Fr 24.09.2021
Die Wahlen am 26. September in Oberösterreich und Graz finden im Kontext einer zunehmenden Instabilität und Krise der bürgerlichen Parteien statt, in Österreich und international. Die relativ gestiegenen Umfragewerte von z.B. den Grünen drücken keine nennenswerte Trendwende aus: Dominiert werden die Wahlen von wenig Dynamik und einer politisch und sozial immer perspektivloseren Lage für die Arbeiter*innenklasse, von der die Rechten versuchen zu profitieren. Aber auch wenn die FPÖ versucht hat von der Lage zu profitieren und sie im Wahlkampf für rassistische Hetze zu nutzen und damit auch weiterhin eine Gefahr darstellt, hat auch sie zunehmend ihren Zenit überschritten. Keine der etablierten Parteien kann eine Alternative und Antworten auf die Krise bieten. Die Corona-Pandemie und die Wirtschaftskrise drücken sich unter anderem darin aus, dass es immer weniger Vertrauen in die Regierungen (Bund wie Länder) gibt und die Wahlebene damit aktuell an Bedeutung verliert. Egal wie die Wahlen ausgehen: Notwendig wird der Aufbau von Widerstand der Arbeiter*innenklasse und Jugend sein um das Abwälzen der Krise auf ihrem Rücken zu bekämpfen. Ansätze dafür wachsen: Im Sozial- und Gesundheitsbereich gärt es schon länger, jetzt gibt es erstmals seit dem Beginn der Pandemie große Arbeitsniederlegungen im Kindergartenbereich, das Bewusstsein für die Unterdrückung von Frauen nimmt zu und drückt sich immer stärker in Protesten aus, fast wöchentlich demonstrieren Menschen für die Aufnahme von Geflüchteten aus Afghanistan, am internationalen Klimastreik beteiligen sich Zehntausende auch in Österreich, während Aktivist*innen weiter die Lobau besetzen und auch bei den Lohnverhandlungen kündigt die Gewerkschaft einen offensiven Kurs an.
Deshalb rufen wir dazu auf, die KPÖ oder wo nicht vorhanden andere linke Listen (wie die Welser Linke) zu wählen. Aber vor allem auch dazu, den Widerstand auf der Straße und in den Betrieben gegen die Auswirkungen dieses Systems zu stärken.
Oberösterreich
In Oberösterreich hat die jahrelange Politik der schwarz-blauen Koalition teilweise Illusionen in SPÖ und Grüne wieder geweckt, als “kleineres Übel” oder etwas sozialere Alternative zu ÖVP und FPÖ. Doch gerade bei der Auseinandersetzung bei MAN Steyr zeigte sich, dass die sozialdemokratisch dominierten Gewerkschaften, außer es für den Wahlkampf zu nutzen, keinen ernsthaften Plan im Kampf gegen Arbeitsplatzabbau in der Industrie haben. Doch genau das wird mit fortlaufender Wirtschaftskrise eine immer stärkere Herausforderung im “Industrieland Oberösterreich” werden. Die Grünen profitieren von dem breiten Bewusstsein für den Klimawandel. Doch ihr erklärtes Ziel ist es wieder mit der ÖVP zu regieren. Besonders bezeichnend, weil Landeshauptmann Stelzer für einen besonders rechten, rassistischen und neoliberalen Kurs in der ÖVP steht. Mit ihm wird es nur Subventionen für große Unternehmen, aber keinen effektiven Klimaschutz geben. Die FPÖ ist in der „Corona-Frage“ gespalten. Haimbuchner ist eigentlich ein Kontrahent zum Kickl-Kurs. Davon profitiert ein wirre Impfgegner*innen-Partei (“Menschen Freiheit Grundrechte - MFG”) und könnte möglicherweise den Einzug in den Landtag schaffen. Eine gefährliche Entwicklung, weil damit reaktionärste Strömungen eine Bühne bekommen. Dass jetzt viele bei den “Corona-Schwurberln” landen hat auch damit zu tun, dass linke Kräfte den Unmut in Bezug auf den Umgang mit der Corona-Pandemie weder hinreichend aufgegriffen noch Antworten im Interesse der Arbeiter*innenklasse gefunden haben.
Mit der KPÖ (oberösterreichweit), der “Welser Linken” (Wels) und dem “Wandel” (Linz) treten insgesamt drei linke Listen an. Auch wenn ihre Programme wenn überhaupt nur an den Widersprüchen des kapitalistischen Systems kratzen, führen sie einen aktiven Wahlkampf und sind unabhängig von der bürgerlichen Politik. Wir empfehlen die KPÖ bzw. “Welser Linke” zu wählen, weil KPÖ-Aktivist*innen auch abseits von Wahlkampfzeiten bei Protesten (vor allem gegen Rassismus und Sozialabbau) präsent sind. Vor allem mit ihren Betriebsrät*innen im Sozialbereich repräsentieren sie eine Politik im Widerspruch zum falschen Kurs der Gewerkschaftsführung. Außerdem wäre der Verlust des Gemeinderatsmandates von Gerlinde Grünn in Linz ein Rückschritt.
Trotzdem stellen wir uns die Frage, wie wir den Widerstand gegen rechte und unsoziale Politik auch nach der Wahl weiterführen können. Wird die KPÖ die im Wahlkampf entstandene Dynamik nutzen, um kämpferische Bewegungen gegen einzelne Auswüchse kapitalistischer Politik aufzubauen? Wird das Projekt “Welser Linke” auch nach der Wahl Angebote an Menschen, die politisch aktiv werden wollen, stellen? Notwendig wäre es. Kshama Sawant, Aktivistin der “Socialist Alternative” in den USA, hat es 2013 am Rücken der Bewegung für einen 15 $ Mindestlohn in den Stadtrat von Seattle geschafft und nutzt jetzt diese Position um Kämpfe für Konzern-Steuern (Amazon Tax) und leistbares Wohnen mit aufzubauen. Eine mobilisierende Kampagne zum Thema Klima oder für bessere Arbeitsbedingungen in städtischen Kindergärten oder Pflegeheimen könnte Gerlinde Grünn als Gemeinderätin direkt nach der Wahl anstoßen.
Die Erfahrung der letzten Jahre bzw. 12 Jahre KPÖ im Gemeinderat lassen uns befürchten, dass sie diese Chancen nicht nützen werden. KPÖ-Betriebsrät*innen könnten den Unterschied in kommenden Auseinandersetzungen im Sozialbereich machen. Diese haben in den letzten Jahren zwar immer gegen faule Kompromisse gestimmt, aber nie versucht den Kampf weiter auszubauen und kämpferische Initiativen zu setzen. Wir wollen auch weiterhin mit den Genoss*innen Diskussionen über diese Fragen führen. Gleichzeitig laden wir alle, die für Veränderung kämpfen wollen, dazu ein mit uns gemeinsam Proteste gegen Angriffe der Herrschenden zu organisieren, in Bewegung aktiv zu sein und kommende gewerkschaftliche Kämpfe zu unterstützen.
Die Erfolge der KPÖ Graz ...
Mit der KPÖ Graz steht eine der auf lokaler Ebene stärksten linken Parteien in Europa auf dem Stimmzettel. Bei den letzten Wahlen wurde die KPÖ mit knapp über 20% die zweitstärkste Partei und stellt zwei Stadträt*innen. Und auch auf Landesebene konnte sie in den letzten Jahren beachtliche Erfolge erzielen.
Erreicht werden konnte dies dadurch, dass sich die KPÖ Graz auf soziale Themen, vor allem auf den Bereich Wohnen fokussiert hat. Jahrelang war Elke Kahr, die auch heuer wieder Spitzenkandidatin ist, Wohnungsstadträtin. Es wurde unter anderem ein „Mieter*innen-Notruf“ eingeführt, der bei mietrechtlichen Fragen kostenlose Beratungen anbietet, und die KPÖ hilft auch bei Mietrückständen aus. Auch bei dieser Wahl bleibt Wohnen für die KPÖ ein zentrales Thema. So fordert die KPÖ eine Mietzinsobergrenze, den Bau zusätzlicher Gemeindewohnungen und ein Ende der Privatisierung von öffentlichem Wohnraum, um nur einige Beispiele zu nennen. Der andere Faktor, der den Erfolg erklärt ist, dass Mandatar*innen der KPÖ einen Großteil ihrer Politiker*innen-Gehälter spenden. Seit 1998 sind auf diesem Weg 2,5 Millionen Euro weitergegeben worden. Mit diesem Geld wurden zum Beispiel Ausbildungskosten, Einstiegskosten für neue Wohnungen oder Reparaturen im Haushalt von Grazer*innen in finanziellen Notlagen bezahlt.
… und die Grenzen ihrer Politik
Es ist unbestreitbar, dass die KPÖ Steiermark wichtige Forderungen aufstellt und ihre Politik zahlreichen Menschen geholfen hat. Die KPÖ versucht, die soziale Lage zu verbessern, was grundsätzlich auch richtig ist. Dadurch ist es gelungen die größte Basis für linke Politik in Österreich aufzubauen und es zeigt, was ein Politik die sich klar von den Etablierten abgrenzt erreichen kann. Dabei setzt die KPÖ Steiermark aber nicht wirklich auf soziale Bewegungen von unten, sondern beschränkt sich stark auf die Arbeit in bürgerlichen Institutionen, wie dem Gemeinderat oder Landtag und betreibt somit letztlich Stellvertreter*innenpolitik. Diese Politik stößt aber an ihre Grenzen, wenn sich die wirtschaftliche Lage wie aktuell schon spürbar verschlechtert und der bürgerliche Staat weniger Spielraum für die Umsetzung von sozialen Verbesserungen zulässt. In der jetzigen Krise des kapitalistischen Systems ist mehr als deutlich geworden, dass der einzige Weg, nachhaltige Verbesserungen zu erkämpfen aktiver Widerstand und Organisierung ist. Die KPÖ fordert zu Recht den Bau von Gemeindewohnungen und ein Ende der Privatisierung von Wohnraum. Um dies aber tatsächlich in die Praxis umzusetzen wird mehr nötig sein als ein guter Wahlerfolg der KPÖ. Es braucht eine breite Bewegung von unten, um solche Forderungen zu erkämpfen.
Es wäre falsch zu behaupten, dass die KPÖ Graz soziale Bewegungen komplett ignoriert und sich an ihnen nicht beteiligt. So war die KPÖ in der Bewegung gegen das Murkraftwerk, ein sinnloses, teures und umweltschädliches Großprojekt in Graz, beteiligt oder auch bei den Streiks im Sozialbereich im vergangenen Jahr. Aber als starke linke Kraft hätte die KPÖ die Aufgabe, die führende Rolle in diesen Bewegungen zu übernehmen. Stellen wir uns kurz vor, was möglich gewesen wäre, hätte die KPÖ ihre Stärke genutzt, um bei den Kämpfen im Gesundheits- und Sozialbereich eine breite Kampagne in der Stadt mit einer Ausweitung der Streiks, Demonstrationen der Bevölkerung für mehr Geld für Gesundheit und Soziales etc. zu organisieren.
Natürlich hat die KPÖ mit ihren Spenden in Millionenhöhen zahlreichen Menschen in Notlagen geholfen. Es ist wichtig, dass linke Mandatar*innen einen durchschnittlichen Arbeiter*innenlohn für sich behalten und den Rest für den Aufbau von Widerstand einsetzen. Die KPÖ Steiermark setzt hier ein wichtiges Beispiel und hebt sich damit korrekterweise von bürgerlichen Parteien und Politiker*innen ab. Doch die Politik des “Helfens” lindert letztlich trotzdem nur die Symptome der sozialen Probleme und setzt nicht an deren Ursachen an - gerade in einer sich verschärfenden sozialen Krise. Es ist wichtig, Solidarität aufzubauen und zu helfen, aber mit ihren Ressourcen könnte die KPÖ viel dafür einsetzen, Arbeiter*innen zu mobilisieren und zu organisieren um die Arbeits- und Lebensbedingungen grundlegend zu ändern und nicht nur die unmittelbare Not zu lindern. 2,5 Millionen Euro ist viel Geld, aber im Vergleich zu den Kürzungen, die es in den vergangenen Jahren gegeben hat, nicht viel mehr als ein Tropfen dem heißen Stein.
Wie weiter nach der Wahl?
Zwar gibt es einige Kritikpunkte an der Arbeit der KPÖ, trotzdem ist eine starke KPÖ im Grazer Gemeinderat wichtig. Sie ist die einzige linke Opposition, die das Parlament dafür nutzen kann, nicht nur eine Stimme der Arbeiter*innenklasse zu sein, sondern reale Bewegungen aufzubauen und zu unterstützen. Sie hat das Potential, kommende Verschlechterungen abzufedern und Verbesserungen umzusetzen, wenn sie eine kämpferische Strategie mit dem Ziel der Mobilisierung der Arbeiter*innenklasse fährt. Daher ruft die SLP zur Wahl der KPÖ bei den Grazer Gemeinderatswahlen am 26. September 2021 auf!
Laut einer Umfrage von Anfang September würde die KPÖ Graz über 24% der Stimmen bekommen, damit dazugewinnen und die zweitstärkste Partei in Graz bleiben. Wenn auch nicht sehr wahrscheinlich, wäre es rechnerisch eventuell möglich, dass sich eine Koalition zwischen KPÖ, SPÖ und Grünen ausgeht. Für linke Parteien stellt eine Koalition mit bürgerlichen Parteien immer eine Gefahr dar, denn sie tragen bei einer Regierungsbeteiligung auch immer eine Mitverantwortung für alle Verschlechterungen, die von dieser Regierung kommen. Die wichtigen Forderungen der KPÖ wie der Bau von 1000 neuen Gemeindewohnungen, öffentliche Verkehrsmittel zum Nulltarif oder der Kampf gegen Privatisierungen werden mit SPÖ und Grüne nicht möglich sein, die selbst Verschlechterungen mitzuverantworten haben.
Statt sich an die “etablierte Politik” anzubiedern sollte die KPÖ stärker als bisher für ein Programm kämpfen, das über die Grenzen des Kapitalismus hinausweist und sich dafür auf Bewegungen von unten stützt. Der momentane und vielleicht auch zukünftige Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) plant nach dem Bau des Murkraftwerks schon wieder das nächste unnötige Großprojekt in Graz und will eine Stadt-U-Bahn bauen lassen. Der Bau einer U-Bahn ist sehr teuer und Graz ist eine zu kleine Stadt für solch ein Projekt. Richtigerweise fordert die KPÖ stattdessen den Ausbau des bisher bestehenden Netz an öffentlichen Verkehrsmitteln. Auch der Großteil der Bevölkerung lehnt dieses geplante Millionengrab ab. Einer Umfrage zufolge unterstützen nur 18 % der Grazer*innen die Pläne der ÖVP. Eine ähnliche Bewegung wie die gegen das Murkraftwerk könnte entstehen. Die KPÖ muss in einer solchen Bewegung eine führende Rolle einnehmen, um sie zum Erfolg zu bringen und das Projekt nicht nur zu verhindern, sondern auch z.B. einen Nulltarif zu erkämpfen. Was die KPÖ von allen anderen Parteien im Gemeinderat unterscheidet ist, dass sie ein wichtiger Bündnispartner in künftigen sozialen Bewegungen sein könnte, wenn sie sich entscheidet wirklich darauf zu orientieren.
Linke wählen, aber vor allem aktiv werden
Wir hoffen, dass es linken Kräften gelingt, gestärkt aus den Wahlen am Sonntag hervorzugehen. Aber schon vor den Wahlen ist klar, dass sie nicht zu einer entscheidenden Veränderung beitragen werden.
In einer Stellungnahme die wir im Juli 2021 veröffentlicht haben schreiben wir über die Aufgaben der Linken und Arbeiter*innenbewegung:
“Die “Linke” und die Arbeiter*innenbewegung ist in diesem Zusammenhang in einer schwierigen Lage. Obwohl das Potential für Widerstand groß ist sind die Kräfte von Sozialist*innen und der organisierten Linken in der Gesellschaft und Arbeiter*innenbewegung sehr gering. Umso wichtiger sind die richtigen Schwerpunkte.
Die größte akute politische Aufgabe ist dabei zu helfen, aus dem allgemeinen Unmut über die Regierung und der aktuellen Situation tatsächlichen Widerstand und eine Alternative zu formen. Dabei muss es darum gehen zu versuchen, in den Bereichen der Gesellschaft in denen sich Widerstand und Protest entwickelt, diese Organisierung zu unterstützen aber vor allem auch versuchen, sie mit anderen Bewegungen zu verbinden und zu verallgemeinern sowie Programm und Methode zu entwickeln die Erfolge bringen können. Leider ist das “der Linken” im Verlauf der Pandemie fast gar nicht gelungen. Einige der zentralen Themen wurden von den größten Kräften weitgehend ignoriert, z.B. haben nur wenige Organisationen wie die SLP während der Pandemie versucht, die Organisierung im Gesundheits- und Sozialbereich voranzubringen und waren sogar bei den Kämpfen (Gudi, Erdberg) weitgehend abwesend.
Wir halten es für einen Fehler wenn “Linke”sich angesichts ihrer eigenen Schwäche nur auf kleine unmittelbare lokale Verbesserungen (z.B. neue Radwege) beschränken. Für uns als Sozialist*innen ist klar: die Frage ist, wie konkrete Organisierung dazu beitragen kann die Basis für den Wiederaufbau der Arbeiter*innenbewegung und den Kampf um ein alternatives, ein sozialistisches System zu legen. Ein Beispiel dafür sind die Kämpfe und Organisierung im Sozial- und Gesundheitsbereich bei der linke, kämpferische Betriebsrät*innen, Aktivist*innen und Initiativen, darunter zentral auch die SLP, seit Jahren eine enorm wichtige Rolle dabei spielen die kämpferischten Arbeitskämpfe aufzubauen.
Angesichts der tiefen weltweiten kapitalistischen Krise ist es deshalb umso entscheidender, dass wir alle Kämpfe mit einer systemüberwindenden Perspektive verbinden. Denn uns muss klar sein: in einer Periode der kapitalistischen Krise wird es kaum nennenswerte langfristige Verbesserungen geben. In jedem konkreten Kampf müssen wir das Verständnis der Arbeiter*innenklasse und Jugend stärken, dass nur eine Organisierung, die sich das Ende dieses Systems zum Ziel setzt, einen Ausweg bietet."