Sa 01.05.1999
Nach einem Monat NATO-Angriffskrieg sind die Illusionen vieler Menschen, die anfangs glaubten, die NATO würde Jugoslawien tatsächlich aus humanitären Intentionen bombardieren, weitgehend verflogen. Entgegen der Kampagne in den Medien, die die Aggression großteils rechtfertigt, sprechen die Fakten eine andere Sprache: Hier wird ein ganzes Land systematisch niedergebombt. Es kann keine Rede davon sein, daß die „Intervention“ erfolgt, um zu verhindern, daß die jugoslawische Armee die Kosovoalbaner systematisch vertreibt. Was haben Fabriken in Montenegro damit zu tun? Zerstört werden Fabriken, Krankenhäuser, Brücken, Bahnhöfe, Schulen, Fernsehsender ...Die in Schutt und Asche gelegte Infrastruktur Jugoslawiens dient nicht der Armee, sondern ist für solche Dinge wie die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln notwendig.
Als die NATO einen Flüchtlingskonvoi traf und den Tod Dutzender verursachte, dauerte es 24 Stunden bis sie dieses Verbrechen zugab. Die Verantwortlichen werden allerdings vor kein Gericht gestellt: Dem Piloten der die Bomben warf gibt die NATO vollen Schutz und verschweigt sogar seine Identität! Konsequenzen gibt es keine: „Wir ändern unsere Strategie nicht“ erklärt die NATO.
USA/NATO unterstützen Völkermord
Dieser NATO-Krieg ohne Kriegserklärung markiert eine neue Stufe in der Entwicklung seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Vertreibungspolitik des Milosevic-Regimes gegenüber den AlbanerInnen ist im Gegensatz dazu „kein Unikat“. Das NATO-Mitglied Türkei hat über 3.000 kurdische Dörfer zerstört - 2 Millionen KurdInnen sind dort geflohen. Ankara wird nicht bombardiert - aber die kurdische PKK als „Terrororganisation“ brutal mit Hilfe des Westens bekämpft und verfolgt. Die Waffen liefern Deutschland und die USA. Die türkische Armee operiert permanent im Nordirak - und verletzt damit ständig die Souverenität eines Staates. Aber Verbündeten der USA wird das von den neuen Schiedsrichtern nicht nur verziehen - es wird auch offen unterstützt. Das Beispiel soll zeigen: Es geht hier nicht um Menschen(rechte), sondern um Interessen. Und diese bestimmen, welches Land Minderheiten unterdrücken, vertreiben und gleichschalten darf und welches nicht.
Den Befehlen Washingtons gehorchen?
Bill Clintons außenpolitischer Berater meint dazu offen: „Überall auf der Welt gibt es schlimme Blutbäder, in die wir uns nicht einmischen.“ Das jugoslawische Regime ist kein Verbündeter der USA beziehungsweise der NATO und macht auch keine Anstalten, einer zu werden. Deswegen wird an ihm ein Exempel statuiert. Die NATO will die angestrebte Unterzeichnung des Vertages von Rambouillet nun militärisch erzwingen und damit feststellen, daß es künftig gescheiter ist, von vornherein den Befehlen Washingtons bzw. Brüssels zu gehorchen. Die Arroganz seitens der NATO zeigt sich in ihren Vorstellungen über die neue Weltordnung. Der Vertragsinhalt war gelinde gesagt für jeden Staat unannehmbar. Er stellte de facto eine Kapitulationserklärung vor dem Krieg dar. Vertragsinhalte sahen vor, daß die NATO beziehungseise ihr angehörende Personen Immunität vor allen Verfahren „hinsichtlich sämtlicher zivil-, verwaltungs-, straf-, oder disziplinarrechtlicher Vergehen hat“, die NATO sollte sich mit Personal und Ausrüstung im gesamten (!) Bundesgebiet „frei und ungehindert“ bewegen können. Eingeschlossen: das Recht auf Durchführung von Manö-vern! Die NATO sei von den Be-hörden mit Priorität zu behandeln, weiters dürfen der NATO „ keine Kosten berechnet werden für Start, Landung oder Flugraumnavigation von Flugzeugen“. Selbstverständlich seien auch keine Gebühren für die Verwendung von Häfen erlaubt.
Bei der Durchsetzung derartiger Frechheiten nimmt die NATO auch keine Rücksicht auf die UNO mehr. Gibt sie ihr Einverständnis zu Kampfeinsätzen, dann haben die Militärs ihre völkerrechtliche Legitimation, aber angewiesen sind sie darauf nicht. Die Lektion ist klar: Wir nehmen auf unsere Interessen Rücksicht und nicht auf Abstimmungen im Sicherheitsrat, also auf Rußland oder etwa China.
Die Zivilbevölkerung bezahlt den Preis
Das durch Krieg und Vertreibungen hervorgerufene Elend soll nun durch Spenden gelindert werden. In den Medien wird wieder stark für die Aktion „Nachbar in Not„ geworben. Das hat seinen Effekt nicht verfehlt: die Österreicher spendeten 200 Millionen Schilling. Mit den Steuern wird also der Krieg finanziert - auch Österreich leistet seinen Beitrag zum Beispiel durch die Arbeit der militärischen Geheimdienste für die NATO.
Der Vergleich mit den von den westlichen Regierungen gebilligten Kosten des Krieges und der Verwüstungen wirkt zynisch: Die Kosten der Luftangriffe belaufen sich Ende April auf 120 Milliarden. Schilling. Jeder Tag Krieg ist der NATO bis jetzt 3,5 Milliarden Schilling wert. Aber die Bomben sind billiger als Angriffsziele. Die Schäden in Jugoslawien haben die astronomische Summe von 1.300 Mrd. öS erreicht. Das österreichische BIP, der Wert all dessen, was in einem Jahr in Österreich produziert wird, beträgt cirka 1.600 Mrd. öS. Wenn man bedenkt, wie die Produktivität in Jugoslawien nach einem Jahrzehnt Krieg und Embargo liegt, kann man die Dimensionen des NATO-Wahnsinns erahnen.
Die Reaktion des Belgrader Regimes auf die Angriffe, den Kosovo mit enormer Brutalität in kürzester Zeit zu entvölkern, zeigt den Zustand der nationalistischen, ex-stalinistischen Apparatschiks: Tatsachen sollen geschaffen werden. Eine Verteidigung gegen die NATO findet de facto nicht statt. Die Armee wird gegen die Kosovaren und nicht gegen die NATO eingesetzt. Das stellt eine durch und durch reaktionäre Art der Kriegführung dar.
Nein zum Kriegsbündnis NATO!
Österreich darf zwar wegen der Neutralität an diesem völkerrechtswidrigen Aggressionskrieg nicht teilnehmen, trägt ihn aber politisch mit. Außenminister Schüssel findet den Krieg „unausweichlich, berechtigt und notwendig“. Klima spricht von der Einheit des Westens gegen Belgrad. Die SPÖ wollte den NATO-Beitritt für 5 Jahre außer Diskussion stellen, was die anderen Parteien nicht akzeptieren. Die Bevölkerung ist jetzt jedenfalls weniger denn je für eine Mitgliedschaft zu haben. Das Desaster, das sich durch diesen Krieg abzeichnet, zeigt Wirkung auf die (ver)öffentlich(t)e Meinung. Momentan hat die NATO aber gerade erst drei neue Mitglieder aufgenommen - schon befindet sich Neo-NATO-Mitglied Ungarn in einem schweren Dilemma. Die NATO bombardiert nämlich auch die Gebiete Jugoslawiens in der UngarInnen eine starke Minderheit oder die Mehrheit bilden. Die Autonomie für die Bevölkerungsgruppe - sie wurde von Belgrad gleichzeitig mit jener der AlbanerInnen aberkannt - ist übrigens für die NATO kein Thema. Ebensowenig wie die Vertreibung von bis zu einer Million SerbInnen - vor allem aus Kroatien - während der Kriege am Balkan in den letzten Jahren.
NATO = Weltpolizist
Der Krieg, die neue NATO-Doktrin, die Einsätze „out of area“ - also weltweit - vorsieht, und die nukleare Erstschlagdoktrin zeigen, daß es sich bei der NATO-neu nicht um ein Friedensinstrument und eine Verteidigungsunion handelt, sondern um den Weltgendarmen, der aufpaßt, daß die Ordnung, die im Interesse der reichen Staaten der USA und Westeuropas liegt, eingehalten wird.