Thesen zur Islamisierungsdebatte

SLP-Bundesvorstand

Krieg gegen den Terror?

  1. Die herrschende Klasse nützt weltweit den „Krieg gegen den Terror“ um von ihrer eigenen Politik abzulenken. Nach dem Zusammenbruch des Stalinismus und dem Wegfall des „kommunistischen Feindes“ wurde „der Islam“ systematisch zur neuen Bedrohung aufgebaut (während u.a. die USA zuvor islamistische Gruppen z.B. in Afghanistan gegen die Sowjetunion unterstützt hatte). Der 11. September und in Folge die Angriffe auf Afghanistan und den Irak haben die Grundlage für eine enorme Polarisierung gelegt. In zynischer Art und Weise werden die Ängste der Menschen vor Attentaten und die Leiden der Opfer von Krieg & Terror für die Kriegspolitik und antiislamische Hetze genutzt.
  2. Der „Krieg gegen den Terror“ wird international zum Abbau demokratischer Rechte, zur Aufrüstung und zur Spaltung der ArbeiterInnenklasse benützt. Das gilt auch für Österreich.
  3. Wurden früher pauschal „die Ausländer“ als Sündenböcke eingesetzt, sind es heute zunehmend „die Moslems“. Das Spektrum der Angriffe ist groß und reicht vom rechtsextremen „wir müssen das christliche Abendland verteidigen“ über „Moslems sind nicht integrationswillig“ bis zum pseudo-fortschrittlichen „wir sind gegen Kopftücher weil die die Frauen unterdrücken“.
  4. Diese Debatte verdeckt die eigentlich zentralen Probleme, die durch neoliberale Politik, durch Sozialabbau und Umverteilung von unten nach oben in den letzten Jahren verschärft wurden. Nicht die Unternehmen die Stellen abbauen, sind an Arbeitslosigkeit schuld, sondern „die Ausländer“. Nicht das Kindergeld der blau-schwarzen Regierung ist frauenfeindlich, weil es Frauen aus den Jobs drängt, sondern „die Moslems“. Nicht der Abbau demokratischer Rechte ist ein Problem, sondern „die Terrorgefahr“.
  5. Rechte und rechtsextreme Parteien haben sich „die Moslems“ bzw. „die Türken“ herausgegriffen und hetzen gegen sie. Insbesonders die FPÖ (und das BZÖ) aber auch manche ÖVP’lerInnen (und wohl auch SPÖ’lerInnen) fällt durch anti-islamische Hetze auf und schreckt vor keiner Lüge oder Diffamierung zurück.
  6. Die SLP verteidigt das Recht auf freie Religionsausübung und tritt entschieden gegen rassistische Hetze auf. Wir verstehen, warum Menschen religiös sind – wir selber aber sind es nicht. Wir sind der Ansicht, dass Religion Privatsache ist. In diesem Sinne sind wir auch gegen einen religiösen Staat. In Österreich ist die Bedrohung, die von religiösen FundamentalistInnen katholischer Prägung weit größer (z.B. in der Abtreibungsdebatte), als die Gefahr eines islamischen Gottesstaates.

    Moslems/Muslima in Österreich

  7. In Österreich leben rund 400.000 Moslems/Muslima, nur eine Minderheit davon ist streng religiös oder gar fundamentalistisch.
  8. Das Zunehmen von Religiösität findet zZt bei allen Religionsgruppen statt. Sie ist Ausdruck der Suche nach Alternativen zur offensichtlichen Misere. Dass der Unmut über die gegenwärtige Situation von Religionsgemeinschaften und Esoterik aufgegriffen wird spiegelt die Schwäche der ArbeiterInnenbewegung (nach dem Zusammenbruch des Stalinismus und der Verbürgerlichung der Sozialdemokratie) wieder.
  9. Die oft schlechte soziale Situation von MigrantInnen in Kombination mit einem deutlichen „wir wollen Euch nicht“ durch die herrschende Politik (Vorenthaltung von fundamentalen Rechten wie Wahlrecht) plus oft offener rassistischer Hetze hat zwei wesentliche Auswirkungen: eine oft ausländerInnenfeindliche Grundstimmung bei den „ÖstereicherInnen“ („ich hab ja nix gegen Ausländer, ABER…“) und ein sich unter „seinesgleichen“ Zurückziehen bei MigrantInnen. Diese Entwicklung zeigt sich in ganz Europa – MigrantInnen werden so gut wie überall als Menschen zweiter Klasse behandelt und ziehen sich entsprechend zurück.
  10. Die Ausgrenzung und Hetze gegen MigrantInnen und in den letzten Jahren insbesondere gegen Moslems/Muslima führt dazu, dass MigrantInnen der zweiten und dritten Generation sich stärker als Moslems/Muslima fühlen und sich wieder verstärkt der Religion zuwenden.
  11. Der Islam ist nicht mehr oder weniger reaktionär als jede andere Religion: In den USA regiert ein fundamentalistischer Christ der angibt, seine Befehle direkt von Gott zu erhalten und der Papst mischt sich in die österreichische Innenpolitik ein (Abtreibungsfrage). Israel wurde zwar als Reaktion auf den Holocaust gegründet; also der Schaffung (und Ermorderung) einer letztlich religiösen Schicksalsgemeinschaft durch den Antisemitismus. Es ist aber nichtsdesto trotz noch immer ein solch religös begründeter Staat wo radikale Juden auch vor Selbstmordattentaten nicht zurückschrecken. Buddisten in Sri Lanka und Hindus in Indien schrecken nicht vor Pogrommen gegen die Angehörigen anderer Religionsgruppen zurück.
  12. Historisch war eine zentrale Funktion von Religion immer  – und das gilt für alle Religionen – dass sie den jeweils Herrschenden dabei hilft, ihre Macht zu erhalten. Die herrschenden Machtverhältnisse mit „unten“ und „oben“ sollen von den Gläubigen akzeptiert werden, ein besseres Leben nicht im Diesseits erkämpft sondern fürs Jenseits erduldet werden.
  13. In Österreich ist der Islam seit 1874 bzw. 1912 ist der Islam als Religion anerkannt – wie auch 12 andere Religionsgemeinschaften. Als SozialistInnen verteidigen wir das Recht von Moslems/Muslima, ihre Religion auszuüben. Das beinhaltet auch den Bau von Moscheen und das Tragen von Kopftüchern.
  14. In den letzten Jahren gab es eine Reihe von Hetzkampagnen gegen Moslems/Muslima, insbesondere gegen den Bau von Moscheen. Federführend war oft die FPÖ und andere Teile der extremen Rechten. Bei der jüngsten Kampagne gegen den Teilausbau des Islamischen Zentrums in Wien Brigittenau hat die FPÖ eine Bürgerinitiative instrumentalisiert um gegen Moslems/Muslima zu hetzen. Dies wurde – wie auch bei ähnlichen Fällen in der Vergangenheit – von rechtradikalen und neofaschistischen Gruppen genutzt, um Stimmung zu machen. Es wird damit eine Stimmung erzeugt, auf deren Basis vermehrt Anpöbelungen und Angriffe gegen MigrantInnen stattfinden bzw. geduldet werden. Es ist zu befürchten, dass Übergriffe eines aufgestachelten Mobs bzw. die Unterstützung für rassistische Gewalttätigkeiten nur mehr eine Frage der Zeit sind. Die etablierten Parteien sprechen sich zwar offiziell „gegen Rassismus“ aus, tatsächlich bereitet aber ihre Politik und ihre Propaganda den Boden dafür vor.
  15. Die Demonstration vom 13. September. in Wien-Brigittenau hat die Debatte in der Brigittenau auf eine neue Ebene gestellt. Es geht nicht mehr um die Frage von Parkplätzen und Lärm sondern darum, wie die Nazis und Rassisten bekämpft werden können. Dies macht einmal mehr deutlich, dass es FPÖ&Co. nicht um die Anliegen der AnrainerInnen geht.

    Das Kopftuch

  16. Abgesehen davon, dass auch viele ÖsterreicherInnen Kopftuch oder ähnliches tragen (burgenländische Bäuerinnen, Nonnen, Goldhauben…) ist das Kopftuch nicht nur ein religiöses Symbol, sondern auch oft Ausdruck eines kulturellen Selbstverständnisses und auch Widerstandes gegen die allgegenwärtige staatliche und gesellschaftliche Diskriminierung.
  17. Obwohl wir das Recht, Kopftuch zu tragen, verteidigen, unterstützen wir jede Muslima, die das Kopftuch ablegen will, sich von ihrem Mann trennen bzw. ein selbstbestimmtes Leben führen will. Die beste Unterstützung für eine Besserstellung von moslemischen Frauen ist es, ihnen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu gewähren und ihnen damit die materielle Grundlage für Unabhängigkeit zu geben.

    Integration? Demokratische Rechte!

  18. Tatsache ist, dass nicht-österreichischen StaatsbürgerInnen fundamentale Rechte verweigert werden. Dies betrifft in vielen Fällen das Recht zu arbeiten und sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen und dies betrifft eine Reihe demokratischer Grundrechte wie das Wahlrecht.
  19. MigrantInnen wird also vom Staat permanent mitgeteilt, dass sie Menschen zweiter Klasse sind. Integration braucht auch den Zugang zu (Gemeinde-)Wohnungen, Jobs und politischer Aktivität. Die SLP tritt für volle soziale und demokratische Rechte für alle in Österreich lebenden Menschen ein – egal welches Geschlecht, welche Religion, welche Nationalität.

    Gemeinsam gegen Sozialabbau und Rassismus

  20. Solange die ArbeiterInnenklasse gespalten ist, solange kann sie sich nicht wehren. Tatsächlich sind die Unterschiede zwischen einem österreichischen Arbeiter und seinem moslemischen Kollegen geringer als die zum gemeinsamen Chef. Eine österreichische und eine moslemische Billa-Kassiererin haben ähnliche Probleme mit schlechter Bezahlung und Sexismus. Kürzungen bei Bildung und Gesundheit treffen ArbeitnehmerInnen – egal welcher Religion – gleich.
  21. Der ÖGB hat in den letzten Jahrzehnten leider nichts getan, um diese Spaltung der in Österreich beschäftigten zu überwinden. Im Gegenteil hat er sich lange geziert, das passive Betriebsratswahlrecht für MigrantInnen einzufordern.  In vielen Gewerkschaften Europas sind türkische, arabische etc... Gewerkschaftsangstellte üblich, in Österreich gibt es erst seit kurzem nicht-österreichische BetriebsrätInnen
  22. Die Aufgabe der Gewerkschaften ist es aber, ArbeitnehmerInnen zu organisieren und den gemeinsamen Kampf zu organisieren. Die SLP tritt für einen kämpferischen und demokratischen ÖGB ein, der Beschäftigte, neue „Selbstständige“ und auch Arbeitslose unabhängig von ihrer Religion und Nationalität organisiert und in Kämpfen anführt und unterstützt. Die SLP tritt auch dafür ein, dass die Gewerkschaften aktiv gegen Rassismus auftreten.
  23. Die Entwicklungen rund um das Islamische Zentrum in der Dammstrasse zeigen was passiert, wenn die ArbeiterInnenorganisationen MigrantInnen nicht als zentralen Teil der ArbeiterInnenklasse begreifen. Das Rechtsextreme und Faschisten die Demonstration in Wien-Brigittenau dominiert haben ist eine Warnung an die gesamte ArbeiterInnenbewegung. „Hier marschiert der nationale Widerstand“ richtet sich letztlich nicht nur gegen MigrantInnen, sondern auch gegen österreichische ArbeiterInnen. Wenn die ArbeiterInnenbewegung es der extremen Rechten erlaubt, solche Themen aufzugreifen und Nutzen daraus zu ziehen, dann schwächt das die gesamte ArbeiterInnenklasse und stellt eine ernsthafte Bedrohung dar.
  24. Die Lösung von Konflikten wie in der Dammstrasse liegt letztlich bei der ArbeiterInnenbewegung. Die SLP verbindet daher Proteste gegen Rassismus und Nazis immer auch mit sozialen Themen und versucht die lokale ArbeiterInnenklasse in diese Proteste einzubeziehen.

Dafür steht die SLP:

  • Das Recht aller Menschen, ihre Religion auszuüben, inklusive des Rechtes, Moscheen zu bauen
  • Gegen jede religiöse Diskriminierung – inkl. des Rechts, das Kopftuch zu tragen - auch für Beschäfigte im Öffentlichen Dienst (d.h. das Individuen ihre Religion zeigen dürfen) – die Diskriminierung einer Religion führt zur Isolation und damit zur Stärkung fundamentalistischer Teile
  • Für die völlige Trennung von Religion (egal welcher) und Staat – also keine finanzielle Unterstützung, kein Religionsunterricht, keine religiösen Symbole in öffentlichen Gebäuden.
  • Bildung: unser Schulsystem hat eine starke soziale Differenzierung. Eine gemeinsame Schule aller 6-19jährigen inklusive Berufsausbildung ist die beste Integration und die beste Grundlage gegen religiösen Fundamentalismus.
  • Die rechtliche Gleichstellung aller in Östereich lebenden Menschen inkl. der Möglichkeit für Doppelstaatsbürgerschaft
  • Kostenlose Kinderbetreuung und der freie Zugang zum Arbeitsmarkt – ds sind die besten Mittel um Frauen bei Schritten in Richtung Unabhängigikeit zu unterstützen.
  • Die Öffentliche Hand muss umfassende und kostenlose soziale Betreuung - für Kinder, Kranke, Alte etc. anbieten und darf diese Leistungen nicht an (oft religiöse) Einrichtungen abgeben.
  • Arbeitszeitverkürzung und ein Mindestlohn für alle Beschäftigten - das schafft Jobs und ein Einkommen von dem mensch auch Leben kann. Und ist damit die beste Grundlage gegen die "Teile und Herrsche"-Politik
  • Für kämpferische und demokratische Gewerkschaften die gemeinsame Kämpfe von In- und AusländerInnen, egal ob religiös oder nicht organisiert. So kann die Spaltung entlang ethnischer, religiöser bzw. nationalistischer Trennlinien überwunden werden.
  • Für den Aufbau einer neuen Partei für ArbeiterInnen und Jugendliche mit sozialistischem Programm - den religiöser Fundamentalismus und Rassismus bieten nur Scheinlösungen.