Di 06.08.2013
In den 1990ern zerbrach Jugoslawien. Im Zuge der wirtschaftlichen Misere begannen die lokalen Parteibürokratien den jeweils anderen Teilrepubliken die Schuld an Inflation und Armut zu geben. Aus KP-BürokratInnen wurden nationalistische SeperatistInnen. Mehrere blutige Kriege waren die Folge. Besonders brutal in Bosnien. Umso bedeutender sind soziale Kämpfe, die nationale Spaltungen überwinden. Und diese nehmen in allen ex-jugoslawischen Gebieten zu. Im Juni blockierten tausende BosnierInnen – muslimische BosnierInnen, KroatInnen und SerbInnen gemeinsam – das Parlament in Sarajevo. 800 Menschen, PolitikerInnen und ManagerInnen verschiedener internationaler Konzerne, waren stundenlang im Parlament eingesperrt. Mit Sitzblockaden wurde das Gebäude komplett abgeriegelt.
Bürgerliche PolitikerInnen sind heute oft nicht mehr in der Lage, die einfachsten Probleme zu lösen. Grund für den gemeinsamen Aufstand war die Unfähigkeit, sich auf gemeinsame Personenregister zu einigen. Deshalb gab es für Neugeborene keine Möglichkeit auf einen Reisepass. Die schwer kranke Belima Ibrisevic konnte daher nicht nach Deutschland reisen. Spontan begannen am 5.6.in Sarajevo Protestkundgebungen. Rasch nachdem sich die ersten paar hundert DemonstrantInnen vor dem Parlament einfanden, kündigten die PolitikerInnen eine Einigung und eine Umsetzung in drei Monaten an. Die DemonstrantInnen ließen sich nicht abspeisen, sie mobilisierten weitere Menschen und blockierten das Parlament, um einen sofortigen Beschluss zu erzwingen. Die verschiedenen bosnischen Parteien begannen sofort, die jeweiligen anderen Parteien zu beschuldigen, „ihre“ Volksgruppe gegen die Partei einer anderen Volksgruppe mobilisiert zu haben. Es ist ein großer Erfolg, dass sich die DemonstrantInnen davon nicht beeindrucken ließen. Denn mit der Wirtschaftskrise besteht die Gefahr, dass der Nationalismus wieder eine stärkere Basis bekommt. Z. B. gibt es in Bosnien bei knapp 4,6 Millionen EinwohnerInnen offiziell 550.000 Arbeitslose. Doch die Blockade zeigt, dass viele Menschen über nationalistische Grenzen hinweg bereit zum sozialen Widerstand sind. Daran kann eine neue linke Bewegung in Bosnien anknüpfen.