Sa 01.09.2001
Ein sechster Nahost-Krieg ist möglich. Die Regierung Sharon zielt mit ihren Provokationen und militärischen Manövern darauf ab. Die palästinensische Massenbewegung muss an ihren besten Traditionen anknüpfen, die israelisch-jüdische ArbeiterInnenklasse in einer neuen Friedensbewegung ihre politischen Fesseln abstreifen.
Die PalästinenserInnen in den besetzten Gebieten sind seit Jahrzehnten sozialem Horror und militärischer Repression ausgesetzt. Durch Abriegelungen der Territorien werden regelmäßig zigtausende ArbeiterInnen arbeitslos. Die Arbeitslosigkeit hat sich seit Mitte der 90er verdreifacht. Ebenso trist sieht es mit der Wasser- und Energieversorgung aus, auf die Israel ebenso direkt Einfluss besitzt. Die formelle „Teil-Autonomie“ änderte an der sozialen Lage der Massen nichts zum Besseren.
In Israel sahen die 90er Jahre ein dramatisches Auseinanderklaffen von Arm und Reich. Die neoliberalen Offensiven führten dazu, dass heute 40% der jüdischen Bevölkerung an oder unter der offiziellen Armutsgrenze leben müssen. Neben den nationalen wachsen die sozialen zentrifugalen Kräfte. Die Radikalisierung von Teilen der ArbeiterInnenklasse führte zu Ansätzen einer eigenständigen ArbeiterInnenpartei. Mittlerweile sind diese unter dem Druck der Ereignisse mangels konsequenter sozialistischer Positionen vorerst gescheitert.
Weg ins Verderben
Vor knapp einem Jahr begann mit Sharons Provokation am Tempelberg das Wiederaufflammen der palästinensischen Intifada. Die Besetzung des Orient-Hauses im August durch israelische Einheiten in Ost-Jerusalem wurde selbst von den westlichen Verbündeten als unnötiger Schritt zur endgültigen Eskalation gesehen. Auch die Regierung scheint daran auseinanderzubrechen. Jede nunmehr ausgehandelte „Waffenruhe“ kann binnen Minuten gebrochen werden.
Die Vermittlungsversuche des Imperialismus durch den deutschen Außenminister sind hilflos. Dem Westen ist seit dem Scheitern der Osloer Verträge das Heft aus der Hand genommen. Hinzu kommt die Politik von US-Präsident Bush, der innerhalb kurzer Zeit sogar wohlgesonnene arabische Partner verärgerte. Weder auf diplomatischem noch auf militärischem Weg kann im Kapitalismus Wohlstand geschweige dauerhafter Friede erreicht werden.
Neue Friedensbewegung?
Sharon verlor laut Umfragen binnen einer Woche 10% Punkte an Unterstützung. Dies ist ein Vorgeschmack auf massive Veränderungen, die mit Krieg und Bürgerkrieg einhergehen können. Die bisher dominierenden Gruppen der israelischen Friedensbewegung haben sich politisch an etablierte Parteien gebunden und keine eigenständige Rolle gespielt. Sie haben sich lediglich mit den besetzten Gebieten auseinandergesetzt, jedoch die soziale Frage und den Status Jerusalems unbeantwortet gelassen. Noch vor wenigen Jahren konnten sie Hunderttausende mobilisieren. Das Aus des Osloer „Friedensprozesses“ war ein Schock, auf den sie nicht vorbereitet waren. In der jetzigen Fast-Kriegs-Situation ist sie auf wenige Tausend geschrumpft.
Eine neue Friedensbewegung muss in kompromissloser Opposition zu allen bürgerlichen Parteien stehen. Sie muss die verständlichen Ängste der jüdischen Bevölkerung genauso ernst nehmen, wie die Rechte aller Minderheiten und letztlich ein Programm zur Verbindung des Kampfes mit den PalästinenserInnen in und außerhalb Israels auf der Grundlage von ArbeiterInnen-Einheit entwickeln. Das ist kein einfacher, aber der einzig realistische Weg. Für die Rücknahme aller Privatisierungen und Sozialabbaumaßnahmen der letzten Jahre als ersten Schritt und die Entmachtung der Kriegstreiber in Politik, Wirtschaft und Armee.
Ein wichtiger Punkt in Israel ist, das Recht zu erkämpfen, von der Armee nicht als Kanonenfutter missbraucht zu werden. Hier ergeben sich Möglichkeiten eines gemeinsamen Kampfes von jüdischen und arabischen/palästinensischen Jugendlichen. Sharon und jede Kriegsregierung können letztlich nur von einer revolutionären Bewegung in Israel selbst hinweggefegt werden.
Die Zeit drängt: Das Szenario von Bürgerkrieg und „ethnischen Säuberungen“ in Israel selbst droht. Je bewusster die israelischen PalästinenserInnen eingreifen, je stärker die Pogrome und Angriffe auf sie werden, desto mehr kann eine Eskalation zum Auseinanderbrechen der jetzigen Grenzen führen - einhergehend mit einer Vertiefung ethnischer Gräben.
Welche Methoden?
Die Schwäche der revolutionären Linken sieht man/frau in den besetzten Gebieten am Zulauf zu religiös-reaktionären Organisationen wie der Hamas und dem Djihad. Die Methode der Selbstmordattentate auf zivile Ziele in Israel ist kontraproduktiv. Sie bringen die Intifada nicht nach vorn und treiben die israelische Bevölkerung (wieder) in die Arme der Hardliner. Die Intifada wird sich weiterentwickeln und zeigte mit dem Generalstreik im August, dass sie an den besten Traditionen wieder anknüpft. Die palästinensischen Massen müssen ihren Kampf selbst demokratisch kontrollieren. Die Aktionen und die bewaffnete Selbstverteidigung sollen kommunal organisiert und die Zwangsjacke des religiösen Fundamentalismus abgeworfen werden. Die korrupte Führung der Palästinensischen Autonomiebehörde muss ersetzt werden. Knapp die Hälfte des Budgets versickert in dunklen Kanälen.
Das CWI und seine israelische Schwestersektion Ma’avak Sozialisti kämpfen für den Aufbau solcher Bewegungen zum Sturz sowohl der israelischen als auch der palästinensischen herrschenden Klasse. Für ein unabhängiges sozialistisches Palästina neben einem sozialistischen Israel als Schritt zu einer sozialistischen Konföderation des Nahen Ostens auf gleichberechtigter und freiwilliger Grundlage.