Mo 01.05.2006
Im Zusammenhang mit den gewaltigen Demonstrationen wird wie selbstverständlich die Frage aufgeworfen: Welcher Weg voran für die Bewegung für Rechte der EinwanderInnen? Zahlreiche Organisationen haben zum 1. Mai als „Tag ohne ImmigrantInnen“ aufgerufen. Das bedeutet, dass niemand in die Schule sowie in die Arbeit geht und dass ein Boykott aller wirtschaftlichen Aktivitäten stattfindet - letztendlich ist das ein US-weiter Streik. Der 1. Mai könnte eine enorme Demonstration der Stärke von eingewanderten ArbeiterInnen und der Entschlossenheit sein, für unsere Rechte aufzustehen. Wenn die Wirtschafts-Bosse, die billige Arbeit durch ImmigrantInnen wollen, uns gleiche Rechte und Löhne nicht zugestehen, dann sollten wir alle Läden dicht machen.
Schon bisher umfassten die Proteste, beginnend mit den großen Demos in Chicago, tausende ArbeiterInnen, die ihre Arbeit verließen. Die Unternehmer begannen zu fürchten, die Bewegung könne ihre Profite treffen und die Möglichkeit einschränken, die Arbeit von ImmigrantInnen rücksichtslos auszubeuten. Ein Artikel in „Market Watch“ zu den Demos vom 10. April merkte an, dass einige Fleischfabriken aufgrund von Arbeitsniederlegungen schließen mussten und dass andere „Industrien, die sich weitgehend auf die Arbeit von ImmigrantInnen stützen deshalb potentiell stark von einer organisierten Arbeitsniederlegung betroffen sind; inklusive Restaurants, Baugewerbe, Hotels, Gebäudereinigung und -instandhaltung.” Die US-Wirtschaft ist von eingewanderten ArbeiterInnen abhängig, Auf den Kundgebungen haben jene RednerInnen den meisten Zuspruch bekommen, die an die Massen Fragen wie diese gerichtet hatten: „Wer betreut die Kinder dieses Landes?“, „Wer hält die Restaurants am Laufen?“, „Wer baut die Häuser?“, „Wer hält sie in Schuss und reinigt sie?“
Ein erfolgreicher landesweiter Streik würde den ArbeiterInnen das Gefühl ihrer gemeinsamen Kraft vermitteln. Es sollte als eine Möglichkeit gesehen werden, den Kampf für die gewerkschaftliche Organisierung von jenen Arbeitsplätzen und Industriezweigen zu beginnen, in denen ImmigrantInnen einen hohen Anteil ausmachen. Wenn eingewanderte ArbeiterInnen zu Hunderten und Tausenden in die ArbeiterInnen-Bewegung eintreten, können sie eine entscheidende Rolle in der Wiederbelebung sozialer Kämpfe in den USA sowie im so dringend benötigten Kampf für wirkliche Verbesserungen für alle arbeitenden Menschen spielen.
Diskussion
Trotz allem hat bereits der Aufruf zu einem Massenstreik eine Diskussion innerhalb der Bewegung eröffnet. Der eher konservative Flügel (Latino Wirtschafts-Verbände, Führer der Katholischen Kirche und jene, die enge Verbindungen zur Demokratischen Partei haben) hat sich energisch gegen den 1. Mai-Aufruf gestellt. Sie lehnten ihn aufgrund der Angst ab, die angeblichen BündnispartnerInnen in der Demokratischen Partei vor den Kopf zu stoßen. Auch fürchten sie, ein Streik könnte Latino-ArbeiterInnen bestärken, radikalere Forderungen aufzustellen, was dazu führen würde, die Profite der Latino-Unternehmer zu bedrohen.
„Das ist etwas, was wir sehr ernst nehmen müssen; wir müssen alle Auswirkungen überdenken, wenn wir es nicht richtig machen oder indem wir eine gegenteilige Wirkung erzeugen“, sagte Jaime Contreras, Präsident der „National Capital Immigrant Coalition“ und Vorsitzender der Gewerkschaft „Service Employees International Union, Local 82“. „Es ist voreilig, den Boykott am 1. Mai zu machen, eingedenk dessen, dass der Senat zu seiner Sitzung nicht vor dem 23. April zurückkehrt. Wir wollen sehen, was im Senat dazu herauskommt und welche Kompromisse (mit dem Repräsentanten-Haus) auftauchen, bevor wir das tun.“
Das ist ein falscher Anspruch. Das Big Business und ihre PolitikerInnen sind im Kampf für ihre Interessen unbarmherzig – warum sollten wir es sein? Der Schlüssel zur Erringung von Rechten für ImmigrantInnen liegt nicht darin, kapitalistische PolitikerInnen zu umwerben, sondern indem wir mittels der Demonstration unserer sozialen Stärke sie zwingen, unsere Rechte anzuerkennen. Dynamik und Stimmung existieren unter eingewanderten ArbeiterInnen, um kräftige Streiks durchzuführen. Diese können, wenn ordentlich vorbereitet, die Bewegung enorm stärken.
Das andere Hauptargument von Gewerkschaftsspitzen und AnführerInnen der Bewegung von ImmigrantInnen ist, dass ein Streik zu vielen Entlassungen führen würde. Aber wir können den Bossen nicht erlauben, uns mit solchen Drohungen einzuschüchtern. Die Bewegung und besonders ihre Führung muss sich absolut klar darüber sein, dass wir keine Einschüchterung von Beteiligten an den Protesten hinnehmen werden. Unternehmen sollen gewarnt werden, dass, wenn sie jemanden aufgrund der Streik-Teilnahme kündigen sollten, wir mit einer massiven Kampagne mit Kundgebungen und der Forderung nach Wiedereinstellung aller ArbeiterInnen reagieren werden.
Die ArbeiterInnen-Bewegung sollte sich an die Spitze der Kämpfe für die Rechte von ImmigrantInnen stellen. Sie sollte eine großangelegte Ausbildungs-Kampagne starten, indem Millionen Flugblätter verteilt, Treffen am Arbeitsplatz sowie Massenkundgebungen abgehalten werden, um zig Millionen ArbeiterInnen zu überzeugen, dass das Thema ImmigrantInnen-Rechte für alle ArbeiterInnen in den USA entscheidend ist. Sie sollte volle Solidarität für einen 1. Mai-Streik und künftige Aktionen organisieren, diese ausweiten, um ImmigrantInnen UND in den USA geborene ArbeiterInnen gleichermaßen zu umfassen. Ein Sieg setzt die volle Mobilisierung und die Unterstützung breiterer Sektoren der ArbeiterInnen-Klasse voraus. Das ist der Grund, warum die Bewegung den Kampf für die Rechte von ImmigrantInnen mit jenem für Jobs mit Löhnen, von denen man leben kann, sowie voller Gesundheitsversorgung für alle Menschen verknüpfen sollte.
Bruch mit der Demokratischen Partei
Die Bedingungen, denen sich die Mehrzahl der ImmigrantInnen gegenübersieht (systematischer Rassismus, Polizeigewalt, Armut, schlechteste Jobs und Arbeitsbedingungen) schreien nach weit mehr als bloß der defensiven Ablehnung von HR 4437 (dem Gesetz zu “Grenzschutz, Antiterrorismus und Illegaler Immigrationskontrolle” mit einer Reihe von Verschärfungen, welches im Dezember 2005 vom Repräsentanten-Haus verabschiedet wurde; Anm.). Während der Proteste war ein populärer Slogan: „Heute demonstrieren wir - morgen wählen wir“. Es ist richtig, dass der Kampf nicht allein mittels Massenprotesten und sogar Streiks geführt wird; eine politische Strategie ist nötig. Aber wen sollten wir wählen? Beide Parteien vertreten die Interessen der Unternehmer und teilen rechte und rassistische Ansichten. Beide Parteien stellen sich gegen die bedingungslose Amnestie für alle ImmigrantInnen ohne Papiere. In vergangenen Jahren fiel die Führung der Demokraten hauptsächlich dadurch auf, dass sie Bushs Irak-Krieg und einen Großteil seiner gegen die ArbeiterInnen gerichteten Politik in den USA unterstützt haben. Sie unterstützen uneingeschränkt die Tagesordnung zugunsten des Kapitals, die ImmigrantInnen in den USA als super-ausgebeutete Zweite-Klasse-ArbeiterInnen mit beschränkten Rechten beizubehalten. ImmigrantInnen, ArbeiterInnen und alle Unterdrückten - wir brauchen unsere eigene politische Stimme, um unsere Kraft auf der politischen Bühne entfalten zu können. Wir benötigen den Aufbau eine neuen politischen Partei in diesem Land der ArbeiterInnen und Unterdrückten – der ImmigrantInnen, Latinos, egal ob schwarz oder weiß. Jene, die eine solche Entwicklung als Unmöglichkeit abtun, haben dasselbe mitunter einige Monate zuvor über einen landesweiten Streiktag am 1. Mai gesagt. Ihr Irrtum kann bewiesen werden.