage wird ein Wahlkampf in einem sehr instabilen und sich verändernden Umfeld liefern. Am 10. Februar sind PP, CS und Vox in ihrer „patriotischen spanischen“ Mobilisierung darin gescheitert, ihre soziale Basis auf die Straße zu bringen. Die große Demonstration für das Recht auf Selbstbestimmung am 16. Februar, in Barcelona mit mehr als einer halben Million Teilnehmer*innen, die gewaltigen Proteste für die öffentliche Gesundheit in Galicien und Teruel, die zahlreichen Demonstrationen von Rentner*innen, der große Taxistreik in Madrid oder ein neuer historischer Streiktag am 8. März werden zeigen, dass die Rechte besiegt werden kann.
Wir von Izquierda Revolucionaria werden mit aller Kraft zu ihrer Niederlage beitragen. Aber wir werden dabei Pedro Sánchez oder der PSOE keinen Blankoscheck ausstellen, sondern betonen, dass Wahlen nicht ausreichen. Wir müssen die Rechte an den Wahlurnen besiegen, ja, aber um die Politik der Rechten zurückzuschlagen und die parlamentarische Linke zu zwingen, eine Politik zu betreiben, die den Interessen der Arbeiter*innen und Unterdrückten dient, müssen wir die Mobilisierung auf den Straßen fortsetzen und eine kämpferische Linke aufbauen, die starke Wurzeln in der Arbeiter*innenbewegung und in den Gewerkschaften, unter Jugendlichen und Studierenden und in sozialen Bewegungen hat und ein Programm zum Bruch mit dem Kapitalismus, für das Recht auf Selbstbestimmung und eine sozialistische Republik vorlegt.