Mo 01.03.1999
Neuer Film, mehr oder weniger neues Thema: in seiner letzten Kreation versucht sich Ken Loach in der sozialkritischen Tragikomödie. „My Name is Joe“ ist eine Geschichte von Armut, Kriminalität, Freundschaft und nicht zuletzt Liebe. Und vom Kapitalismus.
Es ist sein zweiter Versuch, vom Alkohol loszukommen. Sein zweiter Versuch, das Leben in einem armen Viertel von Glasgow in Schottland eigenständig zu meistern. Über Wasser kann er sich kaum und nur mit Gelegenheitsjobs halten. Was ihn anscheinend am Leben hält, das sind „seine Kinder“: die von ihm betreute und wohl schlechteste Fußballmannschaft der Stadt.
Eines Tages lernt er eine Sozialarbeiterin namens Sarah kennen. Die beiden verlieben sich, beginnen eine Beziehung, trennen sich ungefähr dreimal in neunzig Minuten und finden wieder zueinander zurück. Dazwischen stehen eine ganze Reihe von Gewissensentscheidungen.
Die sozialkritische Facette des Films kommt am deutlichsten im Schicksal von Liam, einem der Spieler in Joes Team, zum Ausdruck. Verheiratet und Vater, hat er nicht nur damit zu kämpfen, von der Nadel loszukommen, sondern auch noch mit einer Gang, bei der er aus seinen Drogentagen noch beträchtliche Schulden hat. Schließlich verfällt seine Frau wieder der Sucht, was die Schulden noch mehr in die Höhe treibt und Liam selbst in eine unangenehme Situation bringt: zahlen oder gebrochene Beine. Wissend, daß er seine Beziehung zu Sarah aufs Spiel setzt, hilft Joe, indem er für die Gang Botendienste leistet. Das Ende sei offengelassen – schön ist es trotzdem nicht.
Wut und Ohnmacht in Situationen ernsthafter Existenzbedrohung, der ständige Kampf mit sich selbst und seiner Umwelt, manchmal ums nackte Überleben: Loach präsentiert mehr als soziale (und systembedingte) Widersprüche. Er bringt sie auf eine persönliche Ebene. Daß darunter die (offensichtliche) Systemkritik ein wenig leidet, liegt auf der Hand. Was man zu sehen bekommt, ist die Geschichte einer - sozial geteilten Stadt.
In zwei Stadtteilen von Glasgow mit mehr als nur unterschiedlichen Postleitzahlen gab es Untersuchungen über die Auswirkungen von Schwerstarbeit. In dem einen lag die Lebenserwartung um zehn Jahre höher als im anderen.
„Wenn du da unten bist, ist die Wahl krass: entweder fünfzig Pfund die Woche oder Geld durch Drogen. Über diese einfache Tatsache spricht der Film“, meint der Drehbuchautor, Paul Laverty. Und darüber, daß es von der Position einer privilegierten Postleitzahl aus leicht ist, die Entscheidungen anderer zu kritisieren. Und noch einen Aspekt nennt Laverty: „Sarah ist die Starke in der Beziehung. Das ist typisch für die Gegend. In Nachbarschaftskomitees, Mieterinitiativen usw. sind es die Frauen, die organisieren“.