Mo 09.09.2013
Die mutige Bewegung der Flüchtlinge hat in der gesellschaftlichen Wahrnehmung mehr bewegt als diverse zivilgesellschaftliche Projekte der letzten zwei Jahrzehnte. Gleichzeitig hat sie dem bürgerlichen Staat samt aktueller Regierung trotz arg ungleich verteilter Mittel zumindest teilweise Paroli bieten können. Mobilisierungen und das Verbinden der Asylfrage mit dem Erkämpfen sozialer Anliegen sieht das Innenministerium nicht gern; gerade angesichts der weiterhin schwelenden kapitalistischen Krise. Die Serie an größeren Insolvenzen (Alpine, Dayli & Co.) belegt, dass die Zunahme der Arbeitslosigkeit andere Ursachen hat als Asylsuchende und Zuwanderung.
Die Flüchtlingsbewegung ist für die Herrschenden genau deshalb doppelt unangenehm. Der Ton in der „Asyldebatte“ wird nicht mehr allein durch die üblichen Hetzmedien sowie die Presseabteilungen der Systemparteien FPÖ, ÖVP und SPÖ gesetzt. Langfristig ist aber noch etwas anderes wichtiger. Wenn sich diejenigen erheben können, die es am schwersten haben, könnten Teile der „Mehrheitsbevölkerung“ und Schichten der ArbeitnehmerInnen folgen. Zuerst in ihren eigenen Kämpfen, als da wären: Kollektivvertrags-Verhandlungen, Jobabbau, Dienstrechts-Verschlechterungen und drohende Angriffe bei Krankenstand, Urlaubsregelungen, 12-Stunden Arbeitstag etc. Von Protest-Einzelbaustellen ausgehend könnte eine Generalisierung der Proteste drohen, so wie es sich im bedeutenden Streikjahr 2003 schlagartig (und für viele damals überraschend) entfaltete.
Den helleren Köpfen in SPÖVP, Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung ist klar, dass etwas Derartiges zehn Jahre später aufgrund des fortgesetzten sozialen Zerfalls und dem schmelzenden Grundvertrauen in das etablierte System von größerem Kaliber sein könnte. Deshalb ist mit einer Intensivierung polizeilicher Gewalt sowie politischen/juristischen Versuchen zu rechnen, soziale und Protest-Bewegungen zu kriminalisieren. Dies ist jedoch nicht Ausdruck der Stärke, sondern der Unruhe innerhalb der herrschenden Kreise.