Fr 26.01.2007
Angeführt wurden die ca. 100 Schläger von einem stellvertretenden Minister der Regierung, Mervyn Silva.
Mervyn Silva ist bekannt für seine rassistischen und brutalen Übergriffe gegenüber TamilInnen, aber auch gegen Journalisten. Die anwesenden Organisatoren konnten nur knapp ihre Leben retten und sind weiterhin mit Morddrohungen konfrontiert. Mehrere Journalisten wurden bei dem Überfall verprügelt und ihre Kameras zerstört. In einem Interview (siehe Link unten) schildert Siri. Jayasuriya die Ereignisse.
Der Überfall ist als Angriff auf die Arbeit des UPM zu sehen, die seit dem Antritt des neuen Präsidenten Rajapakse Ende 2005 großen Anklang findet mit der Mobilisierung gegen Krieg, repressive Maßnahmen der Regierung und Armut. Bis zu zehntausend TeilnehmerInnen waren zu der verhinderten Kundgebung am 9. Januar erwartet worden. Dort sollten diverse politische VertreterInnen sprechen, unter anderem vom United People"s Movement, der Tamil National Alliance, des Sri Lanka Muslim Congress und der United Socialist Party.
Siritunga Jayasuriya aus Colombo, Sri Lanka, ist Koordinierer des neu gegründeten "United People"s Movement" und Vorsitzender der "United Socialist Party". Er ist ausserdem Sprecher des "Civil Monitoring Committee", das gegründet wurde um Entführungen und Ermordungen von TamilInnen in Sri Lanka aufzudecken und dagegen vorzugehen.
Angelika Teweleit interviewte ihn am Rande einer internationalen Konferenz, an der er im Jänner in Belgien teilgenommen hat, dem Weltkongress des Kommittes für eine ArbeiterInneninternationale.
AT: Siri, in der Presse wurde berichtet, dass du und weitere Organisatoren einer öffentlichen Kundgebung in Colombo von einer bewaffneten Bande angegriffen wurdet. Was ist dort vorgefallen?
Siri: Es sollte die erste öffentliche Kundgebung des "United People´s Movement" (UPM) sein. Die UPM ist ein Bündnis aller politischer Kräfte und Parteien, die gegen den Krieg und Hunger sind und gegen die repressiven Gesetze der Regierung. Dies war unsere erste Massenmobilisierung seit die neue Regierung an die Macht gekommen ist. Wir hatten eine große Resonanz auf unsere Plakate und haben bis zu zehntausend Teilnehmer für die Kundgebung erwartet.
Am Tag vorher teilte uns die lokale Polizeibehörde mit, dass wir die Veranstaltung absagen sollten, da sie nicht für unsere Sicherheit sorgen könnte. Ich entgegnete ihnen, dass wir selber für die notwendige Sicherheit sorgen würden und dass es sich um eine vollkommen legale Veranstaltung handelt.
Neunzig Minuten vor Beginn der Veranstaltung, als die meisten HelferInnen gerade zum Mittagessen unterwegs waren, hielt ich mich mit einigen anderen in der Nähe der Rednerbühne auf. Plötzlich wurde es laut und wir sahen, wie über hundert Leute auf die Bühne stürmten. Sie begannen die Lautsprecher und die ganze Ausstattung zu zertrümmern. Ich ging hin um zu sehen, was dort vor sich ging.
Dort sah ich Mervyn Silva, einen stellvertretenden Minister. Er führte die Bande an. Ich wollte sie fragen, was sie dort tun, da rief eine kleine Gruppe von ihnen: "Das ist er!" und begann, mich zu verfolgen. Ich konnte über einen Parkplatz wegrennen und in einen Supermarkt flüchten. Die Gangster fingen an die Scheiben einzuschlagen und folgten mir. Ich rannte in ein anderes Geschäft, konnte entkommen und so mein Leben retten. Dann sah ich durch die Fenster, dass sie draussen die gesammte Ausrüstung für unsere Kundgebung anzündeten. Nach kurzer Zeit gelang es mir durch die Hilfe eines Riksha-Fahrers, den Stadtteil zu verlassen. Das ist, was an diesem Tag geschah.
AT: Du sagtest, ein stellvertrender Minister führte diese Bande an. Wie kann es sein, dass jemand aus dem Umkreis der Regierung so etwas tut?
Siri: Dieser stellvertretende Minister hat übrigens bei einer Pressekonferenz noch am Tag des Überfalls abgestritten, dass er überhaupt dort gewesen sei. Die Regierung hingegen behauptet, dass sich diese Leute dort befunden hätten um den Organisatoren der Kundgebung zu helfen, weil wir die Veranstaltung angeblich nicht hätten statt finden lassen wollen!
Seit der neue Präsident Rajapakse Ende 2005 vereidigt wurde, ist die Regierung wegen uns sehr beunruhigt. Zu dieser Zeit, ich war damals Kandidat für die USP und wurde Dritter bei der Präsidentschaftswahl, haben wir Rajapakse gewarnt, dass wir breiten Widerstand organisieren würden, wenn er den Weg von Chauvinismus und Krieg weitergehen würde.
Seit er an der Macht ist, hat sich eine Opposition und Widerstand entwickelt und wir mobilisierten gegen die Regierung. Ich glaube, diesen Überfall kann man nicht isoliert betrachten. Ich denke, die Regierung hat diesen Angriff auf uns geplant, wegen unserer Versuche, eine Bewegung gegen Unterdrückung und Hunger zu organisieren.
Wir haben dabei deutlich gemacht, dass wir für die Rechte der TamilInnen eintreten, aber nicht mit der terroristischen Taktik der LTTE (Liberation Tigers of Tamil Eelam) einverstanden sind. Denn sie führt zu einer Vertiefung der Spaltungen in Sri Lanka.
Wegen des Überfalls haben wir eine offizielle Beschwerde bei der Regierung und der Polizei gemacht. Aber sie versuchen uns als Unterstützer von Terroristen darzustellen, um damit ihre gewaltsame Aktion zu legitimieren.
AT: Wie ist zur Zeit die Situation für die TamilInnen in Sri Lanka?
Siri: Im Norden, wo sie eine Mehrheit darstellen, ist die Situation furchtbar. Die Armut ist dort sehr groß, die Preise sind dort fünf mal höher als normalerweise und es gibt dort viel Hunger. Besonders für Kinder und alte Menschen ist es sehr schlimm. Es gibt keine Medikamente mehr. Die Regierung hat die Autobahn A9 gesperrt. Das bedeutet, dass die wichtigte Verbindung auf die Jaffna-Halbinsel gesperrt ist, über die die ganze Versorgung mit Waren etc. lief. Wir machen eine Kampagne für die Öffnung der Straße und auch für eine Notversorgung. Selbst die Schulen und Krankenhäuser funktionieren dort nicht.
AT: Was ist das "United People´s Movement"?
Siri: Das UPM, das sich vor kurzem gegründet hat, setzt sich aus vielen Parteien aus unterschiedlichen politischen Richtungen zusammen. Aber wir arbeiten zusammen für die demokratischen Rechte der ArbeiterInnen und der armen Bevölkerung, gegen den Krieg, Chauvinismus und Hunger. Die Inflation beträgt derzeit 22 % - so viel wie noch nie - und die Preise für Nahrungsmittel werden täglich teurer. Das UPM hat sich zusammengefunden, um für demokratische Rechte und gegen Armut zu kämpfen.
Wir setzten und auch ein für eine Wiederaufnahme der Friedensgespräche in diesem seit Jahren anhaltenden Bürgerkrieg. Wenn die Regierung diesen blutigen Krieg fortsetzt, wird das zu einer dauerhaften Spaltung des Landes führen. Das lehen wir völlig ab.
AT: Und was sind die Ziele und das Programm deiner Partei, der "United Socialist Party"?
Siri: Wir haben ein klares Programm zu den Problemen der tamilischen Minderheit. Wir denken, die Probleme der TamilInnen können nur auf der Basis gelöst werden, ihre Rechte und das Recht auf Selbtsbestimmung der TamilInnen zu verteidigen. Aber es ist uns auch klar, dass wir eine solche Lösung von der bürgerlichen Klasse nicht erwarten können. In einem kapitalistischen System wird keine dauerhafte Lösung erreicht werden können. Diese Frage kann nur durch die ArbeiterInnenklasse gelöst werden.
Gleichzeitig setzen wir uns für die Wiederaufnahme von Friedensgesprächen ein und für kurzfristige Verbesserungen, damit die ArbeiterInnenklasse überhaupt in der Lage ist, einen Ausweg aus der aktuellen Spaltung entlang nationalistischer Linien zu finden. Wir wollen den Kampf entlang von Klassenkonflikten führen und die Teilung nach ethischen und religiösen Zugehörigkeiten beenden. Wir sind die einzige Partei, die einen gemeinsamen Kampf der arbeitenden und armen Bevölkerung anbietet, der alle Gruppen einschließt - TamilInnen, Muslime/a und SingalesInnen.
AT: Was kann man außerhalb von Sri Lanka machen um euch gegen die Repressionen zu unterstützen?
Siri: Ich denke, der einzige Weg ist, maximale Unterstützung durch ArbeiterInnen- und Menschenrechtsorganisationen in anderen Ländern zu organisieren. Viele Menschen wurden wegen des Krieges bereits getötet. Vor diesem Hintergrund braucht der Protest gegen die Represionen durch die Regierung und auch gegen die terroristischen Aktivitäten der LTTE maximale Unterstützung.
AT: Was können wir in Europa konkret unternehmen?
Siri: Ich denke, dass die europäische ArbeiterInnenklasse eine wichtige Rolle spielen kann, um die repressiven Maßnahmen der Regierung einzuschränken und auch den Krieg, der einem Völkermord nahe kommt.
Mein Name, sowie 21 weitere, ist auf einer Todesliste, die von kommunalistischen Kräften publiziert wurde. Wir brauchen Unterstützung durch Protestschreiben an die Regierung, in denen sie aufgefordert wird, dem Einhalt zu gebieten. Ausserdem muß man öffentlich machen, welche Angriffe auf demokratische Rechte und welche Todesdrohungen zur Zeit in Sri Lanka stattfinden. Im Endeffekt wird es keinen anderen Weg geben diese Probleme ein für alle mal aus der Welt zu schaffen, als die ArbeiterInnenklasse für einen weltweiten Kampf für Sozialismus zu gewinnen.