Fr 13.06.2008
Anmerkung der Redaktion: Auch wenn die Übergriffe gegen EinwanderInnen in Südafrika wieder zurück gegangen und aus den Massenmedien verschwuden sind, veröffentlichen wir hier die Übersetzung eines Artikels eines südafrikanischen Marxisten, der zum Zeitpunkt der Pogrome Ende Mai verfasst wurde.
Die Welle menschenverachtender Pogrome, die in den letzten zehn Tagen über die Elendsquartiere in direkter Nachbarschaft zu den Arbeitervierteln in der Provinz Gauteng, Südafrika, hereingebrochen ist, hat, soweit überschaubar, mehr als 30 Menschenleben gekostet und über 10.000 Menschen obdachlos werden lassen. Sie suchen unter unmenschlichen Umständen Unterschlupf in Polizeistationen, Kirchen und Häusern von mit ihnen sympathisierenden Menschen in den Vororten. Simbabwer haben Busse organisiert, um die Leute von dieser Hölle in jene zurückzubringen, aus der sie einst gekommen sind: Eine schier ausweglose Situation zwischen dem Todeskampf im wirtschaftlichen Niedergang und der Gewalt eines Mugabe-Regimes, das entschlossen ist, sich an die Macht zu klammern. Sonderzüge fahren, um MigrantInnen zurück nach Simbabwe und Mosambik zu bringen.
Die Täter haben sich schwarz-afrikanische ImmigrantInnen, Simbabwer, Mosambikaner, Somalier, Malawier, Sambier und Nigerianer ausgesucht. Sie greifen ihre Opfer in einem barbarischen Flut aus Wut und Hass mit Pangas (Macheten), Messern, Hämmern und Schusswaffen an. Beim schrecklichsten aller bisherigen Vorfälle wurde ein Malawier das Opfer der gefürchteten Halsband-Methode. Dabei werden Menschen bei lebendigem Leibe verbrannt. - Eine Reminiszenz an die Exzesse des Anti-Apartheid Kampfes, als der Kollaboration mit dem weißen Minderheiten-Regime Beschuldigte so gerichtet wurden. In über einem Dutzend Townships und Elendsvierteln wurden Häuser und „spaza“-Shops (Einrichtungen in schlecht gebauten Hütten, um mit informellen Geschäften das Überleben zu sichern) zerstört. Als arme Afrikaner sich gegen arme Afrikaner gerichtet haben, verloren ImmigrantInnen ihre Unterkünfte, ihre persönliche Habe und die kleinen Ersparnisse, die sie bei Seite zu legen in der Lage waren.
Die Mehrheit der schwarzen Arbeiterklasse teilt die fremdenfeindliche Haltung nicht, die diese Welle der Reaktion angeheizt hat. Selbst die Minderheit, die darüber verärgert ist, dass es besser ausgebildete Konkurrenten am unteren Ende des Arbeitsmarktes gibt, würde nicht auf Grundlage dieser Missgunst handeln. In Wirklichkeit herrscht ein unendliches Horrorgefühl und Abscheu innerhalb der Arbeiterklasse und der Mittelschicht gegenüber den schrecklichen Ereignissen. Die Wahrheit ist bis dato aber auch, dass kein organisierter Widerstand, keine Gegendemonstration und keine organisierte Verteidigung der Immigranten stattgefunden hat.
Tempo der Gewalt
Das hängt teilweise auch mit dem Schock darüber zusammen, mit welcher Plötzlichkeit die Gewalt ausgebrochen ist, in welcher Geschwindigkeit sie sich ausgebreitet hat und mit den zunehmenden Anzeichen für einen gewissen Grad an Organisiertheit, mit der die Reaktion Kreise zieht. Es muss aber auch eingeräumt werden, dass unter den unterdrückten, verzweifelten und entfremdeten Schichten der Arbeiterklasse eine brodelnde Unzufriedenheit herrscht, die sich in Menschenfeindlichkeit ausdrückt. Dieses Gefühl, das aus der Armut, dem Elend und der Erniedrigung resultiert, hat die explosiven Zutaten bereitet, die die Townships mit fremdenfeindlichem Hass entzündet haben. Zur Explosion kam es durch bewusst handelnde politische Opportunisten. Diese nutzten entschlossen und rücksichtslos die Möglichkeiten, um sich selbst als Warlords zu etablieren. Selbst politische Parteien, die von Amtsübernahmen profitieren wollen und auch kriminelle Elemenete agierten in dieser Art und Weise – mit Plünderung, Vergewaltigung und Diebstahl.
Doch die Grundlage für all dies liefert eine beinahe völlige Demobilisierung der Arbeiterklasse außerhalb des Arbeitsplatzes - vor allem in den Townships -, das allgemein sinkende Bewusstsein, der scharfe ideologische Rechtsruck des ANC und die moralische und politische Degeneration der politischen und wirtschaftlichen Eliten. Die Kampforgane, bekannt als “Locals”, zu denen auch die Township-Verwaltungen und die Jugendorganisationen gehören, welche von der COSATU (Congress of South African Trade Unions; Dachverband der südafrikanischen Gewerkschaften; Anm. d. Übers.) im Kampf gegen das Apartheidregime und die Bosse der 1980er Jahre gegründet wurden, sind seit langem verkümmert. Viele ehemalige AktivistInnen sind aufgesogen worden in Regierungspositionen, auf halbstaatlichen Posten (z.B. in halb- oder komplett staatlichen Firmen) und von der Kommerzwelt. Innerhalb der ANC-Strukturen sind echte Arbeiterklasse-AktivistInnen von Karrieristen, Opportunisten und Lückenfüllern aus den Funktionen gedrängt worden. Konflikte in den ANC-Strukturen, in Stadtverbänden, Bezirken und der Jugendorganisation machen sich in letzter Zeit an Störaktionen bei Zusammenkünften fest, die von Fraktionen durchgeführt werden. Beim Kongress der ANC-Jugend vergangenen Monat in der North West Province wurden unrinbefüllte Flaschen geschleudert und den Vorsitzenden auf dem Podium nackte Hintern gezeigt. In Limpopo (nord-östlichstes Bundesland Südafrikas mit über 5 Mio. Einwohnern; Anm. d. Übers.) kam es beim Begräbnis eines korrupten ANC-Führers zu Handgreiflichkeiten. Es gab sogar einen Mordfall aufgrund des Wettstreits um einen Regierungsposten in einem Township.
Die Regierung reagierte darauf mit einem Meisterstück an Unfähigkeit, Verwirrtheit und Ignoranz bezüglich dem, was diesen Ereignissen zugrunde lag. Die Justizministerin, Nosiviwe Mapisa-Nqacula (Ehefrau des ehemaligen Vorsitzenden der südafrikanischen Kommunistischen Partei und amtierenden Sicherheitsministers Charles Nqacula) reagierte zuerst damit, ImmigrantInnen bei der Rückkehr in ihre Heimatländer zu unterstützen. Innerhalb weniger Tage versprach sie dann allen ImmigrantInnen, in Alexandra bleiben zu können und dass sie vor Ablauf einer Woche wieder in ihre Häuser zurückkehren könnten. Dabei gelobte sie, allen - ob mit oder ohne legalen Status - humanitäre Hilfe zukommen zu lassen.
Das Innenministerium, das gemeinhin als unfähigstes Regierungsministerium angesehen wird, spielte neben der Polizei eine wichtige Rolle dabei, eine Atmosphäre der Abneigung gegen ImmigrantInnen zu schaffen. Eine Regierung, die das Ziel ausgegeben hat, den Kontinent unter der Führung des Philosophen-Präsidenten Mbeki in eine sogenannte “Renaissance” und ein “Afrikanisches Jahrhundert” zu leiten, hat an den Gesetzesbüchern zur “Kontrollierung von Fremden” von 1991 festgehalten. “The Post” (Tageszeitung in Sambia; Anm. d. Übers.) nannte dies in ihrer Ausgabe vom 21 Mai 2008 “ein archaisches Überbleibsel der Apartheid-Gesetzgebung, das mit internationalen Menschenrechten und der südafrikanischen Verfassung nicht in Einklang steht”.
Offizielle Gleichgültigkeit und Dementis
Die Botschaft an ImmigrantInnen, nicht willkommen zu sein, ist fest verwurzelt. Dies spiegelt sich im Desinteresse und der Verweigerung der Amts- und Würdenträger wider, die die systematischen Übergriffe gegen ImmigrantInnen in der Provinz Western Cape (mit der Landeshauptstadt Kapstadt; Anm. d. Übers.) im vergangenen Jahr und in Townships von Pretoria zu Beginn diesen Jahres leugneten. Offen zu Tage tritt dies, wenn Feindseligkeit gegen politische Asylbewerber, vor allem aus Simbabwe, formuliert wird. Wenn die künstliche Unterscheidung zwischen politischen Flüchtlingen und sogenannten Wirtschaftsflüchtlingen vorgenommen wird, übermäßig lange Antragsverfahren die Regel sind und ein Gesetz auf den Weg gebracht wird, das es der Polizei ermöglicht, jede Person ausfindig und dingfest machen zu können, um sie als Immigranten aktenkundig zu machen.
Besagtes Gesetz, das im Nachhinein wieder zurückgezogen wurde, hatte zur Folge, dass die Polizei einer dunkelhäutigen Mehrheitsregierung es in verabscheuenswürdiger Weise anwendete und Menschen willkürlich festgenommen wurden, nur, weil sie noch etwas dunkelhäutiger waren und deshalb ImmigrantInnen sein könnten. Damit nicht genug, reagierten weiße Großgrundbesitzer (im Original: “Afrikaner farmers”; Anm.- d. Übers.), die ihre Farmen nahe der Grenze zu Simbabwe haben, auf die zunehmende Anzahl von Flüchtlingen aus dem Nachbarland damit, den makabren Sport der Migranten-Jagd auszuüben. ImmigrantInnen, die Grenzkontrollen umgehen wollten und den Grenzzaun überquerten, wurden wie wilde Tiere gejagt.
Die kaltschnäuzige Abgestumpftheit gegenüber der Notlage der Massen Simbabwes, die sich in Mbekis Außenpolitik widerspiegelt, hat ihm weitläufig Hohn und Spott eingebracht und gleichzeitig die Vorurteile und die Brutalität der Anführer dieser fremdenfeindlichen Reaktion bestärkt.
Die politische Mission der ANC-Elite - und dies gilt sowohl für die Mbeki- als auch die Zuma-Fraktion - ist begrenzt worden auf die jämmerliche und zwanghafte Hauptbeschäftigung, der Selbstbereicherung. Die Entschlossenheit, mittels eines sogenannten Abkommens mit den Großunternehmen zu “schwarzem wirtschaftlichen Machtgewinn” (wörtlich: “black economic empowerment deal-making”; Anm. d. Übers.) um jeden Preis ihr Ziel der Selbstbereicherung zu erfüllen, durchdringt nahezu das komplette Spektrum öffentlicher Daseinvorsorge und jeden Teil des politischen und wirtschaftlichen Lebens. Das hat auch die letzten Reste an politischer und moralischer Autorität der ANC-Führung weggespült.
Nichts ist mehr heilig: Von den aufgrund einer AIDS-Politik der Regierung, die mit 1000 Opfern täglich Ausmaße eines Völkermords annimmt, wie Pilze aus dem Boden schießenden Beerdigungsinstituten bis zum privat betriebenen Aufnahmelager “Lindelani” für “illegale” ImmigrantInnen, von denen Zehntausende jedes Jahr abgeschoben werden, nachdem sie sich zuvor in einer für ihre unmenschlichen Bedingungen und die Polizeibrutalität berüchtigten Anlage aufhalten mussten. Einen beträchtlichen Profit stellt “Lindelani” für die Firmen des “schwarzen wirtschaftlichen Machtgewinns” sicher, die das Lager leiten. Sie schließen auch Einzelpersonen aus am Kampf gegen die Apartheid maßgeblich beteiligten Familien ein, die jahrelang als angesehene Gäste in den Ländern, die während des Anti-Apartheid-Kampfes als “Frontstaaten” bezeichnet wurden, lebten. Diese Nutznießer des “schwarzen Machtgewinns” profitieren daraufhin von den armen BürgerInnen der benachbarten Staaten und jetzt werden die ImmigrantInnen übel behandelt und abgeschoben. Die ANC-Führung hat das Gedenken entehrt an die Zehntausenden, die für das Ende der Apartheid sowohl in Südafrika als auch in den Nachbarstaaten (viele wurden Opfer der grenzüberschreitenden Angriffe des Apartheidregimes) gekämpft, sich aufgeopfert und dafür mit ihrem Leben bezahlt haben.
Während die ANC-Führung die jüngsten menschenfeindlichen Exzesse verurteilt und von Panik befallene Aufrufe rausbringt, die Regierung für das Missfallen über die mangelnde Daseinsvorsorge statt gleich betroffene AfrikanerInnen verantwortlich zu machen, leugnet sie gleichzeitig, dass die gewalttätigen Übergriffe irgend etwas mit Armut und Arbeitslosigkeit zu tun hätten. Sie bestehen darauf, dass es sich um bloße Kriminalität handelt oder das Werk “rechter Populisten”. Sie holen damit auch die moderne Legende einer “dritten Macht” wieder hervor, die hinter der Gewalt stehe. Wie Bewohner einer fernen Galaxie veröffentlichen ANC-Strukturen Pamphlete, in denen die Errungenschaften der Regierung im Wohnungsbau und die der Bereitstellung von Strom, Wasser und sanitären Anlagen für die Menschen im Elend skizziert werden!
Folgen neoliberaler ANC-Politik
Die neoliberale, kapitalistische Wirtschaftspolitik des ANC hat zu 40 Prozent Arbeitslosigkeit, einem tiefen Graben zwischen arm und reich, wachsender Schuldenlast in der Arbeiterklasse und vor allem einer Verbitterung geführt, die zunimmt, weil eine winzige dunkelhäutige Elite - die sogenannten “schwarzen Diamanten” - in Freiheit schwelgt und reicher wird als in ihren kühnsten Träumen je ausgemalt; während die Mehrheit der Bevölkerung in Armut dahinsiecht. Sie protzen mit ihrem Reichtum und verhalten sich den Massen gegenüber mit anmaßender Distanz. Diese hat es nach Ansicht der Reichen einfach noch nicht verstanden, dass der Strom, auf dem die Luxusliner der Eliten segeln, die Boote aller nach oben bringen wird. Die armen Massen müssten nur Geduld haben!
Von der ANC-Regierung mag erwartet worden sein, dass sie auf die Flut der Attacken auf Bahnhöfe durch Pendler aus der Arbeiterklasse, die durch die häufigen Ausfälle, Verspätungen und Stromsperren frustriert sind, durch die Sicherstellung eines anständigen öffentlichen Nahverkehrs für die Townships (wohin dunkelhäutige Menschen vom Apartheidregime abgeschoben wurden) in die Industriezentren und Städte reagiert hätte. Stattdessen baut die Regierung einen speziellen Bahnservice für die Elite auf: den “Business Express” von Soweto nach Johannesburg und Pretoria. Diesen Elite-Zug, in dem Wirtschaftszeitungen kostenlos ausliegen, können sich die Pendler aus der Arbeiterklasse nicht leisten. Die prestigeträchtige und phänomenal teure U-Bahn “Gautrain” verbindet nicht die Townships mit den Innenstädten sondern die Vororte mit dem Flughafen!
Auf die Stromausfälle und die ausufernden Lebensmittelpreise hat die Regierung mit einer Gefühlskälte á la Marie-Antoinette reagiert. Der Minister für Energie und Rohstoffe hat den Menschen empfohlen, einfach früher ins Bett zu gehen, weil Schlaf klüger machen würde! Der Finanzminister schlug vor, dass die Leute die Auswirkungen steigender Lebensmittelpreise durch Gemüseanbau im Vorgarten abmildern könnten! Im Teich der massenhaften Unzufriedenheit aufgrund solcherart Regierungspolitik, fischen die reaktionären Elemente, die die menschenfeindlichen Übergriffe anführen.
Aber weil in dieser Krisensituation von der ANC-Führung nicht erwartet werden darf, dass sie eine führende Rolle einnimmt, ist das offenkundige Unvermögen, diese fehlende Führungsrolle durch die organisierte Arbeiterklasse einzunehmen, ein eklatanter Punkt in dieser Situation - besonders im Hinblick auf den COSATU. Der Gewerkschaftsbund rief zwar zu einer Demonstration gegen die gegen ImmigrantInnen gerichteten Angriffe in Johannesburg auf. Er mobilisierte aber nur halbherzig für diese Veranstaltung, und sie zog nur 300 Menschen an! COSATU verteilte vorhersagbare Anklagen gegen Menschenfeindlichkeit und rief zu “afrikanischer Einheit” auf. Als Arbeiterorganisation feuerte COSATU auch die üblichen Worttiraden gegen die Unternehmer ab, indem er die Armen dazu aufrief, ihre Wut gegen die Kapitalisten zu richten. Die Regierung wird nur schwach kritisiert, deren Rolle und Verantwortung für diese Krise allerdings zentral ist. Die COSATU-Führung mobilisierte nicht auf der Basis einer konkreten Darlegung der direkten und offensichtlichen Verbindungen zwischen der Politik der Regierung und den Aktionen der Großkonzerne. Die südafrikanischen Kapitalisten haben es selbstverständlich nicht gestattet, Möglichkeiten auszulassen, die viel billigeren und - in vielen Fällen - besser ausgebildeten ArbeitsmigrantInnen auszubeuten und damit hart erkämpfte Errungenschaften der Arbeiterklasse zu unterlaufen. In diesem Zusammenhang werden die Aufrufe vom COSATU als abstrakt und bedeutungslos verstanden.
Cosatu zögert mit Kritik am ANC
Dieser Widerspruch liegt natürlich in der Entschlossenheit der COSATU-Führung begründet, weiterhin dem politischen Bündnis, der “Tripartite Alliance”, mit der südafrikanischen Kommunistischen Partei und dem ANC anzugehören. Wenn sie sich im Glanz ihrer führenden Rolle bei der Niederlage Mbekis im Kampf um den ANC-Vorsitz auf der ANC Konferenz in Limpopo aalen, wo ihr Wunschkandidat Zuma in den Sattel gehievt wurde, so sind die COSATU-Führer bei weitem zurückhaltender, wenn der ANC als solcher kritisiert gehört. Ergebnis dieser Politik ist, dass der COSATU unter seiner momentanen Führung seine Klassen-Unabhängigkeit aufgibt. Die Gewerkschaftsführer arbeiten aktiv daran mit, die Illusionen der ANC-Vorschläge zur Beilegung der Krise zu schüren, indem sie z.B. mit kommunalen Einrichtungen und der Polizei zusammen arbeiten, damit die Rädelsführer strafrechtlich verfolgt werden können.
Natürlich wäre es absurd, sich gegen die Ergreifung, Anklage und Inhaftierung aller jener zu stellen, die sich des Raubes, der Körperverletzung, der Vergewaltigung und des Mordes schuldig gemacht haben. Wir sollten aber dennoch nicht Ursache mit Anlass verwechseln. Wir haben es hier mit einem politischen und sozio-ökonomischen Problem zu tun, das Kriminelle - ungeachtet des Grades an Organisiertheit, die eine Untersuchung aufdecken könnte - für ihre Zwecke ausnutzen. Es besteht die Möglichkeit, die alte Tradition aus Kampf, Solidarität und Sozialismus wiederzubeleben. Trotz des ideologischen Zusammenbruchs, an dem die COSATU-Führung zu leiden scheint, bleibt die Arbeiterklasse die potentiell stärkste Kraft in der Gesellschaft. Eine kämpferische Führung der Arbeiterklasse müsste maßgeblichen Widerstand gegen die ANC-Regierungspolitk und fremdenfeindliche Übergriffe organisieren - einschließlich Gegendemonstrationen, organisierter Verteidigung von ImmigrantInnen und Streikaktionen.
Die Bewegung muss aufbauen auf den großartigen Demonstrationen der internationalen Arbeiterklasse, bei der die Transportarbeiter-Gewerkschaft ihre Solidarität zeigte und sich weigerte, Schiffladungen mit Waffen aus China für Simbawe zu entladen. Die Gewerkschaft handelte damit gegen die ANC-Regierung, die den Transport der Waffenlieferung durch Südafrika schon mit dem Hinweis auf “internationale Auflagen” genehmigt hatte. Der Sprecher der Kommune Khutsong ist Malawier. Dieses Township behauptete sich für über zwei Jahre als No-Go-Area für den ANC - sogar unter Zumas Vorsitz. Abgesehen von der politischen Unterstützung, die Südafrikaner im Kampf gegen die Apartheid genossen, wurde der Bergbau (die Basis der Wirtschaft) mit dem Schweiß und Blut der Arbeiter aus dem ganzen südlichen Afrika aufgebaut, die zusammen gegen Ausbeutung und Unterdrückung gekämpft hatten. Die nötigen politischen Bildungs-Kampagnen für die Massen, die die Aufgabe haben müssen, die Traditionen des Kampfes wiederzubeleben, müssen diese historischen Klassenfragen ganz oben auf die Tagesordnung setzen und sie mit den heutigen Kämfpen verbinden. Der Streik im öffentlichen Dienst letztes Jahr war der größte und längste in der Geschichte Südafrikas. Dieses Kalenderjahr begann mit dem ersten jemals ausgerufenen landesweiten Streik der Bergarbeitergewerkschaft für mehr Sicherheit.
Fremdenfeindliche Übergriffe sind eine Warnung für die Arbeiterklasse
Die letzte Woche der reaktionären, fremdenfeindlichen Gewalt ist eine Warnung, dass es, solange das Vakuum auf der Linken nicht durch eine Arbeiterpartei der Massen mit sozialistischem Programm gefüllt wird, in Zukunft wieder Versuche anderer Kräfte geben wird, die Unzufriedenheit - besonders unter den Ärmsten - auszunutzen. Mit einer sich zuspitzenden Krise der Weltwirtschaft, werden die objektiven Bedingungen den rechten Populisten, Demagogen und Kriminellen Möglichkeiten bieten, um eine soziale Basis aufzubauen. Ganz so, wie es die Anti-Einwanderungspartei bei den letzten Wahlen bereits versucht hat.
Bei den jetzigen fremdenfeindlichen Übergriffen wurde SiPedi-sprechenden Südafrikanern “Zurück nach Limpopo” und Angehörigen einer südafrikanisch-mosambikanischen Minderheit “Tötet die Shangaaner” entgegengerufen. Daher könnten zukünftige reaktionäre Ausbrüche eine andere Form annehmen. Wenn sich die Spaltung innerhalb des ANC verstärkt, könnten die jetzigen Untertöne der stark stammes-bezogenen “Xhosa nostra “ (eine Clique innerhalb der ökonomischen und politischen Elite, die wie Nelson Mandela und Thabo Mbeki der Volksgruppe der Xhosa angehört; Anm. d. Übers.) und des Zulu-Chauvinismus, die heute aus Teilen der Lager kommen, die Mbeki bzw. Zuma unterstützen, zur Basis für organisierte Auseinandersetzungen werden. Es wurde bereits berichtet, dass die Angreifer der letzten Woche den Anti-Apartheid-Song skandiert haben, den Zuma auch im Wahlkampf um den ANC-Vorsitz benutzte: “Awuleth’ mshiniwam” (‘Bringt mir mein Maschinengewehr’).
Für kommenden Samstag ruft die soziale Bewegung Indaba (ein Gemisch aus kleinbürgerlich geführten Ein-Punkt-Gruppen und Bürgerinitiativen wie etwa dem Antiprivatisierungsforum Soweto und dem Komitee gegen die Stromkrise in Soweto [Soweto Electricity Crisis Committee]) zu einer weiteren Demo auf. Bisher ist COSATU nicht dabei, obwohl der Versuch unternommen wird, ihn mit einzubeziehen.
Die reaktionäre Welle wird diesmal vorrübergehen. Aber zukünftige Ausbrüche fremdenfeindlicher und menschenverachtender Übergriffe sind auf der Basis allgemeiner Not und Knappheit so zwangsläufig wie Spannungen und Konflikte zwischen einzelnen Volksgruppen. Der beste Weg, um für die Zukunft gewappnet zu sein, wäre, wenn die Zusammenarbeit für den Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit als Plattform zum Aufbau einer Arbeiterpartei mit sozialistischem Programm für die Massen genutzt werden würde.