CWI-Stellungnahme: Frauen und Unterdrückung

Beim letzten Weltkongress des CWI wurde dieses Dokument zur Situation von Frauen in den verschiedenen Teilen der Welt und zu den Perspektiven ihres Kampfes verabschiedet
CWI-Stellungnahme

Dieses Dokument streicht einige generelle Punkte zur Situation, mit der sich Frauen konfrontiert sehen, zu den Kampfperspektiven und unserem Ansatz sowie unserem Programm heraus. Allerdings bedeuten die enormen Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern, dass unsere Perspektiven und Kampfansätze weltweit unterschiedlich sein werden.

Bewegungen gegen unterschiedliche Aspekte der Frauenunterdrückung hat es in den vergangenen Jahren in einer Reihe von Ländern gegeben. Darunter waren Massendemonstrationen gegen Vergewaltigungen in Indien und der Türkei, die Bewegung für Abtreibungsrechte in Irland sowie 2011 die Demonstration von einer Millionen Männern und Frauen in Italien gegen den Sexismus des damaligen Präsidenten Berlusconi.

Sehr oft in der Geschichte waren es Frauen, die Aufstände begonnen haben. Die Mahalla Textilfabrik als Basis für den arabischen Frühling ist ein Beispiel dafür. Die Frauenbrigaden, die in den letzten Jahren der Konterrevolution Rojava verteidigt haben, waren ein wichtiger Kontrast im Vergleich mit ihren Feinden des IS, deren Staat viel Geld mit dem Verkauf von Sexsklavinnen verdient. Die Kontrolle über die Sexualität der Frauen war von Anfang an der Kern der Frauenunterdrückung. Heute kämpfen Frauen zunehmend für das Recht auf Selbstbestimmung über ihre eigenen Körper. In den USA ist eine Studierendenbewegung gegen Vergewaltigungen entstanden. Auch in Lateinamerika gab es eine Reihe von Bewegungen. Die andauernden Kämpfe von Frauen und ArbeiterInnen haben auch Erfolge erzielt. So gibt es in Afrika zunehmend Zugang zu Verhütungsmitteln. Auch die Praxis der Genitalverstümmelung wird zunehmend hinterfragt. Todesfälle von Frauen während der Geburt ihrer Kinder haben sich in den letzten 25 Jahren halbiert. Die Geschlechterungleichheit unter Kindern, die Zugang zu Schulbildung in so genannten Entwicklungsländern bekommen, hat sich verringert. Hier liegt eine mögliche Basis für die Entwicklung kommender Kämpfe für mehr Gleichheit zwischen den Geschlechtern. Der Kampf gegen die alte Ordnung befördert auch LGBT-Kämpfe, wie man weltweit beobachten konnte. Vor 15 Jahren ermöglichten die Niederlande als weltweit erstes Land die Homoehe. Heute ist diese in 13 europäischen Ländern rechtlich möglich, wenn auch begleitet von wachsender Polarisierung und Rückschlägen, insbesondere in Osteuropa. Ein wachsendes feministisches Erwachen fällt oft mit einem wachsenden LGBT-Bewusstsein zusammen. Diese Bewegungen verbinden sich oft miteinander und bestärken sich gegenseitig. In der jüngsten Vergangenheit haben Transgender-Personen ihre Stimmen in einigen Ländern stärker als bislang erhoben.

Alle diese Kämpfe spiegeln ein erhöhtes Selbstbewusstsein unter großen Schichten, insbesondere junger Frauen wider, um gegen Unterdrückung aufzustehen. In vielen Ländern legt kapitalistische Propaganda den Schluss nahe, dass Frauen Gleichberechtigung erwarten dürfen. Doch dem steht die Realität gegenüber. Frauen haben zwar während der vergangenen Jahrzehnte größere Rechte in Teilen der Welt erkämpft. Doch die Frauenunterdrückung existiert in jedem Land weiter.

Familie und Kapitalismus

Frauenunterdrückung entwickelte sich zeitgleich mit der Entwicklung von Klassengesellschaften und ist mit dieser verwoben. Dazu gehört die Entwicklung der Familie, die, in unterschiedlicher Form, als wichtiges Kontrollinstrument in allen Klassengesellschaften gedient hat. Im 19. Jahrhundert beschrieb Engels richtigerweise, dass die bürgerliche Institution der Familie am schwächsten in der ArbeiterInnenklasse und unter den unterdrückten Bevölkerungsschichten vertreten war. Dennoch ist auch heute noch die Familie ein Echo der hierarchischen Weise, in der die Welt organisiert ist. Der Mann ist im Haushalt der Boss, Frauen und Kinder sind ihm untergeben. Das ist so, auch wenn viele Menschen ein positives Familienbild haben und ihre Familienmitglieder die Menschen sind, die ihnen am engsten nahestehen. Familien tragen die Hauptlast bei der Aufgabe, die nächste Generation von ArbeiterInnen zu erziehen. Die Familie unterdrückt Frauen. Gleichzeitig belastet sie Männer enorm mit der Aufgabe, ihre Familien materiell zu versorgen. Doch obwohl die Familie eine wesentliche Institution für den Kapitalismus ist, wird sie doch gleichzeitig von diesem untergraben. In dem Maße, in dem die Zahl der Lohnarbeiterinnen ansteigt und Frauen dadurch finanziell unabhängiger werden, wächst auch deren Selbstbewusstsein und das Unverständnis dafür, sich zu Hause und in Beziehungen schlecht behandeln lassen zu müssen. Ihre Möglichkeiten zum Verlassen solcher Beziehungen wachsen. Trotzdem ist die Idee, dass Frauen das Eigentum ihrer Männer sind und sie somit loyal und unterwürfig ihren Partnern gegenüber zu sein haben, weiterhin tief verwurzelt. Die gesamte Gesellschaft ist mit Propaganda zur Verdeutlichung der den Frauen „gebührenden“ Rolle durchdrungen: Frauen sind demnach Mütter, sexuelle Objekte, Friedensstifterinnen usw.

Frauen als Teil der ArbeiterInnenklasse

Die Situation, mit der Frauen weltweit konfrontiert werden, unterscheidet sich deutlich von Land zu Land. In manchen europäischen Ländern machen Frauen über die Hälfte aller Berufstätigen aus (allerdings arbeitet ein viel größerer Prozentsatz an Frauen Teilzeit als Männer). Weltweit arbeiten derzeit etwa 50% aller Frauen im arbeitsfähigen Alter, ein kleiner Rückgang von 2% seit 1995. Dieser Rückgang lässt sich mit dem massiven Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit unter allen Geschlechtern insbesondere in Europa erklären. Aber es reflektiert auch einen Rückgang der Beteiligung von Frauen am Erwerbsleben in China und Indien. In diesen Ländern ging der Prozentsatz zwischen 1995 und 2013 von 72 auf 64% bzw. von 35 auf 27% zurück. Die UN sieht die Ursache für diese Veränderung in „der signifikant verringerten Anzahl staatlich finanzierter Kinderbetreuungseinrichtungen.“ Die „Anzahl leistbarer staatlicher und von der Gemeinschaft betriebener Kindereinrichtungen“ ist demnach „zwischen 1997 und 2009 von 86% auf 34% zurückgegangen“. Das illustriert sehr deutlich die negativen Auswirkungen der Vernichtung der letzten Spuren einer Planwirtschaft!

Selbst dort wo Frauen einen kleineren Prozentsatz der ArbeiterInnenschaft ausmachten, haben sie oft eine zentrale Rolle im Klassenkampf gespielt. So waren es Textilarbeiterinnen, die in Russland die Februarrevolution 1917 starteten. Im Jahr 2013 gab es riesige Streiks von TextilarbeiterInnen, größtenteils Frauen. In Nigeria, einem Land in dem knapp unter der Hälfte der Frauen im arbeitsfähigen Alter einer Lohnarbeit nachgeht, standen Frauen an vorderster Front mehrerer aufeinander folgender Generalstreiks. Auch wenn die doppelte Unterdrückung, mit der sich Frauen konfrontiert sehen ein großes, weiteres Hindernis für deren Eintritt in Kämpfe sein kann, sind Frauen oft die kämpferischsten und entschlossensten Teilnehmerinnen an diesen Kämpfen.

Die Gehaltsschere zwischen Frauen und Männern besteht weiterhin weltweit. Selbst dort wo eine große Zahl von Frauen am Arbeitsmarkt teilnimmt, hat es nur eine sehr kleine Schicht von Frauen an der Spitze der Gesellschaft geschafft, diese Schere zu schließen. In manchen entwickelten Wirtschaftsregionen hat sich die Schere verengt. Doch das liegt teilweise an den durch die Zerstörung von Industrien verursachten Reallohneinbußen für Männer aus der ArbeiterInnenklasse und weniger an Lohnsteigerungen für Frauen. Im Jahr 2011 berichtete die Weltbank, dass Frauen weltweit immer noch zwischen 10% und 30% weniger verdienen als Männer. Diese Schere ist in reicheren Ländern nicht weniger groß als in den ärmeren. Die meisten Frauen arbeiten nach wie vor im Dienstleistungssektor. In Lateinamerika, der Karibik sowie Ost- und Südeuropa arbeiten mehr als 70% aller arbeitenden Frauen im Dienstleistungssektor. Dabei handelt es sich oft um sehr schlecht bezahlte Haushaltsarbeiten – Kochen, Waschen, Pflegearbeit oder im Catering.

Dennoch hat es überall dort, wo Frauen in Lohnarbeit eingetreten sind auch Verbesserungen für die generelle gesellschaftliche Stellung von Frauen gegeben. Allerdings bleibt Sexismus immer ein Kernbestandteil des Kapitalismus. In vielen Ländern ist es jetzt weniger akzeptabel, Frauen als den Besitz von Männern zu betrachten. Und doch ist diese Idee und die damit zusammenhängende Androhung oder Ausübung von Gewalt immer noch sehr weit verbreitet. Bis vor kurzem war sie sogar gesetzlich festgeschrieben. Erst im Jahr 1991 wurde die Vergewaltigung in der Ehe in Großbritannien verboten. In Spanien war dies erst im Jahr 1992 und in Deutschland 1997 der Fall. Wenn auch nicht länger legal oder offen akzeptiert, bleibt die Vergewaltigung in der Ehe doch weit verbreitet und wird nur selten bestraft. Das trifft auch auf Vergewaltigungen im Allgemeinen zu. Schätzungsweise werden nur 15% aller Vergewaltigungen in Großbritannien bei der Polizei angezeigt. Nur 7% davon führen zu einer Verurteilung. Laut UN-Angaben wurde fast die Hälfte aller 2012 getöteten Frauen von ihren Partnern oder Familienmitgliedern umgebracht. Verglichen damit wurden nur 6% aller getöteten Männer von Partnerinnen oder Familienmitgliedern umgebracht.

Gewalt in der Familie

In vielen neokolonialen Ländern ist die Frauenunterdrückung brutaler und massiver als in wirtschaftlich entwickelten Ländern. In Europa und den USA gab es eine Propagandawelle, die versuchte, die brutale Behandlung von Frauen mit dem Islam, insbesondere der grauenhaften Behandlung von Frauen durch den IS, zu verbinden. Doch während die barbarischen Praktiken des IS im Namen des Islam außer Frage stehen, ist die Herstellung eines angeblichen direkten Zusammenhangs zwischen der Herabwürdigung von Frauen und dem Islam falsch. Historisch betrachtet haben alle Religionen Praktiken wie Ehrenmorde und Genitalverstümmelung ausgeübt. Selbst heute werden solche grauenvollen Praktiken und andere – wie etwa erzwungene Selbstmorde von Witwen oder Mitgiften für Bräute – unter dem Banner verschiedenster Religionen durchgeführt. Die Stärke von Frauenunterdrückung in bestimmten Ländern ist von vielen Faktoren abhängig, unter anderem von der Stärke religiöser Ideen in der Gesellschaft und in der Regierung sowie der Höhe der Klassenauseinandersetzungen. Doch generell gesehen spielt die Vorherrschaft einer semi-feudalen Wirtschaftsweise und nicht das Vorhandensein einer spezifischen Religion eine zentrale Rolle.

In allen Ländern tragen Frauen immer noch die Hauptlast der Hausarbeit, obwohl sie außerdem zunehmend zur Arbeit gehen. In vielen Fällen sind sie noch immer die „Sklavinnen von Sklaven“, wie Trotzki das ausgedrückt hat. In Ländern, in denen sich die ArbeiterInnenklasse und die Armen die zeitsparenden Arbeitsmittel des modernen Kapitalismus – Waschmaschinen, Kühlschränke, Staubsauger usw. - nicht leisten können, ist die Belastung der Hausarbeit für Frauen erdrückend. In Großbritannien beispielsweise zeigen die meisten Studien, dass Männer grundsätzlich akzeptieren, dass sie den selben Teil an Hausarbeit leisten sollten wie Frauen. Doch es gibt eine große Kluft zwischen Intention und Wirklichkeit. Eine Umfrage über Großbritannien zeigte, dass Frauen durchschnittlich 17 Stunden Hausarbeit inklusive Kinderbetreuung leisten. Männer leisten nur sechs Stunden an Hausarbeit.

Die ungleiche Verteilung der Hausarbeit trägt dazu bei, dass Frauen generell niedrigere Löhne, weniger Freizeit und eine schlechtere Gesundheit als Männer haben. Doch am meisten profitieren die KapitalistInnen. Indem die Hauptlast der Hausarbeit, der Kranken- und Altenpflege den Frauen auferlegt wird, liegt sie nicht mehr in der Verantwortung der Gesamtgesellschaft.

Der Kapitalismus hat Frauen im Vergleich zu anderen Klassengesellschaften generell einen gewissen geschichtlichen Fortschritt gebracht. Doch das hat sich nun weitgehend erschöpft. Der Kapitalismus des 21. Jahrhunderts verringert die häusliche Belastung der Frauen nicht. Im Gegenteil. Die massiven Einsparungen bei öffentlichen Dienstleistungen in allen wirtschaftlich entwickelten Ländern zerstören Kinderbetreuung, Altenpflege und andere Einrichtungen, die vorher die Belastung der ArbeiterInnenklasse, insbesondere der Frauen, teilweise gelindert haben. Frauen arbeiten außerdem mit größerer Wahrscheinlichkeit im öffentlichen Sektor und sind deshalb stärker von Stellenabbau bedroht. Wachsende Wohnkosten und die Schließung von Frauenhäusern in vielen Ländern erschweren es Frauen, gewalttätige Partner zu verlassen. Gleichzeitig bedeuten der Fall der Reallöhne und Sozialkürzungen, dass es für die meisten Frauen der ArbeiterInnen- und Mittelklasse keine Chance gibt, auf Lohnarbeit zu verzichten und sich auf die Hausarbeit zu konzentrieren. Es ist zunehmend unmöglich, die Familie auf der Basis eines einzelnen Broterwerbers zu ernähren. Im Gegenteil müssen beide Eltern oft in mehr als nur jeweils einem Job arbeiten. Das legt die Grundlage für große soziale Explosionen gegen Kürzungen bei öffentlichen Dienstleistungen, Wohnraum und Löhnen. Frauen werden an der Spitze dieser Bewegungen stehen, wie es auch bei der $15-Stundenlohnkampagne in den USA der Fall ist.

Frauenbefreiung und Klassenkampf

Wir müssen auch auf weitere Massenbewegungen vorbereitet sein, die die spezifische Unterdrückung von Frauen thematisieren. Die kapitalistische Klasse ist in dieser Frage gespalten. Ein Teil würde eine große Kampagne gegen Frauenrechte unterstützen. Diese würde sich der Propaganda über die Wichtigkeit der Familie, der Rolle von Frauen im Haushalt und ähnlicher Themen bedienen. Doch andere realisieren, dass dies sozialen Einstellungen zu stark zuwiderlaufen und somit Massenbewegungen provozieren würde. Das war in Spanien der Fall, als der Versuch der Regierung, das Recht auf Abtreibung stark einzuschränken, zu Massendemonstrationen führte. Diese konnten das geplante Gesetz erfolgreich zurückschlagen. Dieses weltweit gestiegene Selbstbewusstsein von Frauen kann auch zu offensiven Bewegungen führen. Eine solche Bewegung zur Stärkung von Frauenrechten gab es beispielsweise in Irland. Die Demonstrationen gegen Vergewaltigungen in Indien sind ein Beispiel für die Art der Kämpfe, die in der neokolonialen Welt entstehen können.

Der Kampf für Frauenbefreiung ist an der Wurzel ein Teil des Klassenkampfes. Der Kampf von Frauen gegen ihre eigene spezifische Unterdrückung stimmt mit dem der ArbeiterInnenklasse für eine fundamentale Umstrukturierung der Gesellschaft zur Überwindung von Ungleichheit und Unterdrückung überein. Wir vertreten andere Auffassungen als der bürgerliche und der kleinbürgerliche Feminismus, weil dieser keinen klassenbezogenen Ansatz im Kampf für die Frauenbefreiung verfolgt. Das bedeutet natürlich nicht, dass nur Frauen aus der ArbeiterInnenklasse unterdrückt sind. Diese werden zweifach unterdrückt: Aufgrund ihrer Klassenzugehörigkeit und ihres Geschlechts. Doch Frauen aus allen gesellschaftlichen Schichten werden aufgrund ihres Geschlechts unterdrückt, einschließlich häuslicher Gewalt und sexueller Belästigung. Doch um wirkliche Geschlechtergleichheit für Frauen - einschließlich für Frauen aus der Elite der Gesellschaft - zu erreichen, ist ein kompletter Umsturz der bestehenden Ordnung nötig. Dieser muss alle Ebenen umfassen: Die wirtschaftliche, die soziale, die Familie und die Hausarbeit. Der dafür notwendige Startpunkt ist die Beendigung des Kapitalismus. Die ArbeiterInnenklasse ist die einzige Klasse, die zu einem erfolgreichen Kampf für den Sturz des Kapitalismus in der Lage ist. Deshalb sind der Kampf für die Beendigung von Frauenunterdrückung und der Klassenkampf intrinsisch miteinander verwoben.

Damit wollen wir aber nicht den Eindruck einer abschätzigen Haltung gegenüber der neuen Generation von Frauen erwecken, die zunächst über den Kampf für ihre Rechte als Frauen in gesellschaftliche Auseinandersetzungen eintreten und noch keinen Klassenstandpunkt entwickelt haben. Die Erkenntnis, dass man unterdrückt wird und gemeinsam mit anderen, die der selben Unterdrückung ausgesetzt sind, in einen Kampf gegen diese Unterdrückung eintreten kann, ist ein wichtiger Schritt vorwärts. In diesem Sinne ist das, was oft als „Identitätspolitik“ beschrieben wird, ein unausweichlicher Bestandteil des politischen Erwachens vieler Mitglieder unterdrückter Gruppen in der Gesellschaft. Doch die Geschichte von Kämpfen gegen Unterdrückung zeigt, dass jene, die an solchen Kämpfen teilnehmen, aufgrund ihrer Erfahrungen über die Grenzen der Identitätspolitik hinausgehen, weil sie die Ursache ihrer Unterdrückung in der Struktur der Gesellschaft erkennen. Unsere Rolle ist es, geschickt und mit der Übergangsmethode zu intervenieren, um den Kampf gegen Frauenunterdrückung mit dem Kampf für den Sozialismus zu verbinden. Das bedeutet auch, die Ideen des bürgerlichen und kleinbürgerlichen Feminismus wenn nötig zu kritisieren. Dazu gehört auch die von vielen FeministInnen vertretene Idee, dass die Schuld für die Frauenunterdrückung im inneren Charakter der Männer, und nicht in der Struktur der Gesellschaft zu suchen ist.

Das bedeutet aber natürlich nicht, dass wir den Kampf gegen sexistische Verhaltensweisen in dieser Gesellschaft, insbesondere innerhalb der ArbeiterInnenbewegung, aufgeben. Wenn wir sagen, dass die ArbeiterInnenklasse als einzige Kraft zum Erreichen einer fundamentalen gesellschaftlichen Veränderung in der Lage ist, verschließen wir nicht die Augen vor den Vorurteilen wie Rassismus, Sexismus und Homophobie, die es in allen Klassen und auch in der ArbeiterInnenklasse gibt. Wir haben eine stolze Geschichte im Kampf gegen diese Vorurteile.

Gewalt gegen Frauen

Wenn ArbeiterInnenorganisationen und insbesondere revolutionäre Parteien die ArbeiterInnenklasse im Kampf für die Veränderung der Gesellschaft vereinen wollen, ist es lebensnotwendig, für die Rechte von Frauen und aller unterdrückten Gruppen einzutreten. Wir akzeptieren nicht die kruden Positionen, wie sie in der Vergangenheit von einigen revolutionären Organisationen wie zum Beispiel der IST (SWP) vertreten wurden. Als das CWI in England und Wales mit der CADV (Campaign against domestic violence – Kampagne gegen häusliche Gewalt) eine Kampagne gegen häusliche Männergewalt begann, lehnte es die SWP zunächst ab, dieses Thema innerhalb der Gewerkschaften anzusprechen. Die SWP argumentierte, dass dieses Thema die Gewerkschaften spalten würde. Diese Einstellung ergab sich aus ihrer falschen theoretischen Position über den Umgang der ArbeiterInnenbewegung mit Frauenunterdrückung. In seinem Buch „Class struggle & Women's Liberation“ argumentierte der SWP Gründer Tony Cliff, dass es falsch von der Frauenbewegung sei, sich „andauernd auf Gebiete zu konzentrieren in denen sich Frauen und Männer miteinander im Konflikt befinden – Vergewaltigungen, geschlagene Frauen, Lohn für Hausarbeit – während sie die wichtigen Kämpfe ignoriert oder herunterspielt, in denen Frauen leichter die Unterstützung von Männern erreichen könnten: Streiks, Widerstand gegen Sozialabbau, gleicher Lohn, gewerkschaftliche Organisation, Abtreibung.“

Diesem begrenzten Ansatz sind wir entgegengetreten. Natürlich ist es lebenswichtig für die ArbeiterInnenbewegung, Wirtschaftsthemen wie den Widerstand gegen Sozialabbau oder Kämpfe für gleichen Lohn aufzugreifen. Diese Themen sind für einen Kampf gegen häusliche Gewalt sogar zentral. Die CADV kämpfte, genau wie heute die Socialist Party und viele CWI-Sektionen, gegen alle Kürzungen bei Beratungsstellen für Opfer von häuslicher und sexueller Gewalt, für einen großen Ausbau der Anzahl der Frauenhäuser und für ein kommunales Wohnungsbauprogramm, um Frauen ein unabhängiges Wohnen zu ermöglichen. Doch wir kämpfen für die größtmögliche Einheit der ArbeiterInnenklasse, indem wir versuchen, die gesamte ArbeiterInnenbewegung davon zu überzeugen, das Thema der Frauenunterdrückung ernst zu nehmen, und nicht, indem wir es unter den Teppich kehren. Die CADV spielte eine wesentliche Rolle dabei, alle großen Gewerkschaften in Großbritannien dazu zu bringen, Forderungen und Maßnahmen gegen häusliche Gewalt aufzustellen. Im Gegensatz zur Meinung Cliffs zeigt dies, dass es sehr wohl möglich ist, eine große Mehrheit von Männern für eine Positionierung gegen häusliche Gewalt zu gewinnen.

ArbeiterInnenorganisationen existieren innerhalb des Kapitalismus. Sie sind kein Modell für eine neue Gesellschaft, sondern Instrumente zum Kampf für die Erschaffung einer neuen. Das ist keine Entschuldigung, nicht deutlich gegen alle Fälle von sexuellem Missbrauch und gegen Übergriffe vorzugehen, sondern eher die Erkenntnis, dass es solche Fälle manchmal gibt. Es ist utopisch, das Modell einer sozialistischen Gesellschaft innerhalb des Kapitalismus aufbauen zu wollen. Selbst die am klarsten denkenden und klassenbewusstesten ArbeiterInnen sind Produkte des Kapitalismus, mit allen Verzerrungen der menschlichen Persönlichkeit, die das mit sich bringt. Wir können insbesondere von unseren neuen Mitgliedern nicht erwarten, dass sie der Partei mit einem komplett ausgeformten Verständnis für alle Themenbereiche inklusive des Sexismus mit sich bringen. Das Ziel von SozialistInnen sollte im Lauf der Zeit die Erhöhung des Verständnisses für alle Themenbereiche innerhalb der ArbeiterInnenbewegung sein. Dazu gehört auch die Unterdrückung von Frauen und eine klare Positionierung gegen alle Fälle sexueller Gewalt und Übergriffe.

Der Kampf für eine größere Teilnahme von Frauen in der politischen Arbeit

Wir müssen außerdem für eine größere Beteiligung von Frauen sowohl im CWI als auch der ArbeiterInnenbewegung insgesamt kämpfen. Das ist vor allem eine politische Frage. Indem die ArbeiterInnenbewegung ein Programm im Interesse von Frauen aus der ArbeiterInnenklasse erstellt und für dieses kämpft, wird sie mehr Frauen für einen Beitritt in die Bewegung gewinnen. Wir müssen sicherstellen, dass unsere Diskussionen über Perspektiven und Programm eine sozialistische Genderperspektive beinhalten. Das heißt aber nicht, dass ein korrektes Programm in und für sich das Problem bewältigen wird. Die doppelte Unterdrückung von Frauen bedeutet in jedem Land, dass Frauen zusätzliche Schwierigkeiten überwinden müssen, um aktiv zu sein. Das ist insbesondere in Zeiten der Fall, in denen es keinen Aufschwung von Klassenkämpfen gibt. Wenn dies auf die ArbeiterInnenbewegung generell zutrifft, dann trifft es auf das CWI erst recht so lange zu, wie das CWI noch eine relativ kleine revolutionäre Minderheit in der Gesellschaft ist. Gerade in Gesellschaften, in denen die Frauenunterdrückung besonders brutal ist, ist es eine große Leistung, einen weiblichen Kader innerhalb der Partei auszubilden; auch wenn dieser zu diesem Zeitpunkt noch eine kleine Minderheit in der Partei ist.

Manchmal ist es nötig, besondere Parteiveranstaltungen für Frauen abzuhalten, insbesondere wenn sie neue Mitglieder sind. Dies sollte aber immer ein Übergangsmechanismus mit dem Ziel des Aufbaus von Ortsgruppen sein, in denen sowohl Frauen als auch Männer aktiv sind. Wir sollten dafür streiten, dass die Hälfte – oder sogar die Mehrheit, wie das beim Exekutivkomitee der Socialist Party in England und Wales der Fall ist - unserer Leitungsgremien auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene aus Frauen besteht. Wir müssen auch dafür kämpfen, dass mehr Genossinnen zu öffentlichen Vertreterinnen des CWI werden. Wie wir in den USA und Irland sehen, können sie in solchen Funktionen oft sehr effektiv sein. Doch diese Ziele können nicht künstlich erreicht werden. Die Entwicklung eines weiblichen Kaders kann nur über Zeit gelingen. Es ist dabei wesentlich, besondere Anstrengungen für die politische Entwicklung und insbesondere das politische Selbstvertrauen unserer Genossinnen zu unternehmen. CWI Sektionen sollten regelmäßig über mögliche Maßnahmen nachdenken und diskutieren, die geeignet erscheinen, mehr Frauen im Leben der Sektion und in Führungsrollen zu beteiligen.

Die Selbstorganisation von Frauen innerhalb linker Parteien und innerhalb der ArbeiterInnenbewegung ist für die Bekämpfung der Idee, dass die Frauenunterdrückung etwas Natürliches sei, sehr wichtig. Sie ist auch wichtig, um die Beteiligung von Frauen am Klassenkampf zu stärken und um sie beim Erzielen ihres vollen Potentials zu unterstützen. Dies kann durch die Organisation von Arbeitsgruppen für Frauen oder durch Frauenkommissionen zur Diskussion von spezifischen oder generellen Positionierungen aus Frauensicht erfolgen. Dadurch entsteht eine für Frauen komfortablere Umgebung, die auch deren Selbstbewusstsein für andere Interventionen stärkt. Diese Kommissionen sind keine beschlussfassenden Organe. (Beschlüsse werden von Ortsgruppen, Versammlungen, Komittees und Kongressen getroffen.) Frauen stellen die Hälfte der ArbeiterInnenklasse. Doch insbesondere in den Führungskörpern von Parteien und Gewerkschaften sind sie unterrepräsentiert. Wir werden dieses Problem und Diskriminierung gegen Frauen nicht durch solche Maßnahmen allein lösen können. Doch sie können zur vollen Beteiligung von Frauen am Klassenkampf einen wichtigen Beitrag leisten.

Mit unseren beschränkten Ressourcen können wir nicht immer alle notwendigen Maßnahmen treffen. Wir müssen uns anstrengen, praktische Maßnahmen wie Kinderversorgung oder sichere und zusätzliche Veranstaltungsräume usw. zu treffen. Gleichzeitig müssen wir dafür kämpfen, dass die ArbeiterInnenbewegung das selbe tut.

Die Quotenfrage

In manchen Ländern hat die ArbeiterInnenbewegung Quoten oder reservierte Sitze eingeführt, um die Repräsentation von Frauen in Führungspositionen zu sichern. Solche Maßnahmen können die Hindernisse für die Teilnahme von Frauen in der Bewegung nicht alleine lösen. Manchmal sind sie sogar ein Hindernis. In manchen britischen Gewerkschaften wurde die Anzahl von Frauen in den Gewerkschaftsspitzen durch derartige Maßnahmen erhöht. Doch die rechten Flügel dieser Gewerkschaften nutzen das aus, um ihre Positionen im Apparat zu festigen. Das fürchterliche Versagen der Gewerkschaften bei der Organisation von Kämpfen hat ohne Zweifel dazu geführt, dass die Wahrscheinlichkeit für größeren Aktivismus der Masse der Frauen in den Gewerkschaften geringer geworden ist. Dennoch sind wir aufgrund des Eindrucks, dass sie die Beteiligung von Frauen in der Bewegung erhöhen können, normalerweise nicht gegen Quoten, insbesondere wenn sie bereits eingeführt worden sind. In einigen Fällen haben CWI-Sektionen die Einführung von Quoten in ArbeiterInnen- und linken Organsisationen unterstützt, beispielsweise in der PSOL in Brasilien. Dort stellen Frauen heute 50% der Parteiführung, was eine Rolle bei der Erhöhung der Frauenbeteiligung gespielt hat. Dennoch werden wir manchmal nur symbolisch gemeinte Maßnahmen nicht unterstützen. In jedem Fall werden wir verdeutlichen, dass Quoten das Problem nicht lösen. Nötig und zentral sind ein kämpferisches Programm für die Frauen der ArbeiterInnenklasse und praktische Maßnahmen wie z.B. Kinderbetreuung.

Das CWI ist stolz auf seine Rolle in Kampagnen gegen die spezifische Unterdrückung von Frauen und die Entwicklung von Frauen zu Führungskadern des CWI. Doch das bisher erreichte ist nur ein kleiner Anfang. Indem wir tatkräftig und mit einem klaren Programm ausgerüstet in die kommenden Klassen- und Frauenkämpfe intervenieren, wird es uns möglich sein, viele tausende neue Kämpferinnen aus der ArbeiterInnenklasse in unsere Reihen aufzunehmen.