Di 17.08.2010
Laut der UN brauchen sechs Millionen Menschen dringend Hilfe zum Überleben. Sie können ohne notwendige Hilfe und Unterstützung nicht überleben. Die UN hat eine der größten Hilfsaktionen ihrer Geschichte angekündigt. Nach dem Tsunami im indischen Ozean bekamen etwa fünf Millionen Menschen Unterstützung von der UN, während die geschätzten 300.000 zerstörten Häuser in Pakistan in der Größenordnung der Zahlen des verheerendn Erdbebens in Haiti liegen.
Allerdings ist nach Zahlen der Katastrophenschutzbehörde (NDMA) die Zerstörung in Pakistan viel größer als bisher angenommen. Nach NDMA-Angaben sind bisher insgesamt 11 Millionen Menschen betroffen, 750.000 Häuser in 8.604 Dörfern sind beschädigt oder zerstört. Die größten Schäden sind in den acht Distrikten der Provinz Khyber Pakhtunkhwa und sieben Distrikten der Provinz Punjab entstanden. Bisher sind auch vier Distrikte der Provinz Sindh und einige Gebiete in Kaschmir, Belutschistan und Gilgit-Baltistan betroffen.
Hunderttausende Menschen, darunter Kinder, Alte und Frauen, leben unter freiem Himmel ohne irgendeinen Unterstand oder Zelte. Sie sind einerseits mit sehr heißem und feuchtem Wetter und andererseits mit strömendem Regen konfrontiert. Der Regen macht die Situation noch schlimmer. Tausende Menschen sitzen seit Tagen zwischen Wassermassen fest, ohne sauberes Trinkwasser oder Nahrung.
Die Infrastruktur ist ebenfalls betroffen, Brücken, Schulen, Krankenhäuser, Straßen und Kommunikationsmöglichkeiten wurden vernichtet.
Die von den jüngsten Überschwemmungen verursachte Zerstörung ist beispiellos. Neben der unmittelbaren Auslöschung von Menschenleben und der Zerstörung öffentlichen und privaten Eigentums könnten die gesamten Auswirkungen der Katastrophe viel größer und weitreichender sein, als momentan eingeschätzt werden kann. Kurzfristig werden Nahrungsmangel, Überflutung der Felder und hohe Essenspreise wahrscheinlich alle Armen und ArbeiterInnen betreffen.
Schwache Reaktion
Die durch die Überschwemmung verursachte Zerstörung ist überall im Land sichtbar. Mehr als 1.500 Menschen sind ums Leben gekommen, hunderttausende Familien sind jetzt obdachlos, Felder und Besitz im Wert von Milliarden Rupien wurden zerstört. Die Regierung behauptet, die Zerstörung sei Folge einer Naturkatastrophe, aber in Wirklichkeit wären die Schäden nicht so groß, wenn die Herrschenden und die zuständigen Behörden versucht hätten etwas zu unternehmen, um die Situation zu verbessern.
Pakistan erlebt die größte Flutkatastrophe seiner Geschichte. Katastrophal ist auch die vollkommen unzureichende Reaktion des Staates auf das Ereignis, die viele vermeidbare Todesfälle verursacht hat. Es scheint, dass trotz wiederholter Katastrophen die staatlichen Institutionen wenig aus den Erfahrungen gelernt haben. Die Katastrophenschutzberhörde (NDMA), die gegründet wurde um mit Naturkatastrophen und Notsituationen umzugehen ist gescheitert. In der NDMA fehlen Ausbildung und Planung, um mit solchen Situationen umgehen zu können. Die mangelnde Bereitschaft und Reaktion der NDMA in der aktuellen Katastrophe ist selbst zu einer nationalen Katastrophe geworden. Diese Einrichtung wurde nach dem verheerenden Erdbeben 2005 gegründet. Sie wurde zunächst von einem Armeegeneral geleitet. Der aktuelle Leiter ist ein Ex-General. Es stellt sich die Frage, wie eine so wichtige Einrichtung erwartet Herausforderungen begegnen zu können, wenn sie noch nicht einmal Ausrüstung und Geräte für Rettungseinsätze anschafft und durch Mangel an Geld und ausgebildeten Kräften behindert wird.
Ob Erdbeben, Zyklone in Küstengebieten, Erdrutsche und die Bildung eines Sees im Gebiet von Attabat in Gilgit oder der Flugzeugabsturz von Margla – über viele Jahre hat sich die Fähigkeit des Staates Katastrophen zu begegnen stetig verschlechtert. Sensibilität gegenüber den Opfern und eine Vision, um ihre Probleme zu beheben fehlen völlig. Die unvermeidliche und eindeutige Botschaft, die bei den Menschen ankommt, ist, dass sie auf sich allein gestellt sind und für sich selbst kämpfen müssen. Andererseits haben die einfachen Leute einen bemerkenswertes Maß an Solidarität und Ausdauer gezeigt und eine Katastrophe nach der Anderen überstanden.
Es ist bemerkenswert, dass der Wetterdienst die Behörden darüber informiert hatte, dass in der Monsunzeit extreme Regenfälle erwartet wurden. Die MeteorologInnen sagten auch voraus, dass der Regen in den Einzugsgebieten der größten Flüsse starke Überschwemmungen verursachen könnte. Aber unverständlicherweise machten sich nach diesen Voraussagen die betreffenden Behörden nicht die Mühe, irgendwelche Vorsorgemaßnahmen zu treffen. Der Grund ist sehr einfach: die erwarteten Opfer waren die Armen und die arbeitenden Massen und nicht die „Eliteklasse Pakistans“. Jetzt hat der Premierminister selbst zugegeben, dass die Regierung den Fehler gemacht hat die Bevölkerung nicht rechtzeitig über die Flutgefahr zu informieren. Viele Maßnahmen hätten vorsorglich ergriffen werden können, um die Schäden zu begrenzen. Aber die Bürokraten in ihren komfortablen Büros mit Klimaanlagen haben ihre desinteressierte, beschämende Haltung gegenüber den Arbeitenden und den Armen erneut gezeigt. Die „Anstrengungen“ unserer Herrschenden, der großen Parteien, Unternehmen und staatlichen Einrichtungen werden nur zur Förderung ihrer eigenen Interessen in den Vordergrund gestellt. Die Zentralregierung und die Provinzregierungen haben die Unterstützungs- und Rettungsarbeiten erst spät und ohne ausreichende Planung begonnen. Die zivile Bürokratie hat wieder ihre Unfähigkeit und ihr Desinteresse an Hilfsmaßnahmen gezeigt. Das Scheitern der zivilen Bürokratie und der PolitikerInnen hat Betroffene erneut gezwungen bei der Armee nach Hilfe und Rettung zu suchen. Das Militär ist die zentrale Kraft bei den Unterstützungsmaßnahmen. Die Armee konnte ihr beschädigtes Image dadurch verbessern.
Profite vor Menschen
Großunternehmen, die Industriellen, Banken und Großhändler bereiten sich darauf vor, die Katastrophe vollkommen für ihren eigenen Vorteil auszunutzen. Sie haben die Preise für Nahrungsmittel, Waren des täglichen Bedarfs, Gemüse und Obst erhöht. Es gibt eine Flut von Preiserhöhungen im Land. Zucker kostet jetzt 74 statt 62 Rupien pro kg. Die Preise für Gemüse sind fast um 100 Prozent gestiegen. Tee ist um 30 Prozent teurer geworden. Die Preise für Trockenmilch, abgepackte Milch und Linsen wurden ebenfalls erhöht. Die Zentralbank hat Zinssätze erhöht um Kredite teurer zu machen. Transportunternehmen haben die Preise für LKWs und andere Möglichkeiten des Warentransports erhöht. In manchen Flutgebieten wurden Menschen gezwungen, 300 bis 400 Prozent mehr zu bezahlen, um ihren Besitz zu transportieren. Beim Personenverkehr ist die Situation ähnlich. Die Menschen fürchten mehr Preiserhöhungen, weil der Ramadan begonnen hat. Die Preise mancher Nahrungsmittel sind sogar in England und anderen europäischen Ländern niedriger, als in Pakistan. Die Regierung hat bereits die Kontrolle über Preismechanismen verloren. Die freie Marktwirtschaft bedeutet Freiheit für Großunternehmen, während Millionen von ArbeiterInnen und Armen leiden. Die Unfähigkeit der Regierung, Preise zu kontrollieren, und die Riesenprofite für eine Handvoll Reiche werden die Leben der bereits betroffenen Menschen noch unerträglicher machen. Die Gier nach Superprofiten wird die Preise für Nahrung und andere Küchengegenstände weiter erhöhen. Sogar für Familien aus der Mittelschicht wird es schwer, die ständig steigenden Essensausgaben zu zahlen. Wieder einmal zeigt sich, dass der Kapitalismus ein System ist, das auf Profiten basiert und nicht auf den Bedürfnissen der Bevölkerung. Unter dem Kapitalismus werden die Menschen weiter unter dem Elend und der Zerstörung sowohl natürlicher als auch von Menschen verursachter Katastrophen leiden. Die arbeitenden Massen leiden unter dem vom Kapitalismus verursachten Elend. Es gibt genug Ressourcen, um den betroffenen Menschen zu helfen, aber ihre faire und gleiche Verteilung ist notwendig. Diese ist auf kapitalistischer Grundlage nicht möglich. Der Sozialismus wird gebraucht, um dringend benötigte Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Eine sozialistische Planwirtschaft ist notwendig, um die derzeitige Katastrophe zu beenden und weitere Katastrophen zu verhindern. Die Verstaatlichung der Großindustrie, der Banken, Versicherungen und anderer wichtiger Wirtschaftszweige unter der demokratischen Kontrolle der ArbeiterInnen ist das Gebot der Stunde.
Seuchengefahr
Nachdem die Überschwemmungen weit verbreitet Tod und Zerstörung gebracht haben, stehen die Menschen in den betroffenen Gebieten jetzt vor einer neuen Bedrohung: Epidemien. In Anbetracht der Situation vor Ort ist die Verbreitungvon durch Wasser übertragener Krankheiten ein ernsthaftes Problem. Berichten zufolge wurden in einigen Distrikten von Sindh tausende PatientInnen wegen verschiedener Infektionskrankheiten behandelt. Berichte aus Khyber Pakhtunkhwa weisen darauf hin, dass über 100.000 Menschen, überwiegend Kinder, unter Durchfall und Gastroenteritis leiden. Hautkrankheiten und andere Leiden verbreiten sich in den Überschwemmungsgebieten, hauptsächlich durch kontaminiertes Trinkwasser. Solche Krankheiten können sich auch in andere Gebiete ausbreiten. Wenn die Regierung, und besonders das Gesundheitsministerium, den Opfern nicht genügend medizinische Einrichtungen zur Verfügung stellt, wird in diesen Gebieten eine neue Krise entstehen. Sauberes Trinkwasser und sanitäre Einrichtungen sind ebenfalls notwendig um die Verbreitung der Krankheiten zu stoppen.
ArbeiterInnen- und BäuerInnenhilfskomitees
Die betroffenen ArbeiterInnen, BäuerInnen und Armen in den Städten und auf dem Land können sich nicht auf die staatlichen Institutionen und Regierungsfunktionäre verlassen. Es ist notwendig, Arbeiter- und Bauernkomitees zu bilden um die Hilfsaktionen und später die Wiederaufbauarbeiten durchzuführen. Die Komitees müssen den betroffenen Menschen gegenüber rechenschaftspflichtig sein. Die Komitees sollten für die Hilfs- und Rettungsaktionen in ihren Gebieten verantwortlich sein. Sie müssen transparent und demokratisch arbeiten. Repräsentative Distriktkomitees sollten ebenfalls gebildet werden um die Arbeit auf Distriktebene zu koordinieren.
Die Progressive ArbeiterInnenföderation und die Kampagne für Gewerkschaftsrechte haben bereits auf nationaler Ebene ein ArbeiterInnenhilfskomitee gegründet. Viele landesweite und regionale Gewerkschaften beteiligen sich an den Komitees. Im Moment führen wir Hilfskampagnen in verschiedenen Teilen des Landes durch. Wir rufen alle Gewerkschaften und sozialen Bewegungen auf, zusammen zukommen und den betroffenen Menschen zu helfen, von denen die meisten BäuerInnen und ArbeiterInnen sind. Bisher haben wir mehr als einhundert Menschen geholfen. Viele mehr brauchen unsere Solidarität und Unterstützung zum Überleben.