Fr 29.04.2022
Anfang Mai ist es wieder soweit: Die Matura-Prüfungen stehen an. Für etwa 40.000 Schüler*innen heißt das Belastung, Stress und Ängste - welche davor schon alarmierend hoch liegen. Die Pandemie verschärft dies weiter - laut einer Studie der Donau-Universität Krems zur psychischen Gesundheit von Schüler*innen vom Dezember 2021 hatten 62% der Mädchen und 38% der Buben zwischen 14 und 20 mittelgradige depressive Symptome und die Gesamtzahl an Depressions-, Angstsymptomen und Schlafstörungen hat sich verfünf- bis verzehnfacht.
Das machte es besonders zynisch, als Anfang des Jahres erneut “Expert*innen”, die seit Jahren in keiner Klasse mehr gesessen sind, auszogen, um den “Wert der Matura” zu verteidigen und ein Ende der “Corona-Matura” forderten. De facto sagt die Matura wenig über Wissen oder Verständnis aus, sondern über die Fähigkeit, Stoff auswendig zu lernen, ohne zu hinterfragen, und anschließend bei einer Prüfung wieder auszukotzen - also “Bulimie-Lernen”. Verschärft durch die Zentralmatura werden Inhalte durchgepeitscht, damit Schüler*innen auf Knopfdruck funktionieren und sich daran gewöhnen, Anweisungen zu folgen. Es geht darum, die Anforderungen der Wirtschaft an’s Bildungssystem und künftige Beschäftigte zu erfüllen - zumindest, solange Profitinteressen den Ton angeben.
Matura: Reform-Reif oder Überholt?
Jedes Jahr verbreitet die Matura bei zehntausenden Jugendlichen Angst und Schrecken - entsprechend viele Änderungswünsche gibt es. Die verschiedenen Ansätze, von gerechteren Prüfungskonzepten über Unterrichtsmethoden, die auf verschiedene Lerntypen Rücksicht nehmen, bis hin zu “sozialeren” oder “inklusiveren” Zugangsbeschränkungen, ignorieren aber, welche Funktion die Matura (nicht) erfüllt: Sie ist keine objektive Messung, um den “Lernstand zu kontrollieren”, sondern dient im Wesentlichen dazu, Schüler*innen zu disziplinieren und die auszusortieren, die nicht auf Knopfdruck funktionieren, wie es das Funktionieren des Systems braucht.
Wir wollen daher statt Reformen zu diskutieren, gemeinsam mit Lernenden und Lehrenden für die Abschaffung von Matura sowie Zugangsbeschränkungen und für ein ganz, ganz anderes Bildungssystem kämpfen.
Die Maturastreiks Anfang des Jahres zeigten zwar das Potential für Veränderung und die Unzufriedenheit, boten aber noch keine echte Alternative. Die zentrale Forderung war die freiwillige mündliche Matura (und selbst diese nur während der Pandemie). Konkrete Vorschläge, um diese zu erkämpfen oder die Proteste auszuweiten, fehlten. Ein bisschen wirkte das Ganze, als ob die SPÖ-nahe AKS sich vor den Wahlen zu Landes- und Bundesschüler*innenvertretung nochmal ins Gedächtnis bringen wollte. Zurückhaltende Forderungen und fehlende Strategie waren mitschuld daran, dass die Mobilisierungen nur begrenzt Fuß fassen konnten.
Um Proteste wirklich in Schulen zu verankern, braucht es demokratische Organisierung von unten. In Schüler*innen-Komitees können Bedenken angesprochen, Forderungen diskutiert und nächste Schritte geplant werden. Zentral, um die Forderungen zu erkämpfen, ist auch eine Strategie, die den Druck schrittweise aufbaut und weitere Verbündete miteinbezieht (siehe dazu auf www.slp.at der Artikel: Schulstreik Basics: Unite and fight!).
Das wäre nicht nur die Basis, um Matura und Zugangsbeschränkungen abzuschaffen und ausreichend Ressourcen zu erkämpfen, sondern auch, um ein Bildungssystem ohne Konkurrenz, Leistungsdruck und mit den besten Lehrmethoden für alle aufzubauen, ein sozialistisches, in dem wir ein Leben lang demokratisch gemeinsam und voneinander lernen.