Mi 30.03.2022
In mehreren Städten versammelten sich am 29. März tausende Elementarpädagog*innen, um für dringend notwendige Verbesserungen zu kämpfen. In Wien streikten die privaten Kindergärten, Horte und Einrichtungen der Freizeitpädagogik den ganzen Tag. In Linz fand eine gemeinsame Protestkundgebung von öffentlichen und privaten Kindergärten statt. In Klagenfurt gab es eine Demo von Beschäftigten der Gemeinde-Kindergärten.
Wir waren in Wien und Oberösterreich gemeinsam mit der Basisinitiative "Wir sind sozial aber nicht blöd!" und der sozialistisch-feministischen Kampagne ROSA dabei!
Denn der Kampf im Bildungsbereich ist vor allem auch ein Kampf für Verbesserungen für Frauen! Nicht nur das die überwiegende Mehrheit der Beschäftigten hier Frauen sind, sondern sie sind es meist auch die bei fehlender Kinderbetreuung einspringen müssen. Deshalb war ROSA mit einem sozialistisch-feministischen Programm Teil der Proteste. Auch die neue ROSA-Zeitung zum Thema feministischer Streik wurde verteilt. Die internationalen Beispiele zeigen die notwendige Verbindung von Gewerkschafts- und Frauenbewegung: vom Frauenstreik in der Schweiz über den Arbeitskampf im Uni-Kindergarten in Gent (Belgien) bis zum Erzieher*innenstreik in Deutschland am 8. März diesen Jahres.
Streik in Wien
Alleine auf der Demo in Wien war 8.000 Beschäftigte, und das vormittags, mitten in der Arbeitszeit. Die meisten Einrichtungen waren zumindest bis Nachmittag geschlossen, viele den ganzen Tag. Auch wenn sich die Gewerkschaftsführung kaum traut, es auszusprechen: es war de facto ein Streik, und das ist gut so!
Denn bereits im Oktober 2021 hatte es eine Großmobilisierung gegeben, doch die Zustände in den Kindergärten und anderen Einrichtungen sind um nichts besser geworden. Schon vor der Pandemie litten die Kolleg*innen unter Niedriglöhnen; viele Kolleg*innen trugen selbstgemachte Schilder, auf denen “Ich kann gar nicht so schlecht arbeiten, wie ich bezahlt werde” stand und forderten massive Gehaltserhöhungen. Das zweite große Thema ist der Personalmangel auf allen Ebenen; unzählige Transparente und Schilder forderten kleinere Gruppen und bessere Betreuungsschlüssel. Zur Berufskrankheit Burnout kam dann noch Corona dazu: Für Elementarpädagog*innen gab es keine Lockdowns, kein Homeoffice und kein Distance-Learning - Sie mussten unter schwierigsten Bedingungen durcharbeiten und bekamen dafür nichts von der Politik, außer zynischem Applaus. In Wien richteten Kolleg*innen ihre Wut und ihre Forderungen auch direkt an die Verantwortlichen: “Ludwig, her mit den Millionen für den Kindergarten!” und “Bildungsstadtrat Wiederkehr macht uns die Arbeit schwer” war auf Schildern zu lesen.
Auch die Verbindung zu Krieg und Aufrüstung wurde von den Kolleg*innen gezogen, wie etwa ein Schild ausdrückte, auf dem stand: “Mehr Geld für Bildung statt für Militär”. Eine andere Kollegin forderte in ihrer Rede 1 % des BIP für Kindergärten - und konterte damit direkt Nehammers Ankündigung, das Budget des Bundesheers auf denselben Prozentsatz zu erhöhen. Eine andere Kolleg*in berichtete auf der Bühne davon, dass Elementarpädagog*innen auch zunehmend mit kriegs- und fluchtbedingten Traumatisierungen bei Kindern umgehen müssen - und dass es dafür ausreichend Ressourcen und Unterstützungspersonal, gerade jetzt, braucht.
Aktivist*innen der SLP waren gemeinsam mit der Initiative “Sozial aber nicht blöd” (SANB) und der Kampagne ROSA aktiver Teil der Proteste. Mit unserer Kampagne #streikbereit sammelten wir Unterschriften für weitere betriebliche Kampfmaßnahmen und Streiks. Nur so kann genügend Druck aufgebaut werden, um die notwendigen Verbesserungen zu erkämpfen. Selma Schacht, SANB-Aktivistin und Betriebsratsvorsitzende von “Bildung im Mittelpunkt” (Nachmittagsbetreuung in Wien), eröffnete deshalb ihre Rede auch mit der Ankündigung: “Ich bin streikbereit!”. Hunderte Kolleg*innen von “Bildung im Mittelpunkt” schlossen sich den Protesten an und trotzten der Geschäftsführung, die Teilnehmenden mit Gehaltsentzug gedroht hatte. Stattdessen wurde ein betriebliches Aktionskomitee gegründet und ein Protestbrief mit Forderungen entworfen, den 656 Kolleg*innen als Erstunterzeichner*innen unterschrieben. Das Beispiel zeigt, dass es möglich ist, sich auch in diesem Bereich an der Basis im Betrieb zu organisieren. Und das ist auch absolut notwendig - denn die Strategie der GPA-Führung, durch reines “die-Muskeln-spielen-lassen” Einsicht bei den Verantwortlichen zu bewirken, ist zum Scheitern verurteilt.
Trennung in unterschiedliche Bereiche schwächt uns nur!
Noch problematischer ist allerdings das Vorgehen der younion-Bürokratie, die eine Woche zuvor separate Proteste der Elementarpädagog*innen im öffentlichen Bereich organisierte. Das ist nichts anderes als die Sabotage eines Kampfes, der gemeinsam geführt werden muss, weil Elementarpädagog*innen in beiden Bereichen mit denselben Missständen zu kämpfen haben.
Auch die Bundesländer arbeiteten aneinander vorbei. Nur in Wien, Oberösterreich und Kärnten fanden Aktionen statt und diese waren sehr unterschiedlich mobilisiert. Nur in Wien wurde gestreikt und hier nur im privaten Sektor, anderswo gab es Demos am Nachmittag. In Kärnten waren nur die öffentlichen Einrichtungen beteiligt.
Deswegen fordert SANB insbesondere einen gemeinsamen bundesweiten Streiktag von privaten und öffentlichen Einrichtungen als nächsten Schritt.
Protest in Oberösterreich
Dass dieser nötig wäre, zeigte die Protestaktion der Gewerkschaften in Linz am selben Tag. Auch diese fand während der Arbeitszeit statt, aber ohne die Einrichtungen zu schließen. Trotzdem versammelten sich um 14:00 rund 2.000 Beschäftigte aus ganz Oberösterreich vor dem Landhaus. Was wäre möglich gewesen, wenn hier ein Streik organisiert worden wäre?
Auch hier war die SLP dabei und sammelte Unterschriften für die #streikbereit-Kampagne von “Sozial aber nicht blöd”. Die Forderung nach einer organisierten und vorbereiteten Arbeitsniederlegung und einem koordinierten Streik- und Aktionstag aller betroffenen Bereiche und das österreichweit rannte auch hier offene Türen ein. Manche meinten sogar “Mir wäre eine Woche lieber.” So sammelt ein einzelner Aktivist über 80 Unterschriften dafür. Auch unter den zahlreichen BAfEP-Schüler*innen, die (teilweise mit ihren Lehrer*innen) zur Aktion kamen, fand dieser Vorschlag große Unterstützung.
In vielen Gesprächen wurde die Frage von Streik von den Beschäftigten selbst aufgeworfen. Einige Kolleg*innen erzählten, dass sie schon im Vorhinein untereinander darüber diskutiert hätten, dass ein richtiger Streik sinnvoller wäre. Sie berichteten wie schwierig es war sich für den Protest frei zu nehmen. Manchmal konnten sie auf Kulanz der Dienstgeber in der Arbeitszeit hinfahren. Viele kamen in der Freizeit. Manche Einrichtungen haben selbst Vorbereitungen getroffen und die Eltern gebeten ihre Kinder an diesem Tag zu Hause zu lassen. Meistens mussten aber Kolleg*innen in den Betrieben zurückgelassen werden, um einen “Notbetrieb” aufrecht zu erhalten. Außerdem fanden es viele Kolleg*innen absurd, dass mancherorts öffentlicher und privater Bereich getrennt vorgehen.
Von der Bühne aus kündigten Gewerkschaftsvertreter zwar an wie es weitergehen soll, wenn auf die Forderungen nicht eingegangen wird. Aber das “wie” blieb sehr schwammig.
Organisierung an der Basis nötig!
Klar ist, wir können nicht wieder ein halbes Jahr warten bis es zu nächsten Einzelaktionen kommt. Die ständige Wiederholung derselben Art von Protest weist daraufhin, dass den Gewerkschaften eine Strategie wie der Druck erhöht werden kann fehlt. Denn auch klar ist, diese wird es brauchen. Wir haben gesehen: Die Bundesregierung und die Landesregierungen schenken uns nichts, aber den Konzernen Milliarden.
Wenn wir uns zusammenschließen, an der Basis vernetzen und unter Beschäftigten und mit Betriebsrät*innen diskutieren, können wir so Druck aufbauen. Nicht nur auf Politik und Arbeitgeber, sondern auch auf die Gewerkschaftsführung, um sie zu zwingen den Kampf effektiver zu organisieren.
Die Basisinitiative “Sozial aber nicht blöd” lädt alle ein dafür gemeinsam aktiv zu werden. Komm zum nächsten Treffen am 24. April! Schreib uns!
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