Mi 02.09.2015
In Israel regiert die Nationalkonservative Partei „Likud“, mit einem sexistischen Bildungsminister. Gibt es in Israel eine relevante feministische bzw. antisexistische Bewegung?
Seit September letzten Jahres gibt es eine feministische Bewegung in Israel. Sie heißt „Brecht das Schweigen – Kämpft um Befreiung und Gleichberechtigung“. Das ist eine Bewegung von Oberstufen-SchülerInnen – beider Geschlechter – gegen Diskriminierung durch einen Dresscode.
Bei uns gibt es – wie teilweise auch in anderen Ländern – einen Dresscode, dieser verbietet das Besuchen der Schule in Hosen, die nicht über das Knie gehen, oder Shirts ohne Ärmel – manchmal sind sogar Shirts mit einem „V-Ausschnitt“ verboten. Dieser Dresscode gilt formell für weibliche und männliche SchülerInnen, aber in der Realität wird er meist nur auf Schülerinnen angewandt.
Als das letzte Schuljahr begann, fingen viele junge Frauen an gegen diese Art der Diskriminierung zu protestieren. Sie fragten ihre LehrerInnen, warum sie sich nicht so „freizügig“ wie ihre männlichen Mitschüler kleiden dürfen. Die Antworten, die sie bekamen, waren sehr sexistisch: „Es hindert deine männlichen Mitschüler am Lernen!“ Oder: „Deine Lehrer sind auch nur Männer, welche dann vom Lehren abgehalten werden“.
Diese Antworten zeigen eine sexistische Sichtweise, die die Frau als Sex-Objekt sieht, während der männliche Körper nicht als solches gilt. Das sorgte dafür, dass eine Menge Frauen versuchten, sowohl in Schulen als auch bei nationalen Demonstrationen, dagegen zu protestieren. Es gab zwei Demonstrationen zu denen 200 SchülerInnen kamen, aber hunderte mehr protestierten an ihren eigenen Schulen.
Wie sieht eure Arbeit gegen diese sexistische Schulpolitik aus?
Aktuell versuchen wir uns auf das nächste Schuljahr vorzubereiten. Wir haben Kontakt zu ein paar Frauen in meiner Umgebung – Haifa – und wir hatten Anfang August ein Treffen, bei dem wir ein Programm mit unseren Hauptforderungen zur Sexualerziehung diskutiert und erstellt haben. Wir haben eine Menge Kontakte in der feministischen Bewegung geknüpft und hoffen darauf, diese auch für sozialistische Ideen zu gewinnen.
Unsere Idee ist es, uns selbst in Gruppen zum Thema Sexualerziehung auszutauschen. Vor allem aber wollen wir eine allgemeine Aufmerksamkeit gegenüber Sexismus schaffen und SchülerInnen für unseren Kampf gewinnen und ihnen einen effektiven Weg zeigen in unserer Organisation – Sozialistische Bewegung – aktiv zu sein. Wenn wir genug Menschen für unsere Bewegung in aktiven Gruppen – vor allem in Schulen – gewonnen haben, denken wir über den nächsten Schritt nach, vielleicht eine lokale Demonstration, eine nationale Demonstration oder gar einen lokalen oder nationalen Schulstreik.
Haben die Anhänger dieser Bewegung Perspektiven?
Die Bewegung begann mit einer Facebookseite, auf der Frauen ihre individuellen Geschichten über Diskriminierung teilten. Eine der Sachen, die wir momentan versuchen, aus den sozialen Netzwerken in die Schulen zu gelangen und aktive Gruppen zu gründen, welche in den Schulen unsere Forderungen diskutieren.
Eine andere Sache, über die wir mit den jungen Frauen immer wieder sprechen müssen, ist: „Wer ist dein Feind?“. Sie personifizieren – in Form von LehrerInnen und SchulleiterInnen – den Sexismus und die Diskriminierung in den Schulen, aber wir müssen ihnen zeigen, dass das Problem nicht von den LehrerInnen und SchulleiterInnen ausgeht, sondern vom Ministerium für Bildung. Die LehrerInnen und SchulleiterInnen leben in einer sexistischen und objektivierenden Welt; sie werden ebenfalls sexistisch angegriffen.
Das Problem ist der Bildungsminister und seine Regierung, welche kein Geld für ein Sexualerziehungsprogramm ausgeben, keine LehrerInnen in dieser Thematik fortbilden und kein Geld ins gesamte Bildungswesen stecken wollen. Wir müssen die LehrerInnen dazu bewegen, dass sie unseren Kampf gegen Sexismus, sexualisierte Gewalt und Diskriminierung unterstützen.
Wie reagiert die Regierung auf die feministische Bewegung?
Der rechte Bildungsminister will die Verantwortung bei den LehrerInnen und SchulleiterInnen liegen lassen. Einige SchülerInnen haben einen Brief an ihn geschrieben und fragten ihn darin nach einem Kommentar zu der Bewegung und nach ein paar Wochen antwortete er oberflächlich, er denke alle SchülerInnen sollten sich sittsam kleiden und es sei der Job des Schulpersonals sich darum zu kümmern.
Was sind Eure Forderungen?
- Ein Kampf um Gleichberechtigung bei der Bekleidung in Schulen, welcher demokratisch von LehrerInnen, SchülerInnen und Eltern entschieden wird.
- Vergewaltigungskultur und Opferdiskriminierung stoppen! Nein zu Sexismus und Vorverurteilung, Ja zu Investition in der Sexualerziehung in Schulen und um Schulpersonal im Thema Sexismus fortzubilden.
- Nein zu Kürzungen im Bildungs- und Sozialbereich! Ja zu massiven Investitionen in die Entwicklung eines Bildungssystems welches qualitativ, pluralistisch und demokratisch ist.
Keshet Zamir ist aktiv in der Bewegung “Sozialistischer Kampf”, der Schwesterorganisation der SLP in israel und palästina. Das Interview führte Nino Berkhan