Di 09.05.2017
Vor 100 Jahre Jahren: Eine Revolution, die die Welt erschütterte
Die Russische Revolution von 1917 unter der Führung der Bolschewiki war ein leuchtendes Beispiel für die ganze Welt. Das schwächste Glied in der Kette des Weltkapitalismus brach auseinander. In den Vereinigten Staaten beeindruckte die Idee, dass die Arbeiterklasse, die verarmten Schichten und die am stärksten Unterdrückten ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und der Tyrannei, der Gewalt und dem Privateigentum der kapitalistischen Klasse ein Ende setzen. Die Russische Revolution und die Gründung der ersten demokratischen Arbeiterrepublik war eine Zäsur im politischen Denken, die starken Einfluss auf die karibische und afrikanische Diaspora hatte. Die führenden politischen und kulturellen VertreterInnen der historischen „Black Freedom“-Bewegung schauten auf die Revolution, um wertvolle Lehren für den eigenen Kampf zu ziehen und sich an den angewendeten Methoden zu orientieren.
Von Harlem nach Russland
Zu ihnen zählten auch bedeutende AktivistInnen wie A. Philip Randolph, schwarzes Mitglied der „Socialist Party“ und Gewerkschaftsführer, der zusammen mit Chandler Owens das in Harlem publizierte Magazin „The Messenger“ herausbrachte. Sie unterstützten die Revolution voll und ganz und wurden als „Lenin und Trotzki von Harlem“ bezeichnet.
Die Revolution beeinflusste das Denken und das politische Programm von Organisationen wie der „African Blood Brotherhood“ (ABB), die von Cyril Briggs gegründet worden ist, einem radikalen Denker und Verfechter der Rechte von Schwarzen, der aus der Karibik stammte. Die ABB war eine Organisation, die revolutionäre mit kommunistischen Ansätzen verband und dabei einen „schwarzen Nationalismus“ vertrat. Man knüpfte enge Verbindungen zur „Communist Party” (CP) und leistete einen bedeutenden Beitrag zur theoretischen Auseinandersetzung innerhalb der „Black Freedom“-Bewegung. Der Historiker Mark Solomon beschrieb es wie folgt: Die ABB von Briggs „wollte die Themen „schwarzer Patriotismus“, Antikapitalismus, Antikolonialismus miteinander in Einklang bringen und organisierte die Verteidigung gegen rassistische Übergriffe” (Solomon, The Cry Was Unity: Communists and African-Americans, 1917-1936).
Die Russische Revolution gab KünstlerInnen und politischen AktivistInnen eine neue ideologischen Grundlage, mit der sie nun der „National Association for the Advancement of Colored People“, die unter der Führung der reformistischen Mittelschicht stand, aber auch dem politischen Ansatz von Marcus Garvey und seiner pan-afrikanistischen „Universal Negro Improvement Association“ (UNIA) entgegentraten. Bei der UNIA handelte es sich zum damaligen Zeitpunkt um die größte Bewegung unter schwarzer Führung. Ein Beispiel ist der in Jamaika geborene Aktivist und Romanautor Claude McKay, von dem das berühmte Gedicht „If We Must Die“ stammt. Er nahm als Delegierter aus den USA am 4. Kongress der „Kommunistischen Internationale“ im Jahr 1922 teil und verbrachte über ein Jahr in Russland. Dort befand er sich im Austausch mit führenden Mitgliedern der „Komintern“, darunter auch Leo Trotzki.
Aus welchem Grund befassten sich die AktivistInnen der „Black Freedom“-Bewegung so stark mit der Russischen Revolution und dem Vorgehen der Bolschewiki? In unserer kürzlich erschienenen Broschüre „Marxism and the Fight for Black Freedom“ (vgl.: https://manifest-buecher.de/produkt/marxism-and-the-fight-for-black-free...) beantworten wir diese Frage folgendermaßen:
„Entscheidend für den Erfolg der Oktoberrevolution war die Position der Bolschewiki zur nationalen Frage. Dies gilt insbesondere aufgrund ihres energischen Eintretens für das Recht auf Selbstbestimmung aller Nationalitäten, die vom Zarenreich unterdrückt worden waren. Hinzu kam, dass die Bolschewiki sich jedem Anzeichen von groß-russischem Chauvinismus entgegenstellten. Das waren wesentliche Punkte, um im Verlauf der Revolution für die Einheit der Arbeiterklasse sorgen zu können.“
Mit dieser Herangehensweise richtete sich die Revolution auch an die radikalen Köpfe der anderen unterdrückten Völker in der Welt. Die Bolschewiki brachten die SozialistInnen in Amerika dazu, ihr bisheriges Verhältnis zur „race“ („Rasse“, auf deutsch würden wir heute von „Ethnie“ sprechen; Anm. d. Übers.) zu überdenken . In diesem Zusammenhang äußerte sich auch James Cannon, ein führender Vertreter des Marxismus in den USA. Er meinte: „Lenin und die Bolschewiki unterschieden sich von allen anderen in der internationalen sozialistischen und Arbeiterbewegung, weil sie die Probleme, denen sich die unterdrückten Nationen und nationalen Minderheiten gegenüber sahen, verstanden und ernst nahmen. Sie unterstützten ihre Kämpfen für Freiheit, Unabhängigkeit und das Recht auf Selbstbestimmung […] Die VertreterInnen Russlands in der Komintern wendeten sich mit energischen Forderungen an die amerikanischen KommunistInnen, diese sollten ihre unausgesprochenen Vorurteile ablegen, den besonderen Problemlagen und Entbehrungen der AfroamerikanerInnen Aufmerksamkeit schenken, sich ihnen widmen und sich auch unter der weißen Bevölkerung für ihre Belange einsetzen“ (On Black Nationalism and Self-Determination, Trotsky).
Die „Communist Party“ und die „Black Freedom“-Bewegung
Wenn es um den Aufbau einer Bewegung heute geht, ist die Rolle der frühen „Communist Party“ (CP, Kommunistische Partei) im Kampf für „Black Freedom“ für ArbeiterInnen, junge Leute und „People of Color“ äußerst aufschlussreich.
Es sollte bis in die 1930er Jahre dauern, bis die CP eine wirklich bedeutende Basis innerhalb der schwarzen Arbeiterklasse erreichen konnte. Die Arbeit der CP im Fall der „Scottsboro Boys“, in dem neun junge schwarze Männer gegen falsche Anschuldigungen verteidigt wurden (ihnen wurde die Vergewaltigung von zwei weißen Frauen in Alabama vorgeworfen) war wesentlich für den Aufbau ihrer Basis unter AfroamerikanerInnen.
Tragischerweise waren die Sowjetunion und die Komintern zu jenem Zeitpunkt vom Stalinismus dominiert, der dazu führte, dass alle nationalen Sektionen zum verlängerten Arm der Politik des Kreml wurden. Um die Herrschaft der Stalinisten zu sichern, wurde dem Klassenkampf eine untergeordnete Rolle zugewiesen. In den USA bestand die Rolle der CP in dieser Phase im Allgemeinen darin, als Hürde zu dienen, mit der es der Arbeiterklasse und den verarmten Schichten erschwert werden sollte, eine eigene Massenpartei zu formieren, die unabhängig von „Demokraten“ und „Republikanern“ sein würde. Die Folgen davon sind heute noch offensichtlich.
Doch trotz der umfassenden politischen Fehler, die auf das Konto der CP gehen, stellen ihre Bemühungen, die Tagesforderungen der schwarzen ArbeiterInnen aufzugreifen und sich zur Durchsetzung ethnischer Gleichberechtigung für den Aufbau des Klassenkampfs einzusetzen, immer noch ein beeindruckendes Beispiel dar.
Im Norden der USA befasste sich die Arbeit der CP in erster Linie damit, die Erwerbslosen zu organisieren, Zwangsräumungen abzuwehren, die Polizeigewalt zu beenden und darin, gewerkschaftliche Massenaktionen zu organisieren. In den Südstaaten beteiligte sich die CP an der Organisierung von Kampagnen in der Textil-, Stahl- und Verpackungsbranche. Ferner führte sie bedeutende Streiks an wie z.B. den Streik der TextilarbeiterInnen in Gastonia, North Carolina, im Jahr 1929 und den Bergarbeiterstreik in Harlan County, Kentucky, 1931. Die CP versuchte auch, eine Gewerkschaft für FarmpächterInnen zu organisieren.
Sie organisierten anti-rassistische Arbeit in den Gewerkschaften gegen „white supremacy“ (dt.: Ideologie von der Überlegenheit der „weißen Rasse“; Erg. d. Übers.) und Fanatismus. Das führte in den Südstaaten zu einem Mitgliederrückgang bei einigen weißen ArbeiterInnen. Dies war kurzfristig zwar unausweichlich. Beim Aufbau einer Massenpartei der ArbeiterInnen hat die CP aber eine korrekte Herangehensweise an den Tag gelegt. Auf diese Weise konnte sie einen großen Teil der weißen ArbeiterInnen in den Südstaaten für sich gewinnen. So wuchs die Mitgliedschaft der CP zu Hochzeiten auf 100.000 an. Vor allem im Norden hatte die Partei eine beträchtliche Basis unter schwarzen ArbeiterInnen.
Das Vermächtnis der bolschewistischen Russischen Revolution und die Arbeit der „Communist Party“ unter schwarzen ArbeiterInnen und jungen Leuten in den 1930er Jahren und vor allem im Zusammenhang mit dem Fall der „Scottsboro boys“ half, die Saat zu sähen, die zum Entstehen der „Black Freedom“-Bewegung in den Südstaaten der 1950er, ‘60er und ‘70er Jahre führte. Trotz aller Fehler, die die CP begangen hat, zeigte dies auch, was eine sozialistische Organisation mit einem antirassistischen Programm und Wurzeln in der Arbeiterklasse erreichen kann.