"Nach dem 17. September wird es eine soziale Opposition im Berliner Abgeordnetenhaus geben!"

Der Berliner Landesverband der WASG wird zur Abgeordnetenhauswahl am 17.September eigenständig antreten. Das wurde auf dem 5. und 6. Landesparteitag am 22. und 23. April mit großer Mehrheit bestätigt. Ein Landeswahlprogramm wurde verabschiedet und eine La
Michael Koschitzki, CWI-Berlin

Im Mittelpunkt der ersten Debatte auf dem 5. Landesparteitag standen die "Inhaltlichen Positionen für einen gemeinsamen Wahlkampf". Diese waren Anfang April vom Berliner Linkspartei-Chef Klaus Lederer, vom Vize der Bundestagsfraktion Uli Maurer, von Klaus-Dieter Heiser, Vertreter der Berliner Initiative Rixdorf und anderen vorgelegt worden. Auf einer Pressekonferenz mit Oskar Lafontaine am 6. April - zu welcher der Berliner WASG-Landesvorstand nicht eingeladen war - hatte man öffentlich erklärt, dass mit diesem Positionspapier genug politische Übereinstimmung für einen gemeinsamen Wahlantritt gegeben wäre.

Kein Kurswechsel der Berliner Linkspartei.PDS

Für eine deutliche Mehrheit der Berliner WASG-Delegierten bedeuteten diese "Inhaltlichen Positionen" jedoch keinen Kurswechsel, da sie keinerlei konkrete Aussagen enthielten und von der Linkspartei.PDS nicht einmal formell beschlossen wurden. So waren sie auf dem Landesparteitag der Linkspartei.PDS lediglich kurz von Klaus Lederer vorgestellt worden, der dann erklärte, dass bei Zustimmung geklatscht werden dürfte. Eine Debatte fand darüber nicht statt.

"Nicht die Absicht des Alkoholikers zählt, sondern die Therapie der Tat", sagte Michael Prütz vom WASG-Landesvorstand unter dem Applaus der Berliner WASG-Delegierten. Trotz anderslautender Rhetorik setze die Berliner Linkspartei.PDS ihren Kurs des Sozialabbaus, der Privatisierungen und Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst unvermindert fort, so die Mehrheit der Delegierten. So heißt es in diesem Positionspapier beispielsweise nur, dass der Verkauf von Wohnungsbaugesellschaften abzulehnen wäre. Nachdem "Rot-Rot" aber die städtische Wohnungsbaugesellschaft GSW privatisiert hat, setzt der Berliner Senat unter Wowereit und Wolf nicht auf den Verkauf ganzer Gesellschaften, sondern auf den Verkauf einzelner Wohnungen. 50.000 wurden schon privatisiert. Von den heute noch 280.000 städtischen Wohnungen sollen weitere verkauft werden. Das wird nicht in Frage gestellt.

Die in der Initiative Rixdorf zusammengeschlossenen Befürworter einer gemeinsamen Kandidatur mit der Linkspartei.PDS in Berlin behaupteten auf dem WASG-Landesparteitag hingegen, dass "trotz Differenzen im Detail Gemeinsamkeiten für die wichtigsten Felder der Berliner Landespolitik formuliert wurden". Dieser Haltung mochten sich indes lediglich 33 Delegierte anschließen, 81 stimmten für den Leitantrag des Landesvorstands.

Landeswahlprogramm

Im Mittelpunkt des verabschiedeten Wahlprogramms der Berliner WASG steht die Ablehnung der "Haushaltskonsolidierung"als oberstes Politikziel - die Interessen der abhängig Beschäftigten, Arbeitslosen, Jugendlichen, MigrantInnen und RentnerInnen sollen im Mittelpunkt stehen. Im Programm heißt es, dass dies kein Allgemeinplatz bleiben darf, sondern erfordert, sich gegen jede Form von Sozialkürzungen und Stellenstreichungen auszusprechen.

Ein Kernpunkt des Programms ist das prinzipielle Nein zu "Privatisierung - ob Komplettverkauf, Teilverkauf, Auslagerung, Aufgabenübertragung oder Public Private Partnership".

Als zentral wird zudem die Stärkung des Protestes gegen Hartz IV angesehen. "Im Berliner Abgeordnetenhaus fehlt eine Stimme, die lautstark die unbefristete Übernahme der anfallenden Wohnungskosten von ALG-II-Empfängern, das Verbot von Ein-Euro-Jobs im öffentlichen Dienst und einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor zu Tariflöhnen fordert." Außerdem will sich die Berliner Wahlalternative für Arbeitszeitverkürzung (Ziel ist die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich), ein öffentliches Investitionsprogramm und einen Mindestlohn von zehn Euro stark machen.

Das Programm hat einen deutlichen Bezug zu den außerparlamentarischen Bewegungen. So wurden Forderungen von Studierendenvertretungen, Bürgerinitiativen und aus der Gewerkschaftslinken aufgegriffen. Darüber folgte die Mehrheit der Delegierten des Parteitages einem Änderungsantrag, der die Überführung von Schließung bedrohter Betriebe in Landeseigentum vorsieht.

Landesliste

Mit der Aufstellung einer Liste zur Abgeordnetenhauswahl wurden die letzten Vorbereitungen für den Wahlkampf getroffen. Auf ihr sind wichtige VertreterInnen der sozialen oder betrieblichen Kämpfe berücksichtigt. Carsten Becker, ver.di-Betriebsgruppenvorsitzender der Charité, bekam für seine Vorstellung anhaltenden Applaus. Er wurde auf den dritten Listenplatz gewählt. Das steht im Zusammenhang mit der Unterstützung der Charité durch die Berliner WASG, die rund um den Parteitag für den Warnstreik am 28. April vor Ort mobilisierte."Mit meiner Kandidatur möchte ich diesen Kampf im Betrieb - gegen Sozialabbau, Tarifflucht, Absenkungstarifverträge und Privatisierung - unterstützen und auch auf höherer Ebene fortsetzen."

Auf Platz 2 der Landesliste wurde Sebastian Gerhardt gewählt. Außerdem wurden AktivistInnen wie Michael Kronawitter von der Antifaschistischen Linken,  Hermann Werle von der Berliner Mietergemeinschaft, Rainer Perschewski von der DKP und mit Kerstin Fürst eine kämpferische Betriebsrätin bei der S-Bahn auf vordere Listenplätze gewählt.

Spitzenkandidatin Lucy Redler

Für den ersten Listenplatz gab es nur eine Kandidatin: Lucy Redler vom geschäftsführenden Landesvorstand (und SAV-Mitglied), die vom WASG-Landesvorstand Berlin als Spitzenkandidatin vorgeschlagen worden war. "Ich möchte eine konsequente Politik für die Klasse der arbeitenden und erwerbslosen Bevölkerung machen. Nicht die Erwerblosen Berlins sind schuld am Haushaltsloch, sondern die Umverteilungspolitik zu Gunsten der Reichen und Arbeitgeber im Bund."

Wahlkampf

Mit dem 5. und 6. Landesparteitag wurden alle Vorbereitungen für den Wahlkampf der Hauptstadt-WASG getroffen. Die Delegierten nahmen sich vor, die nötigen Unterschriften kurz nach dem Parteitag &ndash vor allem auf einem Aktionstag am 29. April mit 25 Ständen in ganz Berlin zu sammeln. Weitere vorläufige Höhepunkte sollen die Unterstützung für die Charité-Beschäftigten (mit Mobilisierungsaktivitäten im Vorfeld des Warnstreiks) sowie die Großdemonstration am 3. Juni bilden. Weitere Informationen zum Wahlkampf sind auf der Website waehlt-wasg.de nachzulesen.

Der Landesparteitag der Berliner WASG war von der Zuversicht geprägt, dass es "nach dem 17. September eine soziale Opposition im Berliner Abgeordnetenhaus geben wird", wie Lucy Redler schon auf der Pressekonferenz nach der Urabstimmung in Berlin verkündet hatte.