Di 25.04.2006
Wochenlange heroische Kämpfe des Volkes von Nepal haben den tyrannischen König Gyanendra gezwungen, in einem verzweifelten Versuch, sich an die Macht zu krallen, neue Zugeständnisse zu machen.
Am Dienstag haben zwei Millionen Menschen demonstriert, daher bot König Gyanendra neue Konzessionen an (nach den früheren vom Montag Nacht). Das Parlament, das der König vor zwei Jahren aufgelöst hatte, wird wieder eingesetzt. Hinter diesem Schritt steht intensives Lobbying von Seiten Indiens, das sich vor einer revolutionären Massenbewegung im Nachbarland fürchtet.
Während die DemonstrantInnen in Nepal die Zugeständnisse des Königs feierten, hat die oppositionelle Sieben-Parteien Allianz (SPA) sofort die für Dienstag geplante Massendemonstration abgesagt. Girija Prasad Koirala, ein 85-jähriger ehemaliger (viermaliger) Kanzler von der nepalesischen Kongress-Partei wird an der Spitze der neuen Regierung stehen.
Den Berichten zufolge waren aber viele DemonstrantInnen nicht bereit, diesen Rückzieher zu akzeptieren. Nach der brutalen Repression, die sie erlebt haben, fordern sie ein Ende der Monarchie und die Ausrufung einer Republik. Bei Protestversammlungen, die einberufen worden waren um die Zugeständnisse des Königs zu feiern, haben DemonstrantInnen den König als Dieb bezeichnet und gefordert, er solle das Land verlassen.
Die Frage ist nun, ob die revolutionäre Bewegung einen Schritt weiter gehen wird, oder entgleist.
Es ist ohne Zweifel, dass die Massenbewegung der letzten Wochen viel weiter gehen wollte als die SPA-Führung und das die Bewegung immer radikaler wurde.
Drei Wochen der Massenkämpfe „haben sechs Millionen Menschen auf die Strassen gebracht“, meinte der Sprecher der Kongress Partei Krishna Sitaula (Nepal hat 28 Millionen EinwohnerInnen). Er sagte weiters, dass 16 Personen getötet und 5.000 verletzt wurden (Indian news agency, ‘Rediff’). „Wir haben den König in die Knie gezwungen“, sagt ein Aktivist, Rajan Sreshta. „Es zeigt sich, dass das Volk die wirkliche Macht ist“ (AP, 25 April).
Die wichtigste Entwicklung in dieser Bewegung war der Generalstreik in den Städten, der die ArbeiterInnenklasse und die urbane Bevölkerung einbezog. Dadurch wurde dieser Aufstand der ArbeiterInnen gegen ihre AusbeuterInnen und UnterdrückerInnen mit dem Aufstand der Bauern und Bäuerinnen am Land zusammen geführt. Diese Bewegung hat die Macht der Massen deutlich gemacht. Nach dem dreiwöchigen Generalstreik stellte sich die Frage, wer die Macht hat und diese Frage musste gelöst werden. Angesichts dieser Herausforderung war es notwendig, einen Schritt weiter zu gehen, d.h. für eine revolutionäre, verfassungsgebende Versammlung und eine Regierung der ArbeiterInnen und BäuerInnen zu kämpfen – andernfalls würde die Bewegung sich in „sichere“ Bahnen zurückentwickeln, die der alten herrschenden Klasse die Kontrolle überlassen würde.
Der frühere Versuch des Königs am Freitag, die Revolution zu entschärfen wurde mit Wut und noch mehr Demonstrationen beantwortet. Die SPA hatte das Angebot des Königs, einen Namen für den Kanzler zu nennen, abgelehnt. Der Fahrplan der SPA fordert die Wiedereinsetzung des Parlaments, das seinerseits Wahlen zu einer verfassungsgebenden Versammlung ausrufen sollte. Die MaoistInnen, deren bewaffnete Kräfte den Großteil der ländlichen Regionen kontrollieren, würden zur Teilnahme in Parlament und Übergangsregierung eingeladen werden. Das entspricht auch dem Übereinkommen zwischen SPA und MaoistInnen vom letzten November.
Der Grund, warum die SPA das Angebot des Königs am letzten Freitag abgelehnt hatte, obwohl es intensives Lobbying von Seiten der EU und indischer DiplomatInnen gegeben hatte, was die Stimmung der Massen. Der Rückzug des Königs hat die Proteste ermutigt. Am Samstag – dem fünften Tag der Ausgangsperre in der Hauptstadt Kathmandu – haben hunderte DemonstrantInnen die Polizeilinien, inkl. Maschinengewehren, durchbrochen und sind aufs Zentrum der Stadt marschiert. Als sie zurückgeschlagen wurden, haben Jugendliche Barrikaden gebaut und Autoreifen angezündet. 250 Menschen wurden von der Polizeigewalt allein in Kathmandu verletzt. Es gab in zahlreichen Ort rund um die Innenstadt Demonstrationen mit zehntausenden TeilnehmerInnen. In einem Versuch, die Demonstrationen zu sabotieren hat der Staat das Mobiltelefonnetzwerk lahm gelegt.
"Tötet den König, nicht uns!"
Die DemonstrantInnen trugen Bilder des Königs und marschierten in Art eines Begräbnisses. „Tötet den König, nicht uns“ haben sie der Polizei entgegengerufen. Sie wurden von PassantInnen unterstützt, die ihnen Wasser anboten. „Die Bewegung hat ihren Höhepunkt erreicht“, gab ein Anführer der Kongress-Partei als Grund an, warum das Angebot des Königs letzten Freitag nicht angenommen worden war.
Oberflächlich betrachtet entspricht der jüngste Rückzug des Königs den Forderungen der SPA und gibt ihnen damit eine Entschuldigung dafür, bei der Massenbewegung auf die Bremse zu treten. Aber es ist klar, dass der König große Teile der Massen keineswegs zufrieden gestellt hat.
Die Anführer der Kongress-Partei, die kommunistische CPN/UML und andere Parteien sind in Wirklichkeit von einer Bewegung, die sie nicht begonnen haben und von der sie versuchen, sie unter Kontrolle zu bekommen, zutiefst erschreckt. „Die Situation in Nepal ist explosiv und unkontrollierbar“, hat ein Korrespondent von Rediff berichtet. „Der verwunderlichste – und fantastischste – Aspekt des Kampfes gegen den König ist, das in Kathmandu (und auch überall sonst) keine politischen Schlüsselfiguren als Führung der Menge auftreten und das es keine Helden in der historisch friedlichen Bewegung gibt.“
Während die SPA das Angebot des Königs für ein neues Parlament begrüßt haben, haben es die MaoistInnen, zur Zeit, Berichten zufolge abgelehnt. Am Sonntag haben maoistische Rebellen in Chautara einen Angriff gegen Militär- und Polizeigebäude geführt. Der Anführer der MaoistInnen, Prachanda, hatte zuvor gesagt, das die Guerilla Wahlen zu einer verfassungsgebenden Versammlung zustimmt und die Allianz mit der SPA aufrechterhalten wird, auch wenn der König nicht gestürzt ist.
Die maoistische Rebellion hatte nach dem Versagen einer „kommunistischen“ Regierung (1995-96) Reformen durchzuführen, begonnen. Die Unterstützung für die MaoistInnen kommt v.a. aus den ländlichen Gebieten, wo 90% der Bevölkerung leben. Diese Gebiete sind von Kleinbauern und – bäuerInnen dominiert.
Trotzdem die SPA den Sieg erklärt hat, wird der König bei einer Sitzung am kommenden Freitag die Leitung haben, wo über die Öffnung des Parlaments am nächsten Montag diskutiert wird. Die Kongress-Partei fordert nur die Beschränkung der Rechte des Königs, damit er seine Macht nicht „missbraucht“. Es scheint außerdem, dass die MaoistInnen sehr viel Wert auf das geschriebene Wort in einer neuen Verfassung legen. Aber die letzten Wochen haben gezeigt, das der Kampf der Massen das ausschlaggebende ist. Die Schlüsselfrage ist nun, wie weit und wie lange die SPA weitere Massenproteste verhindern kann?
Die imperialistischen und regionalen Mächte haben ihre Befriedigung mit dem jüngsten Angebot des Königs und der Reaktion der SPA ausgedrückt. Aber während der Proteste in den letzten Wochen haben die DemonstranInnen Poster gegen die USA und die UNO getragen. Die USA, einst der stärkste Verbündete des Königs, ruft den König nun dazu auf, eine rein zeremonielle Rolle zu übernehmen.
Für einen Regierung der ArbeiterInnen und BäuerInnen
Die revolutionäre Bewegung muss nun demokratisch gewählte Komitees für den Kampf aufbauen. Solche Komitees für den Kampf müssen in den Städten von den ArbeiterInnen, Jugendlichen und anderen Teilen der Gesellschaft, die vom Kapitalismus ausgebeutet werden, gewählt werden, neben den Komitees der BäuerInnen am Land. Diese Körperschaften müssen demokratisch kontrollierte bewaffnete Strukturen aufbauen um in der Lage zu sein, die Bewegung zu verteidigen. Die Bewegung muss weiter intensiviert werden, um den König von den Schalthebeln der Macht zu verdrängen. Der König kontrolliert immer noch Armee und Polizei und es gibt hunderte politische Gefangene der letzten Wochen. Es muss ein Aufruf an die Basis der Streitkräfte gehen, sich dem Aufstand anzuschließen, und die Soldaten müssen gewählte Komitees errichten. Demokratisch gewählte Aktionskomitees in den Städten und am Land können die Grundlage für eine Regierung der ArbeiterInnen und BäuerInnen legen. Diese kann Wahlen zu einer revolutionären verfassungsgebenden Versammlung einberufen.
Nepal ist eines der ärmsten Länder der Welt – schuld daran ist das weltweite kapitalistische System. Die Revolution muss weiter gehen, den König stürzen, den repressiven Staatsapparat auflösen, sie muss die demokratische Kontrolle über Waffen herstellen, auch in den von den MaoistInnen kontrollierten Gebieten und sie muss sozialistische Maßnahmen gegen Kapitalismus und Imperialismus ergreifen. Die Revolution muss sich auch an ArbeiterInnen in Indien, Kashmir, Pakistan und China richten.
Nepal braucht eine revolutionäre, sozialistische Massenpartei um die Revolution weiter zu tragen, für eine sozialistische Föderation in der Region.