Di 08.09.2015
Es gibt Zeiten, in denen passiert in zehn Tagen so viel wie sonst in zehn Jahren. Seit dem 31. August befinden wir uns in so einer Zeit. Am Abend des 31. August fanden sich in Wien am Westbahnhof über 20.000 Menschen ein, um gegen die österreichische Asylpoltik und den unmenschlichen Umgang mit Flüchtlingen zu demonstrieren. Auch in Linz, Wels und Steyr fanden an diesem Tag Demonstrationen für Flüchtlingsrechte und gegen die Asylpolitik der österreichischen Regierung und EU statt. Auslöser dafür war die Flüchtlingstragödie auf der A4, die sich vier Tage zuvor im Burgenland ereignet hatte. 71 Menschen, darunter auch Frauen und Kinder, waren in einem Kühltransporter auf ihrem Fluchtweg erstickt. Nun war das Problem für die ganze Bevölkerung in fühl- und greifbarer Nähe, während die gekenterten Boote im Mittelmeer meist bereits in den nächsten Tagen wieder in Vergessenheit geraten sind – Die Toten waren vor unserer Haustüre angekommen.
Während der Demozug durch die Mariahilferstraße zog, kamen am Westbahnhof im Laufe des Abends 3.650 Flüchtlinge aus Ungarn an, die von solidarischen Menschen mit Grundnahrungsmitteln versorgt wurden. Bis auf sechs Personen, die einen Asylantrag in Österreich stellten, fuhren alle mit Zug weiter nach Deutschland. An diesem Tag wurde das erste Loch in die Mauer der Festung Europa geschlagen.
Die Festung Europa bröckelt
Dahinter stehen zwei Entwicklungen, die Hand in Hand gehen und sich gegenseitig aufschaukeln: Einerseits die katastrophale Situation der Flüchtlinge in Ungarn und weiter südlich, welche sie immer weiter nach Norden treibt. Diejenigen, die so viele Strapazen auf sich genommen haben, um es überhaupt bis nach Europa zu schaffen, die alles aufgegeben und FreundInnen und oft sogar die Familie verloren haben – sie werden durch keine Grenzzäune aufzuhalten sein. Diese Erkenntnis sickert auch langsam bei den Herrschenden Europas ein – wenn auch zeitversetzt und ungleichmäßig, was zu chaotischem Handeln der Regierungen andererseits führt. Die Dublin-Verträge, nach denen Flüchtlinge in das erste EU-Land, das sie betreten haben, abzuschieben sind, um dort ein Asylverfahren zu starten, sind in der Praxis nicht mehr durchsetzbar. Laut dem Schengen-Abkommen dürfen Flüchtlinge Ungarn nur mit gültigen Reisedokumenten und einem Visum des Ziellandes verlassen. Flüchtlingen ist es aber faktisch unmöglich in ihrem Erstankunftsland für ihr Wunschland ein Visum ausstellen zu lassen. Der ungarische „Viktator“ (Pester Lloyd) Viktor Orban scherte als Erster aus. Er ließ den ersten Schub Flüchtlinge passieren – jene, die von den AktivistInnen am Westbahnhof willkommen geheißen wurden. Dies versetzte die EU, allen voran Österreich und Deutschland, in helle Aufregung. Nach außen hin gab man sich menschlich, spuckte große Töne über Solidarität und Hilfsbrereitschaft. Aber die Äußerungen von Merkel, Kurz, Faymann usw. sind nicht etwa Ausdruck eines verloren geglaubten Restvorrats an Menschlichkeit in den Herzkammern dieser Personen – sondern ein Zurückweichen vor dem Druck der Gesellschaft, die sich mit den Flüchtlingen solidarisiert. Hinter dem Rücken der Öffentlichkeit wurden jedoch ganz andere Töne angeschlagen: Orban wurde gerügt und aufgefordert, sofort wieder dichtzumachen, schließlich seien die bestehenden Verträge einzuhalten. Gesagt, getan: Bereits am nächsten Tag wurde die kurzfristige Ungültigkeit des Dublin II Abkommens wieder außer Kraft gesetzt, Orban veranlasste, den Budapester Bahnhof von Polizeitruppen kontrollieren zu lassen und so ein Weiterkommen der Flüchtlinge zu verhindern. Die Skrupellosigkeit der EU und der ungarischen Regierung wurde unübersehbar, als Flüchtlinge, die es in einen Zug geschafft hatten, damit nicht nach Österreich, sondern in ein Lager gebracht wurden – in einem Zug, dessen Außenwände „20 Jahre grenzenloses Europa“ zum Jubiläum des Falls des eisernen Vorhangs propagierten.
Doch auch dieser Zustand hielt nicht lange. Die Bereitschaft der Flüchtlinge, alles zu riskieren um weiterzukommen, blieb ungebrochen. Sie hielten der Misshandlung der Polizei sowie den Angriffen der faschistischen Jobbik heroisch stand. Gleichzeitig demonstrierten tausende UngarInnen unter der Parole „Not in my name!“ (Nicht in meinem Namen!). In Österreich erklärten sich Tausende bereit, das Gesetz zu brechen, nach Ungarn zu fahren und Flüchtlinge nach Österreich zu bringen. Schließlich entschieden mehrere hundert Flüchtlinge, zu Fuß die über 170 Kilometer zur österreichischen Grenze zurückzulegen und die Fesseln aus eigener Kraft zu sprengen. Die Herrschenden waren wieder unter Zugzwang: Österreich richtete ein Auffanglager im burgenländischen Nickelsdorf ein und stellte Busse und Züge. Am Wochenende des 5.-6. September überquerten etwa 16.000 Menschen die ungarisch-österreichische Grenze. Die Festung Europa bröckelt. Einerseits wird sie aufgrund ihrer inneren Widersprüche - den immer weiter auseinanderklaffenden Interessen der jeweiligen Herrschenden – morsch. Andererseits wird sie von verzweifelten bzw. kämpferischen Flüchtlingen und solidarischen Einheimischen niedergerissen.
Solidarität und Selbstorganisation
Die Solidarität der Bevölkerung ist ungebrochen. An allen größeren Bahnhöfen finden sich Freiwillige, um selbstorganisiert die ankommenden und durchreisenden Flüchtlinge zu unterstützen. Die HelferInnen berichten von unglaublicher Solidarität der Bevölkerung: Die Spendenlager füllen sich beständig. Im Supermarkt stecken Leute den HelferInnen Geld zu, wenn sie merken, dass für Flüchtlinge gekauft wird. Schaffner drücken ein Auge zu, wenn HelferInnen zwischen den Bahnhöfen pendeln. Überhaupt zeigen Beschäftigte in den betroffenen Bereichen, was an Solidarität in der arbeitenden Bevölkerung da ist. Stellvertretend für die hunderten Beispiele und Geschichten der letzten Tage sei der Fall von Mohamed Hassan, der seit 20 Jahren für den Reinigungsdienst der ÖBB am Wiener Westbahnhof arbeitet, erwähnt. Mohamed blieb, als die ersten Flüchtlinge ankamen, noch stundenlang nach Dienstschluss und arbeitete als Übersetzer.
Die Selbstorganisation sprang ein, wo staatliche und staatsnahe Strukturen schlicht versagten. Keime einer sozialen Bewegung, die an den besten Traditionen der Flüchtlingsproteste 2012/13 anknüpft, entwickeln sich nach wie vor an den Bahnhöfen. Dies hinderte das „offizielle Österreich“ natürlich nicht daran, sich mit fremden Federn zu schmücken: Wieder spielten Mikl-Leitner und Co international die solidarische Grinsekatze. Selbst der Kettenhund der Kronen Zeitung, Michael Jeannee, präsentierte sich in seiner Kolumne als Menschenfreund. Die Wiener Stadtregierung ließ an den Bahnhöfen Plakate anbringen, in denen sie davon schreibt, dass „wir“ (also die Regierung) ihr bestes tut, um zu helfen, und dabei „von vielen WienerInnen unterstützt wird“ – dieselbe Stadtregierung, die bis dahin tatenlos zusah, dieselbe Stadtregierung, die das Protestcamp der Flüchtlinge 2012 abreißen ließ, dieselbe Stadtregierung, die nach wie vor nicht einmal annähernd die notwendigen Ressourcen zur Verfügung stellt! Am deutlichsten wurde die Heuchelei der Herrschenden, als Innenministerin Mikl-Leitner das Lager in Nickelsdorf besuchte. Sie wollte sich als Freundin der AktivistInnen und Flüchtlinge zu präsentieren. Sie versuchte, einer der KoordinatorInnen der Selbstorganisierten, Anahita Tasharofi, medienwirksam die Hand zu schütteln. Tasharofi, selbst verdiente Aktivistin, weigerte sich selbstverständlich und ließ sich auch nicht durch körperliche Gewalt dazu zwingen. Daraufhin wurde sie von einem Mitarbeiter des Ministeriums zu Boden gestoßen. Das ist die „Solidarität“ der Herrschenden!
Konkrete Solidarität ist jetzt besonders wichtig, um die Grundversorgung der Flüchtlinge sicherzustellen, da die österreichische Regierung teilweise mit Absicht Probleme, wie z.B.: in Traiskirchen produziert, um Flüchtende davon abzuhalten, nach Österreich zu kommen. Aber Mitleid alleine reicht leider nicht aus um gemeinsam Widerstand zu leisten und Kämpfe zu organisieren. Diese sind jedoch bitter nötig, um aus dem Teufelskreis der Flüchtlingskrise auszubrechen. Denn selbst wenn alle Flüchtlinge, die hier ankommen, mit Kleidung und Medikamenten versorgt werden (und wir betonen, dass dies absolut notwendig ist!): Was dann? In Deutschland beginnen sich ähnliche Entwicklungen wie in Österreich, nur in noch größerem Maßstab abzuzeichnen – Solidarität der Bevölkerung und Heuchelei der Herrschenden. Doch die Regierungen arbeiten bereits fieberhaft an Mechanismen, den Strom zu stoppen und die Angekommenen wieder abzuschieben. In Deutschland brennen fast täglich Flüchtlingsheime. Selbst Flüchtlinge, die es hierher und nach Deutschland schaffen, sind mit Rechtlosigkeit, Unterdrückung und drohender Abschiebung in den Tod konfrontiert. Außerdem ist auch die konkrete Hilfe politisch. Von Staat und staatsnahen Institutionen müssen die Ressourcen eingefordert und erkämpft werden, da auf Dauer auch die beste Improvisation nicht hält. Gleichzeitig muss die Kontrolle darüber von selbstorganisierten demokratischen Strukturen, der HelferInnen wie der Flüchtlinge ausgeübt werden. Ansonsten entpuppt sich die scheinbare „Hilfe“ von Staat, Caritas und Co, sobald der politische Wind sich dreht, als effektive Maschine gegen Flüchtlinge und ihre UnterstützerInnen. Am Westbahnhof hat mittlerweile die Caritas die Organisation der konkreten Hilfe völlig übernommen. Der Einsatz der Caritas ist selbstverständlich zu begrüßen, da sie Zugang zu Ressourcen hat, die den Selbstorganisierten fehlen. Doch beweist sie in ihrem Zugang wieder, dass sie kein Interesse am Aufbau einer echten Bewegung hat und die Flüchtlingsfrage auch entpolitisiert. Sie schickt Freiwillige nach Hause und versucht, das Ganze „unter Kontrolle“ zu bekommen. Böse Erinnerungen an die letzte Flüchtlingsbewegung werden wach, wo die Caritas faktisch die Rolle des verlängerten Armes der Polizei spielte (siehe: https://www.slp.at/artikel/caritas-ben%C3%BCtzt-fl%C3%BCchtlinge-4535). Am Wiener Hauptbahnhof zeigen die AktivistInnen von „Train of Hope – Hauptbahnhof Wien“ (https://www.facebook.com/hbfvie), wie effektiv Selbstorganisation ohne Bevormundung funktionieren kann. Die AktivistInnen wehren erfolgreich Abtötungsversuche ab. Ständig sind 100-400 Menschen vor Ort. Ein Büro wurde eingerichtet, das nicht nur die konkreten Hilfskativitäten koordiniert und Fahrpläne studiert, sondern auch Recherchearbeit leistet und Hintergrundinfos zur Verfügung stellt. Eine eigene Struktur wurde geschaffen, um auf die fatale Situation in Ungarn aufmerksam zu machen und sie zu verändern – konkrete Hilfe wird auch nach Ungarn organisiert. Die Meldungen der Initiative auf Facebook haben mittlerweile eine Reichweite von einer halben Million Menschen.
Flüchtlinge müssen sich selbst organisieren können, um Widerstand zu leisten und gesellschaftlich nicht immer als hilfsbedürftige Opfer ohne Mitspracherecht dargestellt zu werden. HelferInnen brauchen eigene demokratische Strukturen, um die Unterstützung koordinieren und gemeinsam mit den Flüchtlingen Strategien entwickeln zu können. Es darf nicht vergessen werden, dass der Wahnsinn in Traiskirchen unbehindert weitergeht und die Flüchtlingslager und die Missstände darin im ganzen Land fortbestehen. Es muss also gelingen, die konkrete Hilfe mit einer politischen Strategie zu verbinden. Eine Möglichkeit wäre es, HelferInnen an den Bahnhöfen, die gerade nicht unmittelbar gebraucht werden (also abseits der Stoßzeiten, in denen Züge mit Flüchtlingen ankommen), nicht nach Hause zu schicken, sondern beim Bahnhof eine Kundgebung, Demonstration, Straßentheater o. Ä. zu organisieren, um PassantInnen aufmerksam zu machen und miteinzubinden. Spendensammelaktionen in Bezirken, Schulen usw. können ebenfalls mit öffentlichen Protesten gegen die Flüchtlingspolitik von EU & Regierung verbunden werden. In Betrieben können Beschäftigte nicht nur Spenden sammeln, sondern auch mit dem Betriebsrat gemeinsam Druck auf den ÖGB aufbauen, selbst aktiv zu werden.
Den ÖGB in die Verantwortung zwingen
Der ÖGB ist die größte und wichtigste Interessensvertretung von Arbeitenden und Arbeitslosen in diesem Land, egal welcher Herkunft. Er nimmt diese Verantwortung nahezu gar nicht wahr – doch gerade jetzt ist es notwendig, ihn in die Pflicht zu nehmen.
Laut der Presseagentur APA dankte zwar der ÖBB-Konzernbetriebsratsvorsitzende des Fachbereichs Eisenbahn in der Gewerkschaft Vida, Roman Hebenstreit, im Namen der Belegschaftsvertretung den MitarbeiterInnen des ÖBB. Allerdings gab die Gewerkschaft Vida weder eine politische Stellungnahme zu den konkreten Vorfällen ab, noch waren Vida, andere Gewerkschaftfraktionen oder der Dachverband ÖGB sichtbar auf der Demonstration vertreten, wobei es gerade jetzt so wichtig wäre, solidarisch mit allen ArbeitnehmerInnen zu sein, egal welche Nationalität diese haben. In einer aktuellen Presseaussendung schreibt ÖGB-Vizepräsidentin Anderl: „ÖGB-FunktionärInnen und Beschäftigte helfen und sind an vielen Projekten beteiligt: Spenden werden gesammelt und nach Traiskirchen gebracht, Veranstaltungen für Flüchtlinge werden organisiert. Dort wo es möglich ist, versucht der ÖGB auch mit Unterbringung, wie zum Beispiel in Salzburg, zu helfen.“ – Das ist zwar schön zu lesen, jenseits dieser Presseaussendung ist davon jedoch relativ wenig zu sehen. Wo ÖGB-Strukturen aktiv sind, muss dies auch den Mitgliedern und der Öffentlichkeit mitgeteilt werden, um Beteiligung zu ermöglichen! Klammheimliche und symbolische Aktionen sind einer echten Gewerkschaft unwürdig. Der ÖGB muss seine Ressourcen offen zur Verfügung stellen: zum Helfen und zum Kämpfen! Nur durch eine aktive Beteiligung des ÖGB an den aktuellen Kämpfen kann verhindert werden, dass Flüchtlinge, wenn der Kampf um Bleiberecht erfolgreich ist, zur rassistischen Spaltung der Bevölkerung und als Lohndrücker benutzt werden.
Raus zum 3. Oktober! Mobilisierung in Betrieben und Schulen
Die Demonstration am 3. Oktober wird der nächste große Prüfstein der Bewegung. So wie es aussieht, werden wohl mehrere zehntausend Menschen demonstrieren. Es ist notwendig, in Betrieben, Schulen usw. dafür zu mobilisieren. Hier kann der ÖGB, jenseits schöner Presseaussendungen, zeigen, wie solidarisch er ist. Mobilisierungsaktionen für die Demo können mit Spendensammlungen einhergehen. Flüchtlinge können in Betriebe und Schulen eingeladen werden, um von ihrer Situation zu erzählen. Viele Flüchtlingskinder werden diese Tage eingeschult. Ihnen fehlt es am Notwendigsten, um am Unterricht tatsächlich teilnehmen zu können. Aktionskomittees an Schulen können Hilfe vom Bleistift bis zum Wörterbuch organisieren, aber auch für mehr Ressourcen an den Schulen kämpfen. Die Gewerkschaft GÖD hat zurecht die Forderung nach mehr Betreuungspersonal und LehrerInnen mit denselben Muttersprachen wie die Flüchtlingskinder erhoben. Die SPÖ verleumdet diese Forderungen skandalöserweise als „billige Polemik“. Auch an den Schulen wird also konkrete Hilfe, Mobilisierung für die Demo und politischer Kampf darüber hinaus Hand in Hand gehen müssen.
Aktionskomittees an Schulen und Betrieben können also eine wichtige Rolle für konkrete Hilfe und die Mobilisierung für den 3. Oktober spielen. Eine solche erfolgreiche Mobilisierung würde auch den Charakter der Demonstration prägen. Am 31. August wollten die OrganisatorInnen, dass die TeilnehmerInnen als „unpolitische Einzelpersonen“ teilnehmen. Sie scheuten die politische Konfrontation und stellten keine klaren Forderungen auf. In der Realität sind wir alle aber weder unpolitisch noch Einzelpersonen: Wir kommen mit unseren Ideen, und Ansichten einerseits, mit unseren FreundInnen und KollegInnen andererseits auf die Demo. Und wir wollen nicht nur gemeinsam spazieren gehen, sondern diskutieren und mit gemeinsamer Stimme fordern. Dies passierte auch bei den letzten Demonstrationen, egal, was die VeranstalterInnen davon hielten. Als Sozialistische Linkspartei intervenierten wir mit Flyern, verkauften rund 200 Zeitungen und führten viele gute Diskussionen mit DemoteilnehmerInnen. Am 3. Oktober braucht es nicht „unpolitische Einzelpersonen“, sondern möglichst viele Organisationen, Belegschaften und andere Zusammenhänge, die Forderungen formulieren und die Bewegung weitertragen können!
Das bedeutet auch unweigerlich, die Wien-Wahlen in die Strategie der nächsten Wochen miteinzubeziehen. Wien hätte ohne Probleme die Kapazitäten, genügend Wohnraum, Jobs und Bildungschancen für alle – Flüchtlinge und WienerInnen – zur Verfügung zu stellen. Zum Beispiel stehen ca. 80.000 Wohnungen aus Spekulationsgründen leer. Der Druck auf die Stadtregierung muss erhöht werden, um konkrete Verbesserungen zu gewinnen – v.a. im Wahlkampf wollen SPÖ und Grüne nicht im schlechten Licht erscheinen und können zu Zugeständnissen gezwungen werden, auch weil viele ihrer WählerInnen gerade jetzt in der Bewegung aktiv sind. Angesichts der sich ständig zuspitzenden Lage ist es noch bitterer, dass es nicht gelungen ist, eine ernsthafte linke wienweite Kandidatur, die soziale Kämpfe ins Zentrum stellt, aufzubauen. So eine Kraft hätte Flüchtlingen und HelferInnen eine wichtige Stimme verschaffen können. Auf der Liste der SLP kandidiert mit Mohammad Numan ein verdienter Flüchtlingsaktivist auf einem Spitzenplatz – so wollen wir im Kleinen zeigen, wie eine größere linke Kandidatur aussehen kann. In unserem Wahlkampf werden wir konkrete Hilfsaktionen für und mit Flüchtlingen setzen und diese mit einem politischen Programm verbinden.
Doch auch über den Horizont der Wahlen hinaus müssen wir denken und handeln. Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass sich die Situation mittelfristig tatsächlich entspannen wird. Die Flüchtlingswellen werden weiterrollen, solange blutige Barbarei in Nordafrika weitergeht. An dieser Barbarei ist der imperialistische Westen hauptschuld und er profitiert nach wie vor von ihr. Um den Wahnsinn tatsächlich zu stoppen, müssen wir eine Bewegung aufbauen, die die kapitalistischen Todesmaschine brechen kann. Dies bedeutet einen konsequenten Kampf aller von Armut, Arbeitslosigkeit, Krise und Krieg betroffenen gegen diese Regierung, diese EU und dieses System. Es bedeutet, „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist.“ - Karl Marx