Mi 28.03.2018
Beim Thema Kopftuch und dessen Verbot gibt es manchmal eine sonderbare Parallele zwischen Rechten und Feministinnen. Wenn FPÖ und andere Rechte Kopftuchverbote mit „Freiheit“ verbinden, ist das der Gipfel der Scheinheiligkeit. Ihnen geht es um Rassismus und Kulturkampf. Eine völlig entgegengesetzte, zu begrüßende Motivation haben jene, die aus feministischen Gründen ein Kopftuchverbot befürworten, weil sie darin einen Schritt zur Befreiung religiös bevormundeter oder unterdrückter Frauen erhoffen.
Doch beim seit Oktober 2017 geltenden „Burka-Verbot“ wie beim angedachten „Kopftuch-Verbot“ geht es keineswegs um irgendeine „Befreiung“ von Frauen, sondern um das Gegenteil. Es geht um Bevormundung und Repression gegen eine bereits benachteiligte Gruppe, in diesem Fall muslimische Frauen. Ein Verbot gibt Frauen nicht mehr Rechte, sondern bestraft sie dafür, Opfer einer patriarchalen Gesellschaft zu sein.
Wobei die oft in der Debatte vorgenommene Gleichsetzung von Kopftuch, Burka, Nihab etc. problematisch ist. Auch werden hier religiöse und kulturelle Wurzeln von Bekleidungen vermischt. Gerade vor dem Hintergrund einer rassistischen Regierung, die MigrantInnen ihre kulturellen Wurzeln verbieten will, wird für viele migrantische Frauen das Kopftuch mehr zu einem kulturellen, teilweise sogar widerständischen, als zu einem religiösen Symbol.
Bekleidungsvorschriften, wie sie ein Kopftuchverbot darstellen, können kein echter Befreiungsschritt sein. Befreiung erfolgt durch die Stärkung eines Menschen und seiner Rechte und nicht durch Bestrafung und Bevormundung. Tatsächlich wird durch ein Verbot die Situation von Frauen verschlimmert. Es hilft keiner Frau aus religiöser Unterdrückung, sondern verschärft die Situation der Frauen. Sie haben im schlimmsten Fall überhaupt keine Möglichkeit mehr, auf die Straße zu gehen.
Die Unterdrückung wird verschärft, indem Frauen – auf welche Art auch immer – vorgeschrieben wird, was sie zu tun oder zu lassen haben. Wenn Frauen ein Kleidungsstück verboten wird, ist das kein Schritt zur Befreiung aus dem Zwang, ein solches zu tragen. Wer wirklich Frauenbefreiung will, muss gegen beides auftreten: Gegen Zwang zur Kopfbedeckung in Solidarität mit den Frauen, die demonstrativ das Kopftuch ablegen und auf Stöcken vor sich hertragen wie im Iran ebenso wie gegen rassistisch motivierte Repression in Österreich. Gegen ein islamistisches Regime ebenso wie gegen eine scheinheilige rechte Regierung, die ihrem (stark antimuslimisch geprägten) Rassismus ein „Befreiungs“mäntelchen umhängt. Frauen in Österreich, die ein Kopftuch tragen wollen, sind deshalb auch solidarisch mit Frauen im Iran, die aktuell gegen Kopftuchzwang kämpfen. Religiöse Bevormundung gibt es auch in Österreich, aber die lässt sich nicht durch Beschneidung der Religionsfreiheit verhindern. Unterdrückung jeder Form kann nur beseitigt werden, wenn die Unterdrückten mehr Freiheit bekommen. Religionsfreiheit ist deshalb auch von denen zu verteidigen, die gegen religiöse Unterdrückung kämpfen. Das ist kein Widerspruch. Ein Widerspruch ist es, Unterdrückte befreien zu wollen, indem man deren Rechte beschneidet. Die Regierung behauptete, mit dem Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz „Integration“ erreichen zu wollen. Integration scheitert an sozialen Missständen, niedrigen Löhnen, Arbeitslosigkeit, Rassismus, Hetze, miesen Bildungsmöglichkeiten, miserablen Wohnverhältnissen, 2-Klassen-Medizin und nicht an Kleidungsstücken. SozialistInnen kämpfen gegen die ökonomisch bedingten Klassenverhältnisse und stehen deshalb an der Seite derer unten im Kampf gegen die oben. Deshalb unterstützen wir alle Frauen dabei, sich aus religiösen Zwängen zu befreien genauso, wie wir rassistische Repression und Angriffe auf die Religionsfreiheit bekämpfen. Es geht um oben und unten. Deshalb ist Dreh- und Angelpunkt des Kampfes gegen Frauenunterdrückung die soziale Frage. Befreiung aus religiöser Bevormundung und Unterdrückung ist nur mit gemeinsamem Kampf für gleiche soziale und demokratische Rechte, das heißt höhere Löhne, leistbare Wohnungen, Selbstbestimmung und politische Rechte für alle, erreichbar. Dazu gehört das Recht aller Menschen, ihre Religion auszuüben, ohne Diskriminierung – inkl. des Rechts, das Kopftuch zu tragen. Wir stehen für eine wirkliche und völlige Trennung von Religion (egal welcher) und Staat – also keine finanzielle Unterstützung, kein Religionsunterricht, keine religiösen Symbole in öffentlichen Gebäuden. Eine gemeinsame Schule aller 6-19jährigen inklusive Berufsausbildung ist die beste Integration und die beste Grundlage gegen religiösen Fundamentalismus. Die rechtliche Gleichstellung aller in Österreich lebenden Menschen inklusive der Möglichkeit für Doppelstaatsbürgerschaft, kostenlose Kinderbetreuung und freier Zugang zum Arbeitsmarkt – das sind die besten Mittel, um Frauen bei Schritten in Richtung Unabhängigkeit zu unterstützen.