Fr 17.10.2008
Seit dem Unfalltod von Jörg Haider wird über private und öffentlich-rechtliche Medien ein „Haider-Hype“ erzeugt. Insbesondere in Kärnten werden alleMöglichkeiten zur Mythenbildung genutzt - inklusive einer den kärntner SchülerInnen verordneten "Trauerstunde". Es wird das Bild eines integrativen, beliebten und umgänglichen Menschen gezeichnet, dass in krassem Gegensatz zu 20 Jahren Erfahrung mit dem Polarisier und Hetzer Haider steht (und zur Tatsache dass er im schwer alkoholisierten Zustand mit weit überhöhter Geschwindigkeit eine ernste Bedrohung war).
Besonders bedenklich ist die positive Bezugnahme diverser etablierter PolitikerInnen, insbesondere der SPÖ und der Grünen, auf Jörg Haider. Dadurch, sowie durch die breite Teilnahme von SPÖ- und ÖVP-PolitikerInnen beim Begräbnis, findet ein weiterer Schritt zur Normalisierung des Rechtsextremismus statt. Die breitgefächerten TeilnehmerInnen beim Begräbnis spiegeln Haiders Weltbild, die Fehler der etablierten Politik und deren fehlende Abgrenzung nach rechts wieder.
Haider der Rechtsextremist
Haider kommt aus einem rechten Elternhaus – beide Elternteile waren überzeugte Nationalsozialisten – und hat nie wirklich mit diesem Milieu gebrochen. Er war Mitglied von rechten Burschenschaften (Albia Bad Ischl, Silvania) und ist durch wiederholte positive Bezugnahme auf das Dritte Reich („ordentliche Beschäftigungspolitik“) und seine Akteure (er bezeichnete die Mitglieder der Waffen-SS als "anständige Menschen" mit "Charakter") negativ aufgefallen. Gerade auch unter seiner Führung wurden die FPÖ und später das BZÖ in Kärnten auch zur Heimat von Ultrarechten und Neonazis. In Kärnten gab es immer wieder Berührungspunkte zwischen Haider/FPÖ/BZÖ und z.B. der Kameradschaft IV der Waffen SS und andererseits eine klare Ausgrenzung und Missachtung von antifaschistischen WiderstandskämpferInnen und kärntner SlowenInnen. International hat Haider stets Kontakt zu verschiedensten rechtsextremen und Nazi-Organisationen gehalten.
Der Rechtsextremismus ist keineswegs homogen – und die unterschiedlichen Strömungen und taktischen Überlegungen waren der Hintergrund für die Abspaltung des BZÖs von der FPÖ. Und nicht, wie gerne dargestellt, das Haider im Alter „milde“ geworden wäre. Die Rolle, die die FPÖ auf Bundesebene als Hetzerin gegen MigrantInnen spielte, oblag in Kärnten dem BZÖ.
Haider war seit den 1980er Jahren maßgeblich verantwortlich für das Schüren rassistischer Vorurteile und immer rassistischere Gesetze und hat diese Politik in Kärnten gegen AsylwerberInnen, aber auch gegen die Kärntner SlowenInnen fortgesetzt.
Von Neoliberal zu Schein-Sozial
In den 1980er und 1990er Jahren vertraten Haider und die FPÖ neoliberale Dogmen. Privatisierung, Rückzug des Staates, Abbau von ArbeitnehmerInnenschutzgesetzen wurden rauf und runter gebetet. Haider trat offensiv gegen den ÖGB und Kollektivverträge auf und versuchte sehr konkret den ÖGB zu spalten und zu schwächen. Mit dem Wachsen einer gewissen Kapitalismuskritik Ende der 1990er Jahre schwenkte das rechtsextreme Lager um. Strache setzt stärker auf scheinbaren „Antikapitalismus“, aber auch Haider versuchte sich ein soziales Mäntelchen umzuhängen.
In der schwarz-blau-orangen Koalition hat Haider aber in der Praxis gezeigt, wofür er steht: Studiengebühren, Pensionsreform, Abbau des Sozialstaates, Ausbau des Überwachungsstaates... Auch in Kärnten sieht es nicht anders aus. Tatsächlich steigt die Arbeitslosigkeit in Kärnten stärker als im Bundesschnitt, die pro-Kopf-Verschuldung des Bundeslandes ist österreichweite Spitze. 16 % der Bevölkerung sind armutsgefährdet - der höchste Wert aller Bundesländer. Nur mehr 55 % aller KärntnerInnen haben einen Normalarbeitsplatz, 20.000 sind trotz Erwerbsarbeit arm ("working poor"). Auch die Kinderliebe ist ein Mythos: Überdurchschnittlich viele Kärntner Kinder (21 %) wohnen in armutsgefährdeten Haushalten. Zugleich hat sich die Zahl der KärntnerInnen mit hohen Einkommen (über 200% des Durchschnittseinkommens) in den letzten Jahren verdreifacht.
Ausnahmepolitiker Haider?
Das Haider die dominierende Rolle in der österreichischen Innenpolitik spielen konnte ist nicht auf seine „Genialität“ zurückzuführen. Zweifellos war er ein guter Redner und hatte ein Gespür für Stimmungen in der Bevölkerung. Aber der wirkliche Grund für seinen Aufstieg war die Politik von SPÖ und ÖVP seit den 1980er Jahren. Die Kombination einer Politik, die den Lebensstandard der ArbeiterInnenklasse immer weiter reduzierte (durch Stellenabbau in der Verstaatlichen Industrie und im Öffentlichen Dienst, durch Privatisierung und Sozialabbau) und eines politischen Establishments, dass immer Abgehobener agierte waren die Grundlage für seinen Aufstieg. Die Verbürgerlichung der Sozialdemokratie in den 1990er Jahren führte dazu, dass es keine Partei der ArbeiterInnenklasse mehr gab.
Das hinterließ ein Vakuum, das Haider und seine FPÖ füllen konnten. Statt einer kämpferischen Gewerkschaft und einer ArbeiterInnenpartei, die aktiv gegen den Sozialabbau eintritt konnte Haider mit seinem Rassismus Scheinantworten geben. Die immer stärkere Abgehobenheit der etablierten PolitikerInnen erlaubte es dem Millionär Haider eine scheinbare Volksnähe zu präsentieren. Die jetzige „Trauerstimmung“ – die von den Medien zweifellos massiv aufgebaut wurde – hat in dieser „Volksnähe“ eine gewisse reale Basis und drückt den Wunsch vieler Menschen nach weniger abgehobenen PolitikerInnen aus.
Niemals ausgegrenzt – Im Gegenteil!
Haider und die FPÖ wurden niemals ausgegrenzt – dasselbe gilt auch für Strache. Im Gegenteil haben SPÖ und ÖVP auf personeller und inhaltlicher Ebene immer wieder mit den rechtsextremen Parteien FPÖ und BZÖ gemeinsame Sache gemacht. Schüssel hat den Rechtsextremismus europaweit Salonfähig gemacht und gestärkt, indem er die FPÖ 2000 in die Regierung nahm. Die SPÖ hat sich ebenfalls wiederholt Angebiedert (Spargelessen mit Haider, Straches Vergangenheit als „Jugendtorheiten“ verharmlosen).
Die jetzige „Betroffenheit“ setzt diesen Kurs fort. Beim Begräbnis von Haider werden daher wohl die Spitzen von SPÖ und ÖVP und Bundespräsident Fischer neben NS-Verharmlosern von der SS-Kameradschaft IV, neben Neonazis und Burschenschaftern und neben den Spitzen des europäischen Rechtsextremismus teilnehmen. Damit setzen die etablierten Parteien einen weiteren Schritt in Richtung Integration von rechtsextremen Kräften. Anstatt klare Worte gegen Haider und seine hetzerische Politik zu finden werten die Regierungsspitzen rechtsextreme Kräfte auf und geben ihnen einmal mehr eine Möglichkeit sich in der Gesellschaft zu verankern. Dies entspricht einem europaweiten Trend der Abgrenzung der etablierten Politik nach links – zu antikapitalistischen Kräften, die ihre Politik in Frage stellen – und einer Anbiederung nach rechts – zu Kräften die mit ihrer Teile-und-Herrsche-Politik den etablierten Parteien nutzen.
Was tun?
Haider steht für eine Spaltung der Beschäftigten in In- und AusländerInnen und für Angriffe auf den Lebensstandard der ArbeiterInnenklasse. Daher wäre es die Aufgabe der größten ArbeitnehmerInnenorganisation – des ÖGB – ein deutliches Zeichen gegen die Lobhudelei und den „nationalen Trauer-Schluss“ zu setzen. Gemeinsam mit Organisationen der Kärntner SlowenInnen, der Opfer des Nationalsozialismus, der WiderstandskämpferInnen und mit antirassistischen und antifaschistischen Organisationen könnte der ÖGB ein deutliches und starkes Zeichen setzen, dass von den Menschen nicht einfach nur als Pietätlos gesehen würde, sondern eine deutliche und fundierte politische Kritik an Haider und seiner Politik darstellen könnte. Indem der ÖGB diese Chance nicht ergreift, ermöglicht er es dem Rechtsextremismus, ungehindert aufzutreten, sich in der Bevölkerung zu verankern und aufzubauen. Gemeinsam mit einer möglichen Fusion von FPÖ und BZÖ zur vielleicht stärksten Partei in Österreich wird davon künftig eine ernste Bedrohung für ArbeitnehmerInnen, MigrantInnen und Jugendliche ausgehen. Die rechtsextremen Kräfte können die Wut und Enttäuschung über das Establishment und – gerade vor dem Hintergrund der Finanzkrise – seiner Angriffe auf den Lebensstandard der ArbeiterInnenklasse künftig nutzen, wenn es keine linke Alternative gibt. Die SLP war Teil des Wahlprojektes LINKE und setzt sich für den Aufbau einer neuen Partei von ArbeitnehmerInnen und Jugendlichen mit sozialistischem Programm ein. Eine solche Partei ist notwendig um soziale Bewegungen und Kämpfe der ArbeiterInnenklasse zu organisieren und zu unterstützen und um den rechten Hetzern wirksam und auf allen Ebenen etwas entgegen halten zu können.