Mi 01.12.1999
Der Begriff des Feminismus geht auf Charles Fourier, einem der utopischen Sozialisten, der das Geschlechterverhältnis in der bürgerlichen Gesellschaft im 19. Jahrhundert kritisierte zurück. Er bezeichnete auch den „Grad der Emanzipation der Frauen in der Gesellschaft” als „natürliches Maß der allgemeinen Emanzipation in der gegebenen Gesellschaft”. An der Wende zum 21. Jahrhundert stellt sich diese Frage im Rückblick auf das 20. Jahrhundert in Österreich wieder.
Wurzeln der Frauenbewegung
Die „Frauenfrage” hat eine lange Tradition und geht zurück auf die historische Frauenbewegung des 19. Jahrhunderts, die im Rahmen ihrer Zeit etwas revolutionär Neues war. Frauen machten zum ersten Mal ihre Probleme zum Inhalt politischer Aktivität. Damit wurde erstmals die Frauenfrage nicht als privates oder bestenfalls soziales Problem behandelt, sondern unter dem Gesichtspunkt eines politischen Interessenskonfliktes. Im Lauf der Geschichte haben sich die Inhalte der Frauenbewegung wesentlich verändert. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts stand der Kampf um die rechtliche Gleichstellung im Vordergrund. Gefordert wurden das Recht auf Bildung und Beruf und gleiche politische Rechte. Politische Aktivität war für Frauen in dieser Zeit mit zahlreichen Erschwernissen verbunden. Neben geringer Bildung und harten Arbeitsbedingungen mußten politisch aktive Frauen mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen. Denn das bis 1911 in Kraft befindliche Vereinsgesetz untersagte Frauen, Ausländern und Minderjährigen jede Form der politischen Betätigung.
Auch innerhalb der ArbeiterInnenbewegung mußten sich Frauen ihre Stellung erst erkämpfen. Die Frauen in den Kampf mit einzubeziehen war lange Zeit keine Selbstverständlichkeit. Beim Linzer Parteitag der Sozialdemokratie 1898 wurde den Arbeiterfrauen noch jede eigenständige politische Handlung abgesprochen. „Frauen haben die Aufgabe, durch Bewältigung der Alltagssorgen den Genossen die Ausführung ihrer öffentlichen politischen Aufgaben zu erleichtern” heißt es da. Die Partei spricht sich vehement gegen Ortsgruppengründungen und die Aufnahme nichtorganisierter Hausfrauen und Heimarbeiterinnen aus. Die Gründung vom „Verein sozialdemokratischer Frauen und Mädchen” erfolgte 1902 gegen den Widerstand der eigenen Partei. Innerhalb der proletarischen Frauenbewegung betonte besonders Clara Zetkin die Wichtigkeit der Forderungen der Frauen innerhalb des Klassenkampfes. Sie stellte einen grundsätzlichen Zusammenhang zwischen der Emanzipation der Frau und der der Arbeit vom Kapital her.
Die Gesellschaftsordnung des 19. Jahrhunderts ging von Ungleichheit zwischen Männern und Frauen aus. Diese Ungleichheit galt als gewollt und naturrechtlich abgesichert. In der heutigen Gesellschaft sind dagegen Gleichheit und Gleichberechtigung von Männern und Frauen formalrechtlich durchgesetzt. Dinge wie Erwerbstätigkeit und Bildung, um die die historische Frauenbewegung ringen mußte, sind Selbstverständlichkeit geworden. Trotzdem ist die Benachteiligung der Frauen nach wie vor festgeschrieben. Durch die Rechtsgleichheit wird die Verteilungsungleichheit verdeckt. Frauen wird damit suggeriert, daß sie alle Möglichkeiten offen haben – die Realität sieht anders aus.
Frauenpolitik im Wandel der 70er und 80er Jahre
Speziell in den 70er Jahren wurde nach den SPÖ-Wahlsiegen für die soziale und rechtliche Gleichstellung der Frauen noch einiges durchgesetzt. Maßnahmen wie Sondernotstandshilfe für alleinstehende arbeitslose Mütter bringen neben den sozialen Aspekten auch Fortschritte für die gesellschaftspolitische Entwicklung. Vor allem in der Familienrechtsreform werden fortschrittliche Signale deutlich, auf dem Papier wird das „Oberhaupt der Familie” gestürzt und der Begriff der partnerschaftlichen Ehe beteiligt den Mann offiziell an der Arbeit im Haushalt und der Erziehung der Kinder. Durch diese rechtlichen Schritte wird eine Debatte ausgelöst, die die Selbstverständlichkeit der Rolle der Frau im Haushalt und der Kindererziehung in Frage stellt. 1973 haben die Aktionen der Frauen Erfolg. Die Änderung des Abtreibungsparagraphen tritt 1975 in Kraft und bringt der Frauenbewegung enormen Aufschwung.
Dieser wird nach dem Ende der SPÖ-Alleinregierung deutlich gebremst. Seit Mitte der 80er Jahre werden die „Werte der Familie“ in der Politik wieder stärker betont und als Ausdruck dafür beginnt erneut eine Debatte über die Änderung der Fristenlösung. Die Vergewaltigung in der Ehe ist erst seit 1989 strafbar! Heute sind Frauen von der Offensive des Kapitals in verstärktem Ausmaß betroffen, wie auch die Entwicklung am Arbeitsmarkt zeigt; besonders Frauen werden in schlecht abgesicherte, niedrigbezahlte Beschäftigungsverhältnisse mit flexiblen Arbeitszeiten gedrängt. Dabei wird gerade die Arbeitszeitflexibilisierung oft als Fortschritt für Frauen im Sinne einer besseren Integration von Frauen mit Kindern in das Erwerbsleben angepriesen. Damit wird vermittelt, daß die gegenwärtige einseitige Mehrfachbelastung der berufstätigen Frauen und die ihr zugrundeliegenden Umstände selbst nicht in Frage zu stellen sind. Die Probleme, die sich aus dem Zusammenfallen beruflicher und familiärer bzw. haushaltlicher Aufgaben ergeben, werden automatisch den Frauen zugeordnet.
Die Wiederkehr der geschlechterspezifischen Rollenbilder
Durch die beiden Sparpakete 1995 und 1996 wurde das gesamte „Frauenpaket” vernichtet. Dabei war im Nationalratswahlkampf 1994 genau dieses Paket noch der große Erfolg gewesen, den die SPÖ für sich beanspruchte. Dann wurde das erhöhte Karenzgeld abgeschafft, die Geburtenbeihilfe gestrichen, das Pflegegeld und die Karenzzeit gekürzt, die Regelung zum Bezug der Arbeitslosenversicherung verschärft, die versprochene Kindergartenmilliarde reduziert und die für die Pensionszeiten notwendige Zahl an Versicherungsmonaten angehoben. Alles Maßnahmen, die besonders für Frauen mit „Betreuungspflichten“ enorme Rückschläge bedeuten. Das zeigt, wie schnell erkämpfte Rechte wieder rückgängig gemacht werden können. Frauenrechte wurden – so wie andere Errungenschaften – nicht für immer errungen, auch wenn uns weisgemacht wird, dass der Kampf um die Gleichberechtigung bereits gewonnen sein.
In einer Zeit, in der Gewalt gegen Frauen alltäglich ist, in der die „Werte“ der Familie wieder hervorgehoben werden und Abtreibungsgegner Frauen attackieren, in der wir von sexistischen Rollenklischees in Werbung und sonstigen Medien umgeben sind, in der die Zuordnung von männlichen und weiblichen Verhaltenswisen immer noch derartig selbstverständlich ist, muss Widerstand nicht nur gegen ökonomische Ungleichheit geleistet werden, sondern gegen alle Formen der Frauenunterdrückung, die die patriarchal dominierte Gesellschaftsordnung einzementieren. Ein Beispiel aus dem Jahr 1998 verdeutlicht die immer noch herrschende Rollenzuschreibung, die mit einer Aufgabenzuteilung verbunden ist. In einem Werbeprospekt der Firma „Toys`R´Us” findet sich unter dem Titel „Hier schlagen Mädchenherzen höher” neben Barbies, Dampfbügeleisen und Babywickelzubehör ein Roboter: „Martina ist ein funkferngesteuerter Roboter für Mädchen. Sie bewegt sich vorwärts, rückwärts und kann sprechen. Wenn Du Martina Komplimente machst, färben sich ihre Wangen rot.” Daher ist es auch kein Zufall, dass die wissenschaftliche Forschung über biologische Geschlechterdifferenz in den letzten 20 Jahren einen Wiederaufschwung erlebt hat.
Das Frauenvolksbegehren
Im April 1997 auf Initiative des Unabhängigen Frauenforums gegründet, hat es den enormen Bedarf von Frauen gezeigt, sich gegen die Angriffe auf erkämpfte Rechte und gegen die starren Rollenzuschreibungen zu wehren. Über 645.000 haben das Frauenvolksbegehren unterschrieben, das u.a. Forderungen nach einem gesicherten Mindestlohn von 15.000,- und einer gerechten Verteilung der bezahlten und unbezahlten Arbeit enthielt. Die VertreterInnen der verschiedenen Parteien setzten sich im Rahmen des Volksbegehrens medial in Szene, bekundeten, wie sehr sie sich für Frauenanliegen einsetzen - allein bis heute wurde keine einzige Forderung umgesetzt. Geblieben sind leere Versprechungen und die Tatsache, daß Frauen im Wahlkampf ein heiß umworbenes Wählerpotential sind. Was wir daraus lernen können, ist, dass wir uns im Kampf um mehr Frauenrechte nicht auf die etablierten Parteien und Organisationen verlassen können.
Eine kritische Bilanz
Wie die Geschichte zeigt, gibt es keine lineare Entwicklung. Bei einer Bilanzierung des 20. Jahrhunderts reicht es nicht, aufzuzählen was erreicht wurde und dann unter der Annahme einer stetigen Weiterentwicklung der Gesellschaft aufzuzählen, was noch erreicht werden muß bis zur völligen Gleichberechtigung von Frauen. Immer wieder gab es Rückschläge und wurden positive Entwicklungen, die schon stattgefunden hatten, in Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Entwicklung wieder zunichte gemacht. In einer Zeit, in der sogar die bürgerlichen Parteien sich der Frauenfrage annehmen und um Frauen als WählerInnen buhlen, müssen gerade wir einen Gegenpol setzen. Die SOV steht für eine politische Frauenarbeit, der es nicht nur um ein paar Reformen geht, sondern um aktiven Widerstand gegen alle Formen der Unterdrückung von Frauen.