Nepal: Generalstreik und Massenproteste

Dieser Text stammt zwar bereits vom 21. April, hat aber trotz der jüngsten Ereignisse nichts an politischer Aktualität eingebüst.
CWI

König steht einem Aufstand gegenüber

Nach Massenprotesten und einem zwei Wochen dauernden Generalstreik könnte es zum Sturz des brutalen Regime des nepalesischen Königs, Gyanendra kommen. Das Regime in Nepal hat am Freitag den 22. April nach Massenprotesten bei denen über 100.000 Menschen in der Hautpstadt Kathmandu demonstriert hatten, eine Ausgangssperre bei der jedeR, der/die auf der Strasse angetroffen wird, erschossen wird, eingesetzt. Angesichts der brutalen Repression sind die Massen radikalisiert worden und haben die Angst vor der Repression verloren. Ein Student wurde in der britischen Zeitung Guardian zitiert: “Wir sind bereit unser Leben für die Nation zu opfern, denn wir werden getötet werden, aber es macht uns nichts aus.“ (Freitag, 21. April 2006)

Die Proteste wurden gewalttätiger und erfassten größere Teile des Landes und sie wurden außerdem radikaler. Nun fordern die Massen eine Republik und das Ende der Monarchie und nicht mehr nur Wahlen. In einem verzweifelten Versuch des Königs, sich an der Macht festzukrallen hat er (zum Zeitpunkt als dies geschrieben wird) der Opposition das Recht angeboten, den Kanzler zu nominieren sowie eine Rückkehr zur Demokratie – aber ohne Zeitangaben!

Am Donnerstag hat die Polizei auf DemonstrantInnen geschossen und drei getötet und viele verletzt. Mit „brutaler Eile“ hat die Armee die Körper der getöteten rasch eingeäschert. Zwei Wochen lang haben die ArbeiterInnen in Nepal einen Generalstreik durchgeführt, der auch von kleinen LadenbesitzerInnen und manchen Teilen der Mittelschicht unterstützt wurde. Während dieser Zeit wurden mehr als 14 Menschen von den staatlichen Kräften getötet. Zu den Massenaktionen hatte die Sieben-Parteien-Allianz (SPA) aufgerufen, die u.a. die Kommunistische Partei von Nepal (Vereinigte Marxisten-Leninisten) und die nepalesische Congress Partei umfasst. Maoistische Rebellen, die seit zehn Jahren einen Guerillakampf gegen das Regime führen, haben zur Unterstützung des Streiks einen Waffenstillstand im Tal von Kathmandu ausgerufen und die Proteste unterstützt.

An den Massenprotesten von Donnerstag haben mehr als 100.000 Menschen teilgenommen, und sie waren die Zusammenführung von zwei Wochen von Streiks und Protesten. Die OrganisatorInnen sagen, dass über 400.000 teilgenommen haben.

Grosse Gruppen von Menschen, die gegen den König protestieren wollten, sind aus allen Himmelsrichtungen in die Hauptstadt gekommen und sahen sich der Armee gegenüber die ein Sperrgebiet bewachte. AugenzeugInnen berichteten, dass die Polizei wahllos auf die DemonstrantInnen schossen die von den Hügeln des westlichen Vorortes Kalanki herunterströmten. Trotz der Ausgangssperre sind die Menschen am Freitag wieder auf die Strasse gegangen.

König Gyanendra hatte im Februar 2005 die Regierung entlassen und die Macht an sich gerissen. Aber der maoistische Guerillakrieg ging weiter, die wirtschaftliche Krise hat sich verstärkt, ebenso die Armut. Nun sind so gut wie alle Teile der Gesellschaft in Opposition zum König, darunter die ArbeiterInnen, die Bauern und Bäuerinnen, Studierende, AnwältInnen, JournalistInnen und kleine Gewerbetreibende.

Die Proteste nahmen während des zweiwöchigen Generalstreiks zu. Der Streik umfasst nun (zum Zeitpunkt da dies geschrieben wird) 80.000 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes. Sogar Beschäftigte des Innenministeriums haben an den jüngsten Demonstrationen teilgenommen. Am Montag der letzten Woche, haben sich auch Beschäftigte der Privaten Banken dem Streik angeschlossen. „Die Bewegung ist populär, sie wächst und dehnt sich aus,“ kommentierte Dhruba Adhikary vom unabhängigen nepalesischen Presseinstitut.

In seiner dritten Woche führt der Streik zu Engpässen bei frischen Lebensmitteln, Öl zum Kochen etc. in Kathmandu. Es gibt keine Fahrzeuge auf der Strasse, weder Menschen noch Güter werden transportiert. Die Situation hat die herrschende Klassen international alarmiert. „Ich fürchte, wir bewegen uns auf eine revolutionäre Situation zu“, wird ein anonymer Diplomat zitiert.

Selbst Teile der herrschende Elite in Nepal sehen König Gyanendra nun als Risikofaktor, dessen autokratische Herrschaft Nepal gefährlich nah zu sozialen und Klassenaufständen gebracht hat. Ausländische Mächte, wie die USA oder die EU-Staaten, kritisieren die Herrschaft des Königs offen. Sie und die angrenzenden Mächte Indien und China fürchten, dass das Beispiel von revolutionären Massenkämpfen in der Region NachahmerInnen finden könnte. Im Moment ist der letzte wirkliche Verbündete des Königs China und sogar das chinesische Regime kühlt seine Beziehungen ab.

Der König ist isoliert und herrscht auf Basis einem brutalen Unterdrückungsapparat um an der Macht zu bleiben. Aber es gibt viele Berichte von den letzten Protesten, das viele Polizisten und Soldaten auf der Strasse ebenfalls die Herrschaft von König Gyanendra kritisieren. Teile davon können rasch auf die Seite der DemonstrantInnen wechseln und damit das Ende seiner Diktatur einläuten.

Der Sturz des Königs wird von den ArbeiterInnen und den Armen in Nepal und international begrüßt werden. Es wird die Macht der Massen deutlich machen, die sich in den Protesten in den Städten und den Streiks ausgedrückt hat. Der Sturz wird wichtige Auswirkungen in der ganzen Region haben, wird ArbeiterInnen, Bauern und Bäuerinnen und die Armen inspirieren ebenfalls Massenaktionen zu beginnen. Aber solange es nicht zu weitreichenden sozialen Veränderungen in Nepal kommen, wird das Ende der Herrschaft von König Gyanendra nicht das Ende der extremen sozialen und wirtschaftlichen Krise bedeuten.

Nepal ist eines der ärmsten Länder der Welt mit einer überwiegend bäuerliche Bevölkerung mit 85% der 23,6 Million EinwohnerInnen, die am Land leben. Nach der Volkszählung von 2001 gibt es 92 verschiedene Sprachen in Nepal. Nur grundlegende, soziale Veränderungen können die katastrophale Situation der Massen beenden und es dem Land erlauben, sich als Teil einer sozialistischen Föderation der Region auf freiwilliger Basis zu entwickeln.

Aber das ist nicht das Programm der Sieben-Parteien-Allianz (SPA). Die Congress-Partei, die SPA politisch dominiert, steht fest auf dem Boden kapitalistischer Ideologie und wird innerhalb der engen Grenzen des Kapitalismus und von Nepals semi-feudaler Bedingungen agieren. Eine andere SPA-Partei, die Kommunistische Partei von Nepal (Vereinigte Marxisten-Leninisten) organisiert zwar Massenproteste, hat aber kein Programm das ernsthaft den Kapitalismus herausfordert. Die maoistische CPN-M organisiert geschätzte 15.000 in ihren Einheiten und kontrollierte etwa 75% des Landes. Sie behaupten, sie würden eine liberale parlamentarische Demokratie unterstützen und verschieben den Kampf für Sozialismus in eine ferne Zukunft. Aber Nepal hatte eine beschränkte formale „Demokratie“ bis König Gyanendra vor fünf Jahren die Macht an sich gerissen hat. Diese beschränkten demokratischen Reformen haben die immense Armut und Arbeitslosigkeit nicht beendet. Das ist nur möglich, wenn die feudale und kapitalistische Herrschaft beendet wird und wenn die imperialistische Dominanz der Wirtschaft beendet wird. Der einzige Weg, um die Gesellschaft weiter zu entwickeln und die beißende Armut und Ausbeutung zu beenden, ist der Aufbau einer Regierung der ArbeiterInnen und BäuerInnen auf Basis eines Programms um die Wirtschaft demokratisch zu planen und mit der Perspektive, die Unterstützung der ArbeiterInnen in Indien, China und anderen asiatischen Ländern zu gewinnen mit dem Ziel des Aufbaus einer sozialistischen Föderation in der Region.

Die Massen gehen instinktiv weiter als die beschränkten Forderungen der SPA, das zeigt sich in den zunehmend verzweifelten Versuchen der Oppositionsparteien die Massenbewegung zu kontrollieren. JournalistInnen haben aus Kathmandu  berichtet das viele DemonstrantInnen gesagt haben, dass die SPA-Führung zur Seite treten muss, wenn sie ihre Forderungen, die Herrschaft des Königs vollständig zu beenden und die Einführung voller demokratischer Rechte, nicht unterstützen. Diese DemonstrantInnen wollen auch ein Ende von endemischer Armut und Mangel.

Es entwickelt sich eine revolutionäre Krise. Es gibt die dringende Notwendigkeit, demokratisch gewählte Komitees von ArbeiterInnen, Studierenden und der städtischen Bevölkerung aufzubauen ebenso wie BäuerInnenkomitees am Land, um den Generalstreik weiterzuentwickeln die die Basis für eine neue Regierung zu legen. Der Aufbau von bewaffneten Selbstverteidigungskomitees, unter der Kontrolle dieser demokratischen Strukturen, um die Proteste zu verteidigen, ist eine dringende Aufgabe.

Solche Komitees können die Basis für den Aufbau einer Regierung der ArbeiterInnen und BäuerInnen ebenso sein wie Einberufung einer revolutionären Verfassungsgebenden Versammlung mit einem revolutionären sozialistischen Programm um die die wirkliche Transformation von Nepal im Interesse der ArbeiterInnen und der armen Massen zu beginnen.

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