Mo 01.11.1999
Vom 22.-25. Oktober hielt die Socialist Party, die irische Schwesterorganisation der SOV, in Athlone in der Mitte der Insel, ihre Konferenz ab. Diese stand ganz im Zeichen des grössten Streiks des Krankenpflegepersonals seit der Gründung der Republik - 27.500 sind am 19. Oktober nur unter Aufrechterhaltung eines Notdienstes in den Ausstand getreten. Weiters auf der Tagesordnung: die wirtschaftlichen und sozialen Perspektiven für die Republik Irland, der "Friedensprozess" in Nord-Irland, sowie Gewerkschafts- und Jugendarbeit.
Irland rangiert bei den Ausgaben für das Gesundheitswesen am unteren Ende der EU-Länder. Das Krankenpflegepersonal ist gut geschult - allerdings auf eigene Kosten - dafür aber unterbezahlt. Seit über 5 Jahren versucht die INO, ein Zusammenschluss von 4 Gewerkschaften, erfolglos höhere Löhne durchzusetzen. Für die meisten KrankenpflegerInnen ist das ihr erster Streik. Die INO, die eigentlich nicht als Gewerkschaft konzipiert war, hat nicht einmal einen Streikfond. Der Streik zeigt die dunklen Seiten des "keltischen Tigers" auf. Irland hat zwar einen jahrelangen starken Wirtschaftsaufschwung hinter sich, die ArbeitnehmerInnen haben davon allerdings nicht profitiert. Nicht umsonst führt die Socialist Party die Kampagne "name and shame" durch. Betriebe, die miese Löhne bezahlen (ats 70.- oder weniger bei Preisen, die über dem oesterreichischen Niveau liegen) werden "geoutet". Vor allem in Belfast haben bereits eine Reihe von Betrieben die Löhne auf diesen Druck hin erhöht. Die Basis des Booms ist äußerst wackelig: Große Abhängigkeit von ausländischen Investoren (die angesichts der wachsenden politischen Instabilität in Gefahr sind) und Exporten (die Zuwachsraten verlangsamen sich deutlich), niedrige Löhne und damit eine Inlandsnachfrage, die auf Krediten beruht, sowie eine Weltwirtschaft, die seit zwei Jahren am Rand einer Krise entlangbalanciert. Eine gefährliche Mischung.
Establishment in der Krise
Eine Abschwächung des Wirtschaftsaufschwungs wird die ohnehin ständig wachsende politische Krise noch vertiefen. Ein Skandal jagt den anderen - zwei grosse Steuerhinterziehungsfälle, in die über 100 Politiker und Unternehmer verwickelt sind, gefolgt von einem Abgeordneten der Regierungspartei Fianna Fail, dessen Schulden (mehr als fuenf Millionen Schilling) von der Bank einfach gestrichen wurden, um die Regierung zu stützen. Wäre er bankrott gegangen, hätte er zurücktreten müssen - und die Regierung hätte ihre Mehrheit im Parlament verloren. Das Vertrauen in Regierung und Staat nähert sich dem Nullpunkt. Auch das irische Modell der "Sozialpartnerschaft" (Partnership 2000) ist in der Krise: Die zunehmende Anzahl von Streiks macht das Unbehagen der ArbeitnehmerInnen deutlich.
Nord-Irland
Nach Jahrzehnten der bewaffneten Auseinandersetzungen wird nun seit dem Karfreitagsabkommen zwischen den verschiedenen Gruppen - dem britischen Staat, den Unionisten, den Republikanern - verhandelt. In den letzten Monaten sind die Spannungen zwischen Katholiken und Protestanten systematisch geschürt worden. Deutlich ist aber auch, dass v.a. die ArbeitnehmerInnen nicht wieder zurück wollen zu jenen Jahren der Kämpfe. Hier liegt letztlich auch der Schlüssel für eine dauerhafte Lösung. Die Alternative: Zustände wie in Bosnien oder im Kosovo. Aber auch jedes absehbare Verhandlungsergebnis wird höchstens die Bedürfnisse von Teilen der Bevölkerung befriedigen. Eine Kraft steht für den gemeinsamen Kampf aller ArbeitnehmerInnen: Die Socialist Party (SP).
Die SP ist in den letzten Jahren v.a. durch ihre Arbeit gegen Wassergebürhren, Niedrigstlöhne, für das Recht auf Abtreibung und gegen die Sozialpartnerschaft aufgefallen. Dass sie von vielen ArbeitnehmerInnen als ihre Partei gesehen wird, zeigt sich nicht nur darin, dass SP-Mitglied Joe Higgins ins irische Parlament gewählt wurde, sondern auch am Aufschwung der gesamten SP, der auf ihrem Kongreß deutlichen Ausdruck fand!