Internationaler Frauentag 2011: Warum wir kämpfen und uns organisieren müssen

CWI

In den letzten Monaten sind Millionen Frauen weltweit aufgestanden, um den verheerenden Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf ihr Leben Widerstand zu leisten. Hunderttausende superausgebeutete Arbeiterinnen in Bangladesh, China, Kambodscha und anderen Ländern haben sich an einer Welle von Streiks beteiligt, die sich rasch von einem Land in Asien auf das nächste ausgebreitet hat. Millionen von Arbeiterinnen haben sich an den Generalstreiks in Frankreich, Spanien, Griechenland und Portugal und an den riesigen Protesten gegen Angriffe auf den öffentlichen Dienst, die sich über ganz Europa ausgebreitet haben, beteiligt. Besonders junge Frauen stehen an vorderster Front einer neuen Generation von Kämpferinnen der Studierendenbewegungen gegen Kürzungen und Studiengebühren in Britannien, Italien und anderswo. Und, natürlich, waren zehntausende Frauen Teil der überwältigenden Bewegungen in Ägypten und Tunesien für demokratische und soziale Rechte und für das Ende der diktatorischen Regime.

Es ist wahrscheinlich, dass es zu einer Intensivierung dieser Kämpfe in den kommenden Monaten kommt, besonders in jenen Ländern, wo der Sparstift am heftigsten wütet. Wir haben keine andere Wahl als zu kämpfen. In den letzten 40 Jahren haben die Leben von Frauen in den entwickelten kapitalistischen Ländern wichtige soziale Veränderungen durchgemacht. Ungleichheit, Diskriminierung und Unterdrückung sind zwar nicht ausgemerzt worden, aber wichtige Verbesserungen haben die Basis für die Idee gelegt, dass es bedeutenden Fortschritt gibt, der sich in der Zukunft ungebremst fortsetzen würde, und dass Gleichberechtigung für Frauen in Griffweite sei.

Die Situation in den neokolonialen Ländern Asiens, Afrikas, Lateinamerikas und des Nahen Ostens war allerdings eine andere. Aber selbst dort haben Globalisierung und die wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen in der Folge – besonders der zunehmende Eintritt von jungen Frauen in die Erwerbsarbeit – bedeutet, dass es Hoffnungen gab, dass sich die Dinge für Frauen weltweit verbessern könnten. Nun bedrohen die wirtschaftliche Krise und ihre Folgen diese Errungenschaften. Das würde eine massive Verschlechterung der Leben von Frauen in den entwickelten Ländern und ein Desaster für die Frauen in der neokolonialen Welt bedeuten.

Die Krise enthüllt, was das CWI stets argumentiert hat – die Unvereinbarkeit von Kapitalismus und Frauenbefreiung, egal in welchem Teil der Welt. Ausbeutung und Unterdrückung sind das Herz des kapitalistischen Systems, in dem Profit und Konkurrenz regieren. Nur durch einen Kampf gegen das System und für eine sozialistische Alternative kann es Aussicht auf Verbesserungen geben.

Warum wir kämpfen und uns organisieren müssen

Frauen und Arbeit

In den vergangenen Jahrzehnten war der Eintritt von Frauen in Erwerbsarbeit ein globales Phänomen. In einigen Ländern gibt es nun mehr Frauen als Männer, die in Beschäftigung stehen. Während Frauenlöhne weltweit im Durchschnitt niedriger als jene von Männern sind, hat dieser Prozess allerdings mehr Unabhängigkeit von Frauen bedeutet und eine Veränderung ihrer Einstellung und jener der Gesellschaft allgemein.

In der ersten Phase hatte die wirtschaftliche Krise gemischte Auswirkung auf die Beschäftigung von Frauen. Wo sich die Arbeitsplatzverluste hauptsächlich auf Industrie und Bauwesen konzentrierten, waren die am härtesten Betroffenen Männer. Wo der Dienstleistungssektor betroffen war, wie in Britanninen zum Beispiel, sind es Frauen, die von Jobabbau und Arbeitslosigkeit besonders getroffen wurden. Nun wird in vielen Ländern der Öffentliche Dienst zusammengestrichen, was Frauen am schärfsten treffen wird. Laut in Britannien, wo in den nächsten Jahren der Abbau von einer halben Million Jobs im öffentlichen Dienst ansteht, veröffentlichten Studien werden 75% der Nachteile durch Kürzungen im öffentlichen Dienst von Frauen erlitten. Denn Frauen machen die Mehrheit im öffentlichen Dienst aus – die Lehrerinnen, Krankenschwestern, und kommunalen Beschäftigten, deren Arbeitsplätze bedroht sind. Gemeindebedienstete werden ihre Jobs verlieren. Gleichzeitig wird der Abbau der öffentlichen Dienstleistungen und Sozialleistungen Frauen besonders treffen.

Wirtschaftliche Unabhängigkeit

Steigende Arbeitslosigkeit und Kürzungen bei Sozialleistungen werden wachsende Armut für Frauen der ArbeiterInnenklasse und Teilen der Mittelklasse bedeuten – besonders für AlleinerzieherInnen. Wo arbeitslose Frauen wieder Jobs finden, werden diese wahrscheinlich schlecht bezahlt, unregelmäßig und prekär sein, ohne, oder mit nur ungenügender Absicherung im Krankheitsfall, bei Urlaub, Renten, Mutterschutz oder anderen Rechten. Löhne und Arbeitsbedingungen werden sowohl im öffentlichen Dienst wie im privaten Sektor massiv angegriffen.

Das wird die Abhängigkeit von Frauen von ihren Partnern verstärken und Beziehungen belasten. In der letzten Periode konnten sich Frauen durch bezahlte Arbeit, Sozialleistungen und öffentlichen Wohnungsbau zum Teil wirtschaftliche Unabhängigkeit leisten, die bedeutete, dass sie anders als frühere Generationen sich aus unglücklichen oder gewalttätigen Beziehungen lösen konnten. Seit Beginn der wirtschaftlichen Krise gab es eine Abnahme an Scheidungen in einigen Ländern (und bis zu drei Viertel aller Scheidungen werden für gewöhnlich von Frauen eingereicht). Das ist ein Zeichen, dass das Beenden einer Beziehung schwieriger wird und dass manche Frauen wie in der Vergangenheit aufgrund wirtschaftlicher Beschränkungen gezwungen sind, gegen ihren Willen bei ihren Partnern zu bleib

Bildung

Der leichtere Zugang zu höherer Bildung war einer der Schlüsselfaktoren für die Veränderungen im Leben und den Perspektiven von Frauen. Jetzt ist es zum ersten Mal so, dass in den entwickelten kapitalistischen Ländern die nächste Generation von Frauen vor einer schlechteren Zukunft als ihre Mütter stehen. Die Kommerzialisierung höherer Bildung, drakonische Kürzungen in den Bildungsbudgets und die Einführung oder Erhöhung von Studiengebühren wird jungen Frauen den Hochschulzugang und eine gute Bildung wesentlich erschweren und damit ihre Aussichten auf ein menschenwürdiges Leben verschlechtern. Selbst wenn sie akademische Bildung erreichen, bedeutet die schlechte Arbeitsmarktsituation, dass sie in befristete, schlecht bezahlte Jobs gezwungen werden und damit in ein Leben von Unsicherheit und Ausbeutung.

Öffentliche Dienstleistungen

Trotz großer Veränderung im Leben einiger Frauen sind sie nach wie vor die Hauptsorgenden für Kinder und andere Familienmitglieder. Mit den neoliberalen Kürzungen in der öffentlichen Kinderbetreuung, Altenpflege und anderen Dienstleistungen sind es für gewöhnlich Frauen, die diese Arbeit unbezahlt in der Familie übernehmen. Dadurch werden immer mehr Frauen gezwungen sein, ihre Jobs aufzugeben. Es wird für arbeitslose Frauen schwieriger, wieder in ihren Job einzusteigen und die Doppelbelastung in Verbindung mit der Sorge für Haushalt und Familie für jene erhöhen, die noch einen Job haben. Kürzungen und Privatisierung werden zu einer Verschlechterung der Qualität von Dienstleistungen und der Arbeitsbedingungen sowie Löhne der betroffenen Beschäftigten mit sich ziehen.

Gewalt gegen Frauen

Eine von fünf Frauen erlebt zumindest einmal in ihrem Leben Gewalt von seiten eines Partners oder Ex-Partners. In den entwickelten kapitalistischen Ländern wird eine von sieben vergewaltigt. In einigen Teilen der Welt wird die brutale Massenvergewaltigung von Frauen als Waffe in der Kriegsführung eingesetzt. Es gibt aufgrund steigender Armut ein Anwachsen von Frauenhandel im Rahmen der Sexindustrie. Das wird sich mit der wirtschaftlichen Krise weiter verschärfen.

Gewalt gegen Frauen hat ihre Wurzeln in der Idee (die in manchen Gesellschaften immer noch vorherrscht), dass Frauen das Eigentum von Männern sind. Sie wird verstärkt durch die wirtschaftliche Abhängigkeit von Frauen von ihren Partnern und den Einkommensungleichheiten zwischen Männern und Frauen sowie der Tatsache, dass der Kapitalismus selbst auf Privateigentum und Ungleichverteilung von Macht und Wohlstand beruht. Gewalt wird vom Kapitalismus oft eingesetzt, um seine Interessen zu verteidigen (wie TextilarbeiterInnen in Asien und Studierende in Europa aus erster Hand erfahren haben). Armut und Arbeitslosigkeit verursachen nicht häusliche Gewalt. Gewalt passiert quer über alle sozialen Schichten und Klassen. Aber diese Faktoren können ein Auslöser für Gewalt in der Familie sein und die wirtschaftliche Krise verstärkt das.

In vielen Ländern hat sich in den letzten drei Jahrzehnten die Haltung zu Gewalt gegen Frauen radikal verbessert. Fortschrittliche Gesetze wurden verabschiedet im Bezug auf häusliche Gewalt und es gibt eine generelle Anerkennung, dass es sich um ein ernstes Verbrechen handelt, das angegangen werden muss. Aber die drastischen Kürzungen in öffentlichen Dienstleistungen können diesen Fortschritt unterminieren. Fehlende Kinderbetreuung, Kürzungen oder Schließungen von Frauenhäusern oder Krisenzentren werden es Frauen erschweren, Gewalt in der Familie (wo die meiste Gewalt stattfindet) zu entfliehen. Gleichzeitig bedeuten Kürzungen im öffentlichen Transport, Straßenbeleuchtung etc., dass die Straßen für Frauen unsicherer werden. Die Finanzierung von Krisenzentren für Vergewaltigungsopfer sowie Unterstützung für Frauen, die missbraucht wurden, ist ebenso in Gefahr.

Reproduktionsrechte

In den letzten zehn Jahren haben 19 Länder ihre Abtreibungsgesetze liberalisiert, aber Millionen leben immer noch in Ländern, in denen Abtreibung illegal ist oder bestraft wird. Weltweit werden jedes Jahr rund 20 Millionen illegale Abtreibungen durchgeführt – mit 70000 Todesfällen und Millionen von Verstümmelungen als Folge. In einigen Ländern gibt es fortgesetzte ideologische Angriffe auf das Abtreibungsrecht – diesen Angriffen muss gekontert werden. Aber in vielen Ländern bedrohen Einsparungen im Gesundheitswesen das Recht auf Abtreibung. Kürzungen bedeuten außerdem Erschwerungen in der Behandlung von Unfruchtbarkeit. Weitere Schließungen und Kürzungen bei Einrichtungen, die Verhütungsmittel und Aufklärung anbieten, betreffen vor allem junge Frauen.

Sexualität und Sexismus

Millionen von Frauen sind von furchtbaren Eingriffen in ihre Sexualität betroffen, auch von der barbarischen Praxis der Genitalverstümmelung. In vielen fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern ist die Haltung gegenüber Sexualität und persönliche Beziehungen zwar liberaler geworden. Im Allgemeinen fühlen Frauen sich befreiter, ohne die Einschränkungen durch Moral, Gesellschaft oder Religion. Aber im Kapitalismus wird sexuelle Befreiung gleichzeitig vom Profitstreben und existierenden Ungleichheiten verzerrt. Das kapitalistische System verwandelt alles in eine Ware, inklusive des weiblichen Körpers – sowohl direkt durch die Sexindustrie, wie auch indirekt durch Sexismus in der Werbung, um Produkte zu verkaufen. Dieser Sexismus bietet bestimmte Frauenbilder, die stereotyp und stark eingeschränkt sind, und oft Frauen schädigen. Diese Verwandlung von Frauen in Objekte verstärkt reaktionäre Haltungen, inklusive Gewalt, und untergräbt als Folge Frauen in ihrem umfassenderen Kampf für ökonomische und soziale Rechte.

Frauen wehren sich

Die enormen Proteste und Streiks, an denen Frauen in der letzten Zeit teilgenommen haben, zeigen, dass der Angriff auf die Errungenschaften, die erkämpft worden sind, nicht ohne Kampf durchgehen wird. Die Kämpfe von TextilarbeiterInnen in Asien und dem Nahen Osten zeigen, dass selbst die am meisten ausgebeuteten Frauen bereit sind, sich zu wehren. Der Abbau von Frauenrechten wird nicht linear erfolgen. Die bedeutenden Veränderung in sozialen Einstellungen, die besonders in den entwickelteren kapitalistischen Ländern stattgefunden haben, können nicht einfach wieder zurückgenommen werden. Frauen (und viele Männer) werden nicht akzeptieren, dass der Platz einer Frau in der Familie und nicht am Arbeitsplatz ist. Frauen werden entschieden kämpfen, um die wirtschaftlichen und sozialen Rechte, die erkämpft wurden, zu verteidigen. Es wird ohne Zweifel Versuche geben, alte Vorurteile wiederzubeleben, um diese Kämpfe zu untergraben, und einen Keil zwischen Männer und Frauen zu treiben, besonders am Arbeitsplatz. Alle Versuche, die ArbeiterInnenklasse entlang von Geschlechterlinien zu spalten und zu schwächen, müssen entschieden bekämpft werden, weil ein erfolgreicher Kampf zur Verteidigung und Ausweitung von Frauenrechten nur möglich ist, wenn es ein antikapitalistischer Kampf ist, der von der ArbeiterInnenklasse als ganzes geführt wird.

Sozialismus

Auf der Basis von Konkurrenz und der rücksichtslosen Jagd nach Profiten schafft der Kapitalismus Ausbeutung, Armut, Unterdrückung, Gewalt, Krieg und Umweltzerstörung. Es ist ein verrottetes System, das die Leben von ArbeiterInnen und Jugendlichen nicht nur einschränkt sondern auch zerstört. Frauen sind dabei doppelt unterdrückt und eingeschränkt, und haben daher ein besonderes Interesse, für eine Alternative zum kapitalistischen System zu kämpfen.

Eine sozialistische Alternative würde auf öffentlichem Eigentum statt Privateigentum an Produktionsmitteln basieren, und zwar unter demokratischer Kontrolle durch jene, die produzieren und konsumieren, und nicht durch eine reiche Elite. Das wäre eine Gesellschaft, in der Bedürfnisse statt Profite bestimmen würden, was und wie produziert wird und wo ungleiche und hierarchische Beziehungen von Reichtum und Macht durch Kooperation, Gleichheit und gegenseitigen Respekt national und international ersetzt würden.

Das Leben jedes Einzelnen könnte so viel anders sein – besonders jenes von Frauen. Eine demokratisch geplante Wirtschaft würde Ressourcen freisetzen um ein menschenwürdiges Einkommen und wirtschaftliche Unabhängigkeit aller zu garantieren. Öffentliche Dienstleistungen wie Kinderbetreuung, Gesundheit, Bildung, Wohnungsbau, Verkehr würden Frauen eine wirkliche Wahl in jedem Aspekt ihres Lebens gewähren. Eine Gesellschaft, die auf Gleichberechtigung und Zusammenarbeit aufbaut, könnte die Basis legen, um alle Formen von Sexismus und Gewalt gegen Frauen zu beseitigen. Frauen wären endlich wirklich befreit.