Hochwasser: Keine Naturkatastrophe

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Während Tausende Menschen ihre Wohnungen und Häuser den Fluten überlassen müssen und die ersten Todesopfer zu beklagen sind, erreichen uns durch die Live-Ticker und die sozialen Medien im Minutentakt Bilder und Videos, die völlig surreal wirken: In Wien ist der Wienfluss, den man normalerweise kaum sieht, zu einem monströsen Strom angewachsen, der mit dem gleichermaßen mutierten Donaukanal das halbe U-Bahnnetz lahmlegt. Flüsse wie Pielach, Leitha oder Kamp sind kaum mehr zu kontrollieren und ob der Ottensteiner Stausee überläuft, weiß buchstäblich nur der Himmel: „Wir sind abhängig von jedem Regentropfen, der vom Himmel fällt, meinte Christoph Firlinger, Feuerwehr-Einsatzleiter in Hadersdorf im Ö1-Morgenjournal.

Die aktuellen katastrophalen Überschwemmungen sind aber kein isoliertes Naturphänomen. Nach 2002 und 2013 bricht nun bereits das dritte „Jahrhundert-Hochwasser“ dieses jungen Jahrhunderts über uns herein. Das steht in direktem Zusammenhang mit der Klimakrise und den vielfachen Krisen des kapitalistischen Systems, das für sie verantwortlich ist. Die Flutkatastrophe zeigt nicht nur, dass die Klimakrise längst direkt unsere Leben bedroht, sondern legt auch die Heuchelei der etablierten Politik offen, die sich jetzt wahlkampfwirksam als Retter inszeniert, während sie selbst die Krisenursachen weiter befeuert.

Klimakrise und Wetterextreme

Hervorgebracht wurden die aktuellen Fluten von einer sogenannten „Vb-Wetterlage“. Dieses Phänomen ist schon länger bekannt und tritt nicht selten auf: Es handelt sich um ein abgeschlossenes Höhentief über Norditalien und dem Alpenraum, das feuchte Luft aus dem Mittelmeerraum bringt. In den letzten Jahrzehnten hat sich aber gezeigt, dass die größten Niederschlagsereignisse mit Vb-Wetterlagen am Alpennordrand um etwa 20 Prozent zugenommen haben. Diese Entwicklung ist direkt auf die steigenden globalen Temperaturen zurückzuführen. Die Temperaturrekorde im Mittelmeerraum tragen dazu bei, dass die von dem Tief angesaugte Luft mehr Feuchtigkeit aufnimmt – rund 7% pro zusätzlichem Grad Celsius. So werden enorme Wassermengen nach Mitteleuropa transportiert. Die überhitzten Meeresoberflächen, die derzeit bis zu fünf Grad über dem langjährigen Durchschnitt liegen, bedingen dabei eine starke Verdunstung, die letztlich in extremen Regenfällen endet. Laut Meteorologen wird sich durch die Erderwärmung die Intensität dieser Niederschläge weiter verschärfen.

Bodenversiegelung: Klimakiller und Hochwasserfaktor

Neben der allgemeinen Klimakrise spielt die zunehmende Bodenversiegelung in Österreich eine zentrale Rolle bei der Verschärfung der Hochwassergefahr. Besonders betroffen sind Regionen wie Niederösterreich, wo die versiegelte Fläche pro Person besonders hoch ist. Hier zeigt sich deutlich, dass die am stärksten betroffenen Gebiete auch diejenigen sind, in denen die Bodenversiegelung am weitesten fortgeschritten ist. Der Bezirk Horn etwa weist eine Versiegelungsrate von 56,8 Prozent aus, was vor allem auf den massiven Ausbau von Verkehrsflächen zurückzuführen ist. In den besonders betroffenen Bezirke des Waldviertels, Horn, Waidhofen/Thaya und Zwettl liegt die Versiegelung bei knapp 1000m2 pro Person!

Versiegelte Böden können kein Wasser mehr aufnehmen, was bei Starkregen zu verheerenden Überflutungen führt. Die natürlichen Funktionen des Bodens, wie die Speicherung von Wasser und CO₂, werden massiv eingeschränkt, wodurch das Risiko von Naturkatastrophen steigt. In Österreich gehen täglich 11,5 Hektar Boden durch Versiegelung verloren – das entspricht etwa 12 Fußballfeldern. Dieser Flächenfraß beschleunigt die Klimakrise weiter, indem er natürliche Speicher- und Filterfunktionen zerstört.

Politische Heuchelei

Die aktuelle Hochwasserhilfe durch die Politik wirkt wie eine Inszenierung, die im Angesicht von Wahlen einmal mehr die Unfähigkeit und den fehlenden Willen zur Bekämpfung der Klimakrise überdeckt. Vertreter*innen der Politik, die nun medienwirksam Sandsäcke füllen und Hochwasseropfer besuchen, gehören oft zu denselben Kräften, die durch ihre Entscheidungen die Krisenursachen vertiefen. Während Bundeskanzler Nehammer vom „Autoland Österreich“ spricht und vor einem „Untergangsirrsinn“ warnt, torpediert seine Regierung Maßnahmen zur Reduktion der Bodenversiegelung, fördert weiterhin fossile Energiequellen und zeigt ​​Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) für eine Zustimmung zum Renaturierungsgesetz an! Selbst das kann die FPÖ noch überbieten: Der rechtsextreme EU-Abgeordneter Harald Vilimsky besuchte erst vor wenigen Tagen das Benefizdinner des rechten Thinktanks “Heartland Institute”. Am Tisch: Bekannte Klimawandelleugner*innen, die mit der FPÖ künftig zusammenarbeiten wollen.

Doch nicht nur FPÖ und ÖVP betreiben keinen wirksamen Klimaschutz. SPÖ und Neos setzen in Wien genauso eine enorm begrenzte Klimapolitik um und auch die Grünen akzeptieren in der Bundesregierung nicht nur die rassistische und unsoziale Politik der ÖVP sondern auch das permanente Bremsen bei Klimaschutz. Insgesamt stoßen alle etablierten Parteien in der Klimapolitik an die Grenzen des Kapitalismus. Das sieht man schon bei Angriffen auf längst notwendige Maßnahmen wie das Renaturierungsgesetz. Daran werden auch die Wahlen am 29.9. nichts ändern - umso wichtiger ist es, dass wir alle zum Klimastreik am 20.9. auf die Straße gehen, um zu zeigen, was wir von der Klimapolitik der Herrschenden halten und um uns zu organisieren!

Wer badet es aus?

Die finanziellen und sozialen Folgen der Hochwasserkatastrophen treffen vor allem die Arbeiter*innenklasse und einkommensschwache Haushalte. Versicherungen, die oftmals lediglich geringe Summen auszahlen, lassen viele Betroffene auf den immensen Schäden sitzen. Die Risiken werden zunehmend auf die Individuen abgewälzt, während die großen Verursacher der Klimakrise weiterhin Profite scheffeln. Extremwetterereignisse sind längst keine abstrakten Bedrohungen mehr, sondern greifen tief in unsere Lebens- und Arbeitsrealitäten ein: Man stelle sich nur vor, wie die Arbeit von Fahrradbot*innen in den letzten Wochen zwischen Hitzeschlägen und Hochwasser ausgesehen hat! Obwohl Beschäftigte bezahlt der Arbeit fernbleiben dürfen gilt das nur wirklich Menschen in regulären Beschäftigungsverhältnissen. Außerdem können Bosse trotzdem Druck aufbauen. Auch für Wohnungslose Menschen haben solche Extremwetterereignisse noch katastrophale Folgen - deshalb fordern Wohnungslosenbetreuer*innen in Wien (z.B. die Initiative Sommerpaket), z.B. auch eine ganzjährige Unterbringung, eine Forderung, die mit der eskalierenden Klimakrise immer dringender wird.

Gleichzeitig drohen weitere finanzielle Belastungen: Die Kosten der Katastrophenbekämpfung und des Wiederaufbaus gehen voraussichtlich in die Milliarden. Bereits seit Monaten trommelt das Kapital für massive Kürzungspakete, welche die nächste Regierung in der ein oder anderen Form durchsetzen wird. Die Flutkatastrophe wird den Kürzungszwang noch einmal massiv verschärfen – und so werden noch die Kosten des Wiederaufbaus auf die Betroffenen abgewälzt.

Insbesondere die Gewerkschaften sind deswegen in der Pflicht, klimabedingte Verschlechterungen bei Arbeitsbedingungen nicht nur aufzuzeigen, sondern auch Kämpfe für Verbesserungen, Schutzmaßnahmen etc. zu führen - und massenhafte Mobilisierungen gegen die kommenden Kürzungspakete zu organisieren!

Klimakiller enteignen!

Es braucht sofort massive Investitionen in den Katastrophenschutz, die Aufstockung der Rettungsorganisationen und gerechte Entschädigungen für die Betroffenen. Versicherungen dürfen nicht länger privatwirtschaftlich organisiert sein; vielmehr sollte eine staatliche Versicherung, demokratisch kontrolliert durch die Betroffenen, die Risiken solidarisch abfedern. Aber dabei können wir nicht stehenbleiben, wenn wir nicht in ein paar Jahren das nächste Jahrhunderthochwasser vor der Türe haben wollen.

Tatsächlich werden alle Aspekte der Klimakrise nur durch eine demokratisch geplante Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zu bewältigen sein: eine sozialistische Gesellschaft, die dazu in der Lage ist die immer katastrophalen Klimakrisen durch öffentliche Maßnahmen zu bewältigen: Staatlich organisierte Baukonzerne, kontrolliert von den Beschäftigten und der Zivilgesellschaft, können den Wiederaufbau und die Anpassung an die Klimakrise übernehmen. Die Entsiegelung von Flächen, die Begrünung von Städten, die Schaffung von Rückhaltebecken und die umfassende Wärmeisolierung bestehender Wohnungen sind nur einige der dringend notwendigen Projekte, ganz abgesehen vom sofortigen Ausstieg aus fossilen Energien und dem massiven Ausbau des öffentlichen Verkehrsnetzes. Das Geld dafür ist da – es liegt bei den Superreichen, die sich ihre privaten Katastrophenschutzbunker mit Gold verzieren lassen. 

Das Hochwasser zeigt deutlich, wie umfassend die Krise ist und wie dementsprechend radikal die Antwort sein muss. Gleichzeitig zeigt die Abkehr von der ohnehin extrem schaumgebremsten Klimaschutz-Politik der Herrschenden, dass sie nicht einmal zum absoluten Minimum bereit sind, um auch die Folgen der Klimakrise auch nur abzuschwächen. Die Klimakrise ist keine Naturgewalt, sondern das Ergebnis eines zerstörerischen Wirtschaftssystems. Genauso wie die aktuellen Fluten, die nicht nur in Österreich wüten, sondern auch in Tschechien und insbesondere in Polen gerade unglaubliche Verwüstung anrichten, kann unsere Antwort darauf keine Grenzen kennen. Dass am anderen Ende der Welt, in Lateinamerika, gerade ganze Regenwälder in Flammen stehen und tausende von Flächenbränden außer Kontrolle sind, ist genauso Teil desselben zerstörerischen kapitalistischen Teufelskreises. Nur ein internationaler sozialistischer Kampf, der Mensch und Natur in den Mittelpunkt stellt, kann einen Ausweg aus den aktuellen Katastrophen zeigen – und eine Gesellschaft schaffen, die in der Lage ist, weitere zu verhindern.