Di 30.10.2007
Weltweit gibt es – je nach Schätzung - 33-150 Millionen MigrantInnen. Das sind bis zu 3% der Weltbevölkerung. Nur ein Bruchteil davon hat seine Heimat freiwillig verlassen, dennoch ist nur ein geringer Teil davon als Flüchtlinge anerkannt.
Österreich: Schotten dicht!
In Österreich wurden 2006 bereits an der Grenze 30.000 Menschen zurückgewiesen. Im selben Jahr wurden 13.000 neue Asylanträge gestellt und nur 4063 positive Asylbescheide ausgestellt. Zur Zeit gibt es 34.634 offene Asylanträge, 11.000 davon länger als drei Jahre.
Wohl auch als Abschreckung ergehen in 1. Instanz kaum positive Bescheide. In 2. Instanz werden allerdings 40% dieser negativen Bescheide aufgehoben. Weiters werden 20% der negativen Bescheide der 2. Instanz in der 3. Instanz aufgehoben. Das zeigt die enorme Willkür, der sich Flüchtlinge gegenüber sehen. Ähnliche Leidenswege werden von unterschiedlichen RichterInnen gänzlich unterschiedlich bewertet. Eine über reale Chance auf Asyl haben zur Zeit Menschen aus Russland, Iran, Irak, Afghanistan, Somalia, Menschen aus dem ehemaligen und vom Krieg nach wie vor gezeichneten Jugoslawien haben kaum eine Chance.
Zynisch und Menschenverachtend
Wie zynisch das österreichische Asyl“recht“ ist wird anhand von zwei Regelungen deutlich. Die Drittlandsklausel macht es fast unmöglich, legal nach Österreich einzureisen und hier als AsylwerberIn anerkannt zu werden, da alle Österreich umgebenden Länder als „sicher“ gelten. Und die wenigsten Flüchtlinge können mit dem Flugzeug direkt aus ihrer Heimat kommen. Der zweite Zynismus ist der so genannte „subsidiäre Schutz“. Abgewiesene AsylwerberInnen, die im Heimatland an Leib und Leben bedroht sind, können subsidiären Schutz oder humanitären Aufenthalt erhalten und doch bleiben. D.h. sie erhalten zwar kein Asyl – obwohl sie offensichtlich in ihrer Heimat an Leib und Leben bedroht sind – können aber nicht abgeschoben werden.
Asyl = Willkür
Die Entwicklung der Anerkennungsquote zeigt die politischen Veränderungen. Früher galt Österreich als Asyl- und Einwanderungsland. Das hat sich in den letzten Jahrzehnten geändert. Die Anzahl der gestellten Asylanträge ist nach einem Einbruch in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre wieder auf 20-30.000 pro Jahr gestiegen.
Auch die Anerkennungsrate hat sich verändert: lag sie bis Anfang der 1980er bei über 40%, kam es unter dem SPÖ-Innenminister Löschnak und vor dem Hintergrund der erstarkten FPÖ-Hetze unter Haider ab 1989 zu einem Einbruch auf teilweise unter 10%. Seit 2000 liegt die Anerkennungsrate bei über 20%.
Asly-Migration-Wirtschaftsflüchtlinge
Die Gründe für Flucht sinken insgesamt nicht. Im Gegenteil gibt es eine Zunahme von Kriegen und bewaffneten Konflikten, von Umweltkatastrophen etc.. Aber die imperialistischen Staaten fahren seit einigen Jahren eine harte Abschottungspolitik. Die Grenzen werden mit Zäunen und Aufrüstung bis hin zu Mienenfeldern „geschützt“.
Diese Abschottungspolitik hält Menschen, die flüchten müssen nicht davon ab, zu versuchen, in ein Land zu kommen. Aber diese Abschottungspolitik schafft Illegalität und sie tötet Menschen. Jedes Jahr ertrinken hunderte Menschen aus Afrika beim Versuch nach Europa zu gelangen, in der Wüste von Arizona sind im Jahr 1994 mindestens 2000 Menschen beim Versuch, illegal in die USA zu gelangen, gestorben.
Das zeigt auch, wie schwer die Trennung zwischen Asyl und Migration ist. Das drückt sich im Begriff des „Wirtschaftsflüchtlings“ aus. Es ist zynisch, wenn Platter in Bezug auf Arigona und ihre Familie meint, „die wollen ja nur ein besseres Leben bei uns“. Tatsächlich entscheiden sich Flüchtlinge dazu ihr Land zu verlassen, weil sie dort keinerlei Zukunft sehen. Sie wollen nicht einfach nur „ein besseres Leben“, sie die wollen überhaupt ein Leben.
Ist die Trennung überhaupt zulässig?
Das "Asyl" hat in Europa vor allem religiöse Wurzeln. Durch das Kirchenasyl wurde ein Verfolgter der weltlichen Gerichtsbarkeit entzogen. Im arabischen Raum gibt es das "Gastrecht" welches Fremde – egal welchen religiösen Bekenntnisses – vor Verfolgung schützt. Ein juristisches Asyl“recht“ entstand erst später.
Im "Kalten Krieges" war „Asyl“ auch ein Propagandainstrument. Der "humane" Westen wollte sich vom „inhumanen, kommunistischen“ Osten abgrenzen. Nach dem Ungarnaufstand 1956 bzw. der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 wurden diese Flüchtlinge mit offenen Armen empfangen. Niemand erklärte, dass „das Boot voll“ wäre
Seither hat sich viel verändert. Die stalinistischen Staaten, die trotz all ihrer Verbrechen auch eine Systemalternative dargestellt haben, sind zusammengebrochen und existieren nicht mehr. Asyl als Propagandainstrument ist nicht mehr nötig. In Kombination mit geringeren wirtschaftlichen Ressourcen in Folge der Krise des Kapitalismus kommt es zu einer restriktiveren Asylpolitik.
Als SozialistInnen weisen wir darauf hin, dass die Trennung in Asyl und Migration oft problematisch ist. Wir beurteilen Menschen nicht aufgrund ihrer Nationalität, sondern aufgrund ihrer sozialen Zugehörigkeit. Unsere Solidarität gehört allen Menschen, die – wie wir – nicht reich sind, nichts zu verkaufen haben, als ihre Arbeitskraft.
Die ähnlichen Modelle der etablierten Parteien
Letztlich unterscheiden sich die verschiedenen bürgerliche Modelle von ganz rechts bis Grün/SPÖ nicht qualitativ, sondern nur in der Höhe der vorgeschriebenen Quoten bzw. der Dauer von Jahren im Land bis jemand Bleiberecht erhält.
SPÖ-Kanzler Gusenbauer versuchte angesichts der Welle der Solidarität mit Arigona der SPÖ ein menschliches Antlitz zu geben und meinte: "Für diese Menschen, die sich nichts zuschulden haben kommen lassen, sollte es ein Aufenthaltsrecht geben" (nach 10 Jahren, Anm.). Diese Aussage zu Propagandazwecken darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die gültige Regierungs- und SPÖ-Programmatik ganz anders aussieht. „Ein negativer Verfahrensausgang (eines Asylverfahrens, Anm.) führt direkt zur Anweisung der Ausweisung durch das Asylgericht, um das Verfahren zu beschleunigen.“ Auf der SPÖ-Homepage gibt es zum Begriff „Bleiberecht“ keinen einzigen Treffer.
Auch die Grünen Trennen strikt zwischen Asyl und Migration. Zur Migration verweisen sie einmal mehr auf ihr „Punktesystem“: „Das Grüne Punktesystem zur Steuerung der Erwerbsmigration ist eine dieser legalen Zuwanderungsmöglichkeiten. Das Punktesystem vergibt für Ausbildung, Sprachkenntnisse und qualifizierte Arbeitserfahrung Punktewerte….Diese orientieren sich primär an den Bedürfnissen des Einwanderungslandes, erlauben aber auch den EinwanderInnen vom Heimatland aus, ihre Chancen abzuschätzen.“
Im Mittelpunkt stehen auch hier die Interessen der Wirtschaft, nicht die Frage, warum ist die Situation in den Heimatländern eigentlich so unerträglich?!
Die ÖVP ist mit dem – auch von ihnen geschaffenem - Status quo zufrieden. FPÖ und BZÖ treten für eine Verschärfung ein.
Unmittelbar nach Bekannt werden des Schicksals von Arigona war von diesen beiden Parteien nichts zu hören. Sie hielten sich angesichts der Welle von Solidarität wohlweislich zurück. Dass sie nun, nach einiger Zeit, extrem aggressiv argumentieren spiegelt eine veränderte Stimmung wieder. Weil keine wirklichen Lösungen für Flüchtlinge wie Arigona gefunden wurde, weil die großen Organisationen der ArbeiterInnenbewegung – die Gewerkschaften – das Thema nicht aufgegriffen haben um eine solidarische Lösung zu finden, deshalb konnten rechte Kräfte das Stimmungs-Ruder herumreißen. Weil keine wirklichen Lösungen angeboten wurden, die die sozialen Ängste der ÖsterreicherInnen aufgreifen sondern v.a. moralisch argumentiert wurde entstand ein Vakuum, dass die Rechten zu füllen versuchen.
In den letzten Jahren hat sich die Haltung gegenüber Flüchtlingen verändert. Während in den 1990er Jahren die Hetze noch breiteste Unterstützung fand, mehren sich in letzter Zeit die Fälle von Gemeinden, die sich für „ihre“ Flüchtlinge einsetzen. Die Politik hat darauf mit der Kriminalisierung der HelferInnen geantwortet. Mit §115 des Fremdenrechtes - „Beihilfe zum unbefugten Aufenthalt“ – sollen Menschen davon abgehalten werden, zu helfen. 2006 gab es sechs Verurteilungen, in der 1. Hälfte 07 kam es bereits zu 69 Anzeigen, u.a. auch gegen die unbekannten HelferInnen von Arigona. Die Frage ist auch, ob Flüchtlinge künftig wieder stärker zentralisiert und isoliert – also in großen Flüchtlingslagern – untergebracht werden, um den Kontakt zu Bevölkerung und damit eine mögliche Solidarisierung zu verhindern.
Eine internationale Lösung ist nötig
Tatsächlich muss eine Lösung immer aufzeigen, wo die Ursachen für Flucht liegen. Nämlich darin, dass die Situation in den Heimatländern so unerträglich wird, dass Menschen flüchten müssen. Das geschieht durch die Ausbeutung der Rohstoffe durch multinationale Konzerne ohne dass die regionale Bevölkerung davon profitiert (wie z.B. in Nigeria). Oft wird dabei auch noch die Umwelt brutal zerstört. Auch Kriege und bewaffnete Konflikte, wie zur Zeit z.B. in Afghanistan oder dem Irak führen dazu, dass Menschen flüchten. Die meisten Fluchtursachen sind nicht „natürlich“ sondern das Ergebnis einer Politik, die einzig an der Maximierung von Profiten ausgerichtet ist. Der Kapitalismus ist also in der überwiegenden Zahl von Fällen die direkte oder indirekte Fluchtursache.
Eine sozialistische Antwort auf die Frage von Flüchtlingen muss daher eine internationale sein. Sie muss sich gegen den Kapitalismus wenden, wie das die SLP und unsere Schwesterorganisationen in rund 40 Ländern tut.
Auch bürgerliche Organisationen wie die EU sprechen von einer „internationalen Lösung“. Aber sie verstehen etwas gänzlich anderes darunter. Ihnen geht es darum, Flüchtlinge durch Drohung und Einschüchterung vom Flüchten abzuhalten. Sie sollen in ihren Heimatländern „besser informiert“ werden um ihnen das Flüchten „auszureden“. Es gibt auch Vorschläge für Auffanglager in der Region – obwohl ja bereits jetzt der absolut überwiegende Teil der Flüchtlinge niemals bis Europa kommt. Die EU-Staaten setzen bei ihrer „Flüchtlingspolitik“ oft auf die Zusammenarbeit mit den jeweils Herrschenden in den Herkunftsländern der Flüchtlinge. Da wird dann auch einmal bei der nigerianischen Botschaft nachgefragt ob die Situation für den Asylwerber in Nigeria „eh ungefährlich“ ist. Mehr lässt sich der Bock wohl nicht mehr zum Gärtner machen…
Auch die KPÖ sieht die Flüchtlinge in der EU als eine gesichtslose Manövriermasse und fordert „für eine vertraglich abgesicherte, sinnvolle Verteilung von Flüchtlingsströmen über ganz Europa… welche die Flucht von Menschengruppen dorthin ermöglicht, wo bereits eine entsprechende Minderheit und ethnische Gruppe existiert. Ein internationaler Abgleich und/oder eine internationale Hilfe im Krisenfall ist dabei vorzusehen.“
Für uns als SozialistInnen sieht unser Internationalismus anders aus. Für uns verläuft die Trennlinie zwischen unten und oben, nicht zwischen Nord und Süd - wir beurteilen Menschen aufgrund ihrer Klassenzugehörigkeit, nicht aufgrund ihrer Nationalität. Für uns sind MigrantInnen/Flüchtlinge auch Teil der ArbeiterInnenklasse und müssen volle Rechte und vollen Schutz haben.
ArbeiterInnenbewegung und Migrationsfrage.
Die Haltung von Organisationen der ArbeiterInnenbewegung zu MigrantInnen ist eine alte und kontroversielle Debatte. Letztlich lässt sich die Frage, ob eine Organisation reformistisch oder revolutionär ist, auch an ihrer Position zu MigrantInnen ablesen – haben sie einen Klassenstandpunkt oder einen nationalistischer Standpunkt?
Jene Gewerkschaften z.B. die in den USA bzw. in Australien MigrantInnen die Mitgliedschaft im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert verweigert haben, haben damit nicht nur den migrantischen ArbeiterInnen, sondern der gesamten ArbeiterInnenbewegung geschadet.
Die oft chauvinistische Position reformistischer Parteien im 20. Jahrhundert, die in ArbeiterInnen „rückständiger Rassen“ bzw. „zivilisierter Länder und unzivilisierter“ trennte hatte katastrophale Auswirkungen. Die Burgfriedenpolitik bzw. Unterstützung der jeweiligen „eigenen“ Bourgeoise im 1. Weltkrieg hat ihre Wurzeln in dieser Haltung. Auch in der Kolonialpolitik bzw. in ihrer Haltung zu den nationalen Befreiungsbewegung der Kolonien standen die ArbeiterInnenorganisationen aufgrund einer chauvinistischen Politik teilweise auf Seiten der Kolonialherren, anstatt die ArbeiterInnen in den Kolonien bei ihren Unabhängigkeitskampf zu unterstützen (z.B. zeigte sich das bei der ablehnenden Haltung der französischen ArbeiterInnenorganisationen zur Unabhängigkeit Vietnams.
Der ÖGB ist diesbezüglich ein besonderes Negativbeispiel. Jahrzehntelang gab es in Österreich nicht einmal ein passives Betriebsratswahlrecht für MigrantInnen. Der ÖGB fährt bis heute eine „ÖsterreicherInnen zuerst“ Politik. Diese extrem chauvinistische Haltung liegt in der besonders abgehobenen Gründungsgeschichte des ÖGB und seiner Verbundenheit mit dem bürgerlichen Staat.
Aber: Illegalisierung schwächt die ArbeiterInnenklasse
Illegale Arbeitskräfte sind von Seiten der Unternehmen durchaus erwünscht – für das Kapital sind Illegale die besten/billigsten ungelernten ArbeiterInnen überhaupt. Es gibt Schätzungen dass durch Illegale die Löhne jener ArbeiterInnen, die mit ihnen konkurrieren müssen, um 1-2% niedriger sind.
Beim Stuttgarter Kongress der 2. Internationale 1907 gab es heftige Debatten zum Thema. Letztlich wurde folgende Forderungen festgehalten:
„Gesetzlicher Arbeitsschutz durch Verkürzung des Arbeitstages, Einführung eines Minimallohnes…..Abschaffung aller Beschränkungen, welche bestimmte Nationalitäten oder Rassen vom Aufenthalt in einem Lande und den sozialen, politischen und ökonomischen Rechten der Einheimischen ausschließen oder sie ihnen erschweren, Uneingeschränktester Zutritt der eingewanderten Arbeiter in die Gewerkschaften."
Und die Rote Gewerkschaftsinternationale forderte 1922: „Die Kommunistischen Parteien Amerikas, Kanadas und Australiens müssen eine energische Kampagne führen gegen die Gesetze zur Verhinderung der Einwanderung und müssen den proletarischen Massen dieser Länder klarmachen, dass solche Gesetze, indem sie den Rassenhass schüren, letzten Endes ihnen selbst zum Schaden gereichen…Die Anhänger der RGI müssen einen energischen Kampf für das Asylrecht, für völlige Gleichstellung, gegen Entlassung und Ausweisung ausländischer Arbeiter, gegen jegliche Beschränkung ihrer bürgerlichen und gewerkschaftlichen Rechte, für die Abschaffung jeglicher Ausnahmegesetze für die Ausländer führen.“
In Bezug auf heute bedeutet dass:
- Zugang zum Arbeitsmarkt
- Keine Illegalisierung
- Kein schlechterer Sonderstatus
- Volle soziale und rechtliche Absicherung aller Arbeitsverhältnisse
- Gewerkschaften, die MigrantInnen offensiv umwerben
In Österreich ist AsylwerberInnen politische Betätigung verboten. Warum? Liebknecht hat schon 1907 darauf hingewiesen: „Es ist ja bekannt, dass die gewerkschaftlich organisierten Ausländer mit Vorliebe ausgewiesen werden…Fort mit dem Damoklesschwert er Ausweisungen! Das ist die erste Voraussetzung dafür, dass die Ausländer aufhören, die prädestinierten Lohndrücker und Streikbrecher zu sein.“
- Weg mit Schubgefängnissen und Schluss mit Abschiebungen.
- Das Recht für volle gewerkschaftliche und politische Betätigung für alle hier lebenden Menschen.